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Landtagswahl 2026
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Wahlkampfauftakt: Fünf Lehren aus dem ersten Wahl-Podium in Stuttgart

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Am 8. März 2026 wählt Baden-Württemberg einen neuen Landtag. Der Wahlkampf bricht gerade richtig aus. Am Donnerstagabend trafen sechs Spitzenkandidaten aufeinander.


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Gespannte Gäste, gut vorbereitete Kandidaten, komplexe Diskussionsregeln: Rund 300 Zuschauer verfolgten am Donnerstagabend rund zweieinhalb Stunden lang im Stuttgarter Stammhaus des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags (IHK) die allererste Podiumsdebatte mit Spitzenkandidaten.

Worum ging es, was bedeutet das und wie geht es nun weiter? Ein Überblick.

Lehren aus dem ersten Wahl-Podium in Stuttgart: In Baden-Württemberg wenig Neues

Falls jemand vom ersten Wahlkampfpodium der Spitzenkandidaten der fünf aktuell im Landtag vertretenen Parteien und der Kandidatin der Linken bombastische Überraschungen oder grundstürzende Neuigkeiten erwartet haben sollte, wurde er enttäuscht. Die Kandidaten der bereits im Landtag vertretenen Parteien waren sichtlich um Seniorität, Seriosität und Ausgleich bemüht. Lediglich die Spitzenkandidatin der Linken setzte Kontrapunkte, lag oft als einzige quer zu allen anderen – und fiel damit unter den Gästen aus Wirtschaft und Politik gnadenlos durch.

Die Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Baden-Württemberg, Kim Sophie Bohnen (Linke, r-l), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Manuel Hagel (CDU), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Andreas Stoch (SPD) und Markus Frohnmaier (AfD) sitzen bei einer Veranstaltung der BWIHK auf der Bühne.
Die Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Baden-Württemberg, Kim Sophie Bohnen (Linke, r-l), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Manuel Hagel (CDU), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Andreas Stoch (SPD) und Markus Frohnmaier (AfD) sitzen bei einer Veranstaltung der BWIHK auf der Bühne.  Foto: Marijan Murat

Alle Kandidaten wurden als Typen sichtbar, konnten an ihrem Profil feilen. Da wären also: Manuel Hagel (CDU), der jungdynamische Pragmatiker mit dem „positiven Mindsetz“. Cem Özdemir (Grüne), der erfahrene und gemäßigte Politikprofi mit der Gravitas des Elder Statesman. Markus Frohnmaier (AfD), der Außenseiter, der kräftig Kreide kaut und um eine Bewährungschance bittet. Andreas Stoch (SPD), der staatstragende Intellektuelle mit Sinn für Humor. Hans-Ulrich Rülke (FDP), der liberalkonservative Schulmeister, der den Staat Verschlankung lehren will und Kim Sophie Bohnen (Linke), die unkonventionelle Nachwuchskraft mit radikal sozialem Ansatz.

Wirtschaft im Mittelpunkt – Industriestandort Baden-Württemberg sorgt für Diskussionen

Falls sich jemand fragt, worüber in diesem Wahlkampf vornehmlich geredet werden soll – über Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Genauer gesagt: über den Wirtschafts- und hier vor allem den Industriestandort Baden-Württemberg. Dass die Spitzenkandidaten ausgerechnet bei der IHK zum ersten Mal gemeinsam auf ein Podium stiegen, ist kein Zufall. Zehntausende Arbeitsplätze in der südwestdeutschen Automobil-, Zulieferer- und Maschinenbauindustrie sind in den vergangenen Monaten gestrichen worden, zehntausende weitere stehen im Feuer. Tendenz: Rezession, Krise – Angst. „Wir haben große Sorgen“, leitete BWIHK-Chef Stefan Roell zu Beginn ein.

Die Kandidaten hatten konkrete Vorschläge im Gepäck, etwa zu Deregulierung und Bürokratieabbau, zur Energieversorgung oder zur Fachkräftegewinnung. In gar nicht so wenigen Punkten waren sich die etablierten Parteien sogar einig, auch Frohnmaier ging bei vielem mit. Allein: Was können Landespolitiker angesichts der globalen Stürme, die hier durch die Betriebe wehen, überhaupt ausrichten?

Dass sich in Berlin zuvor die Bundes-Koalition auf eine Lösung zur Senkung des Industriestrompreises geeinigt hatte, dürfte viele Wirtschaftsvertreter im Publikum deutlich stärker interessiert haben als die Tatsache, dass außer der Linken-Vertreterin Bohn alle Kandidaten die CCS-Technik zur Speicherung von CO2 erlauben möchten oder sich für schnellere Genehmigungsverfahren beim Infrastrukturausbau durch Legalplanung aussprachen.

Es gibt Unterschiede – aber Bereitschaft zur Zusammenarbeit

Die Politiker sagen doch alle dasselbe? Mitnichten! Frohnmaiers AfD will zurück zur Atomkraft und wieder Gas aus Russland beziehen – und erntete damit allgemeines Kopfschütteln und Widerspruch von Özdemir. Rülke will mithilfe von Atomstrom produzierten „Roten Wasserstoff“ importieren. Stoch deutet zumindest an, das mit dem Bürokratieabbau sei nun einmal nicht so einfach in einem hochregulierten Gemeinwesen. Linken-Vertreterin Bohnen setzte radikal auf den Sozialstaat: gute Löhne, billigere Mieten, bessere Arbeitsbedingungen, dann klappt das schon mit dem Wirtschaftsaufschwung – im Saal rumorte es.

Aber alle gingen zivil miteinander um, hielten sich weitestgehend an die nicht unkomplizierten Diskussionsregeln. Und: Außer AfD und Linken wirken alle fähig, willens und bereit für Kompromisse. Hagel und Özdemir gaben sich so oft gegenseitig recht, dass man den Eindruck gewinnen konnte, sie übten schonmal für die Koalitionsverhandlungen.

Noch ist vieles offen

Die Umfragen sehen eindeutig aus, die CDU liegt klar in Führung. Aber noch ist vieles offen und Zeit für allerlei Entwicklungen. Entsprechend stellen sich Fragen: Trauen die Leute dem 37-jährigen Hagel, der in Bayern nicht mal auf dem Ministerpräsidenten-Wahlzettel stehen dürfte, das höchste Amt im Ländle zu? Kann Özdemir seine persönliche Bekannt- und Beliebtheit in Stimmen für die immer noch weiträumig verhasste Grünen-Partei umwandeln? Wie viele Bürger, die nun damit kokettieren, wählen die AfD am Ende wirklich, wenn ihnen klar wird, dass die nur dann regiert, wenn sie eine absolute Mehrheit erhält?

Was macht der Gegenwind aus Berlin mit den Landtagswahlergebnissen von CDU und SPD – oder dreht sich der Wind sogar noch? Schafft die Linkspartei wirklich den Sprung in den Landtag? Fliegt die FDP vielleicht in ihrem Stammland ebenso aus dem Parlament wie aus dem Bundestag? Und wie wirkt sich das brandneue Zwei-Stimmen-Wahlrecht aus, das erstmals auch 16-Jährige ausüben dürfen?

Der Wahlkampf geht jetzt richtig los

Genau 115 Tage sind es noch bis zum Urnengang. Der Wahlkampf wird jetzt schrittweise angeheizt und dann im neuen Jahr richtig ausbrechen. Schon am kommenden Dienstag (18. November) steht das nächste Fünfer-Podium an, natürlich wieder bei einem Wirtschaftsverband, diesmal dem der „Familienunternehmer BW“.

Vor allem aber wird es langsam inhaltlich interessant: Auf in den nächsten Wochen anstehenden Parteitagen werden Grundsatzreden gehalten und Wahlprogramme verabschiedet werden. Dann irgendwann werden die Wahlplakate aufgehängt und die örtlichen Kandidaten stehen auf Marktplätzen und klopfen an Haustüren.

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