Grundsätzlich sei es gut, dass Olaf Scholz Bundeskanzler ist, findet Rolf Mützenich. An dessen Herausforderer bei der nächsten Wahl, CDU-Chef Friedrich Merz, lässt Mützenich kein gutes Haar. Nach dem Ausbruch des Krieges habe Merz gefordert, alle Energielieferungen aus Russland sofort zu stoppen. "Was das für unsere Industrie bedeutet hätte in einer Situation, in der wir keine Alternativen hatten, kann sich jeder ausmalen." Auch Merz Forderung, Taurus-Langstreckenraketen an die Ukraine zu liefern, hätte "das Risiko einer Eskalation noch weiter erhöht", findet Mützenich. Er glaube, der Wahlkampf werde interessant. "Am Ende wird es die Menschen vor allem überzeugen, ob der Kanzlerkandidat die entsprechende Regierungserfahrung hat, besonnen handelt und einen Kompass für die Herausforderungen dieser Zeit hat."
Rolf Mützenich fordert breite Debatte über US-Langstreckenraketen in Deutschland
Am Donnerstag war der SPD-Fraktionsvorsitzende bei einem Redaktionsgespräch zu Gast. Dabei formulierte Mützenich seine Erwartungen an den Bundeskanzler beim Ukraine-Krieg und dem geplanten Industriegipfel.

Rolf Mützenich ist ein Mann, der seine Meinung in wohlüberlegte Worte packt. Wie als er beim Stimme-Redaktionsbesuch von seinem Spaziergang durch Heilbronn erzählt. „Ich fand‘s interessant. Vielleicht tut sich ja noch was.“
Deutlicher wird der SPD-Fraktionsvorsitzende, wenn es um die Pläne geht, amerikanische Langstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, wie es Kanzler Olaf Scholz angekündigt hat. „Eine solche weitgehende Entscheidung ist kein Verwaltungsakt, sondern bedarf der ernsten öffentlichen Abwägung aller Chancen und Risiken“, findet Mützenich. Zwar sei es nachvollziehbar, dass Deutschland sich um seine Sicherheit kümmert. Allerdings könnten die Raketen Ziele tief in Russland erreichen. Es brauche deshalb eine „offene Diskussion“ darüber, innerhalb seiner Partei und mit der Bevölkerung.
Rolf Mützenicht erwartet Ergebnisse vom Industriegipfel am 29. Oktober
Beim für nächste Woche geplanten Industriegipfel hat Mützenich ebenfalls eine klare Erwartung: Scholz müsse Ergebnisse liefern und im Parlament vorstellen. „Das will ich auch sehen.“ Er selbst könne sich Entlastungen beim Strompreis oder bei den Netzentgelten für Unternehmen vorstellen. Die wirtschaftliche Lage sei ernst. Allerdings hätten einige Konzerne die technologische Entwicklung „nicht so angepackt, wie es erforderlich wäre“, sagt Mützenich und meint die Automobilindustrie. Diese Fehler müsse man sich eingestehen.
Im März hatte Mützenich sich breite Kritik eingehandelt, weil er forderte, man müsse auch darüber nachdenken, wie man den Ukraine-Krieg „einfrieren“ kann. Inzwischen werde immer wieder über Friedensverhandlungen gesprochen. „Ich finde es richtig, dass man über verschiedene Möglichkeiten nachdenkt.“ Deutschland und der Bundeskanzler hätten die Ukraine immer gegen Russland unterstützt, gleichzeitig aber das Gespräch mit China und anderen Staaten gesucht, die einen Einfluss auf Wladimir Putin haben könnten. „Das müssen wir weiterhin tun.“
Tariftreuegesetz und Rentenreform müssen kommen
Bis zur Bundestagswahl im November 2025 habe die Ampel-Koalition noch einiges vor. Das Tariftreuegesetz etwa, das den Bund verpflichtet, Aufträge nur an Firmen zu vergeben, die nach Tarif bezahlen, müsse kommen – wenn auch die FDP das Vorhaben blockiert. Die Rentenreform sei ebenfalls nötig.
Die Frage, ob die Ampel-Koalition noch vor der Wahl zerbrechen könnte, bügelt Mützenich ab. „Wenn man politisch gestalten kann, gehört es dazu, dass man durchhält.“ Gleichwohl leugnet der Kölner nicht, dass es Probleme gibt. Ein Beispiel sei die Forderung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), einen „Deutschlandfonds“ für Investitionen aufzulegen, um die Wirtschaft zu beleben. Die Idee sei zweifelsohne gut, aber ein Alleingang, kritisiert Mützenich. „Ein Vizekanzler sollte schon mit dem Kanzler darüber reden und auch mit dem Finanzminister.“ Selbst dann sei es gewagt, ein Sondervermögen zu fordern.
Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge streichen? "Keine Entlastung", findet Mützenich
Genauso teilt Mützenich gegen Christian Lindner aus. Dessen Idee, ukrainischen Flüchtlingen das Bürgergeld zu entziehen, indem man sie wie Asylbewerber behandelt, sei „wohlfeil“. Die Behörden müssten dann alle Ukrainer überprüfen. „Das wird mit Sicherheit nicht zu einer Entlastung führen.“
Sinnvoller findet es Mützenich, auf EU-Ebene anzusetzen. Im Juni hatten die Mitgliedsländer eine Reform des europäischen Asylsystems beschlossen. Doch die Reform stockt. „Wir sind bereit, diese Maßnahmen auf nationaler Ebene schnell zu beschließen“, betont Mützenich. Allein durch die Maßnahmen in Deutschland sei die Zahl der ankommenden Asylbewerber gesunken, man könne das Problem letztlich aber nur europäisch lösen.