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Debatte über Palantir: Sorge um Einsatz der Polizeisoftware in Deutschland

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Die Polizei möchte die Software „Gotham“ des US-Softwareunternehmens Palantir zur Verbrechensbekämpfung starten. Doch es regen sich Zweifel. Unternehmen aus Deutschland bieten offenbar sichere Alternativen.


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Haben die für die Polizei zuständigen deutschen Innenministerien die Entscheidung, die Software „Gotham“ des US-amerikanischen Unternehmens Palantir zu nutzen, zu leichtfertig getroffen? Die Diskussion um diese Frage reißt nicht ab. Das baden-württembergische Innenministerium (IM) schloss einen Fünfjahresvertrag mit Palantir ab. Die Polizei in anderen Ländern wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen nutzen die Software bereits.

Palantir-Software „Gotham“ bündelt Datensätze

Palantir bietet mit „Gotham“ eine digitale Sortiermaschine. Sie soll in die bereits bestehende Plattform „Vera“ (Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform) eingefügt werden. Mithilfe von künstlicher Intelligenz ist die Software in der Lage, zusammengehörige Datensätze zu sortieren und zu bündeln. Sie verknüpft Vorgangsdaten, Aktenbestände und zeigt sie der Polizei in Sekundenschnelle an. Auch Daten von Zeugen, die mit einer Straftat oder einem Straftäter zu tun haben, sind erfasst und werden von der Software zusammengetragen. Unternehmen und auch die Polizei sprechen über diese Bündel-Funktion gerne von einem „Game-Changer“, von einem Wendepunkt in der Anwendung von Daten.

Die Polizei in Baden-Württemberg möchte mit eine Software namens "Gotham" die Verbrechensbekämpfung verbessern.
Die Polizei in Baden-Württemberg möchte mit eine Software namens "Gotham" die Verbrechensbekämpfung verbessern.  Foto: Sebastian Gollnow

Das baden-württembergische Innenministerium rechtfertigt die Entscheidung für Palantir als notwendig, möchte Straftäter dadurch besser und effektiver ermitteln. Doch es regt sich immer mehr Kritik an der Software. Die Befürchtung: möglicher Datenabfluss in die USA. Kritiker und Mitanbieter fragen, weshalb gerade Innenministerien in Deutschland, denen hochsensible Daten zur Verfügung stehen, nicht auf Software europäischer oder deutscher Unternehmen zurückgegriffen haben. Diese unterliegen einem deutlich strengeren Datenschutz.

Kritik an Palantir: Unternehmen aus Deutschland könnten ebenbürtige Software anbieten

„Wir wären unmittelbar und sofort in der Lage, Software mit der Leistung zur Verfügung zu stellen“, sagt Isolde Fischer, Sprecherin des Unternehmens FSZ, einem Softwareunternehmen aus Metzingen. Anfang Juli hat FSZ eigenen Angaben zufolge alle Innenministerien, Polizeipräsidien, Landeskriminalämter und Politiker angeschrieben und auf die unternehmenseigene Software hingewiesen. Unverständlich ist die Entscheidung des IM auch für Andreas Böhm. Der Geschäftsführer von One Data in Passau erklärt, dass die Technik, wie sie Palantir anbietet, auch zu 100 Prozent aus Deutschland angeboten werden könne. Firmen wie Biontech, Thyssen-Krupp oder Payback nutzten die Software von One Data. Die Funktionsweise gleiche im Kern der von Palantir.

Aus Sicht des IM kommt diese Reaktion etwas spät. Das bayerische Innenministerium soll bereits vor Jahren offen ausgeschrieben haben, heißt es. „Die einzige Software, die marktreif war, war Palantir“, sagt eine Sprecherin des IM. Kritiker entgegnen, dass der Anforderungskatalog auf Palantir zugeschnitten gewesen sei. Mitanbieter seien chancenlos gewesen. Offenbar spielt auch ein attraktives Angebot von Palantir eine Rolle. Das IM bezahlt für die fünf Jahre 25 Millionen Euro an das US-Unternehmen.

Polizei-Software: Souveräne europäische Lösung angestrebt

Das IM strebt demnach zukünftig durchaus eine souveräne europäische Lösung an. Projektpartner hierfür seien die Airbus Defence and Space und die Digitalsparte der Schwarz-Gruppe, Schwarz-Digits aus Neckarsulm. Weitere Unternehmen könnten folgen, heißt es. Eine Sprecherin von Schwarz-Digits erklärt, dass man zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht auf dem externen Markt tätig gewesen sei. Die von Schwarz-Digits angebotene Alternative biete 100-prozentige Souveränität, IT-Sicherheit und Datenschutz. Also genau das, was Kritiker von Palantir von einer deutschen Software fordern.

Präsident des Oberlandesgericht in Karlsruhe sorgt sich um Missbrauch

Nicht nur Mitanbieter melden mittlerweile ihre Sorgen an. Jörg Müller, Präsident des Oberlandesgerichts in Karlsruhe, veröffentlichte vor einigen Tagen über das soziale Netzwerk Linkedin: „Sind erstmal alle sensiblen Daten verknüpft, ist Missbrauch Tür und Tor geöffnet, wenn demokratiefeindliche Kräfte an die Regierung kommen.“ Man bewege sich bei der Strafverfolgung nach der Definition des europäischen AI-Acts, der den Umgang mit KI regeln soll, im Hochrisikobereich von KI-Anwendung.

„Ich hätte erwartet, dass man die Ratio einschaltet und abwägt: Welche Risiken geht man ein, gibt’s Alternativen?“, sagt er im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte legte mittlerweile Verfassungsbeschwerde gegen die Nutzung von Palantir in Bayern beim Bundesverfassungsgericht ein.

LKA Bayern über Palantir-Software: Nicht möglich, von außen zuzugreifen

Das Landeskriminalamt in Bayern hält dagegen, dass Datensicherheit und -schutz gewährleistet seien. Das Fraunhofer-Institut habe umfassend Software und Quellcode geprüft und dabei nachgewiesen, dass IT-Sicherheit und Datenschutzbelange gewahrt seien, erklärt ein Sprecher. Technisch sei es nicht möglich, von außen auf die Daten zuzugreifen.

Doch um die Software in Baden-Württemberg überhaupt nutzen zu können, muss das Polizeigesetz geändert werden. Zwischendurch gab es hierüber Streit in der grün-schwarzen Landesregierung, der mittlerweile aber beigelegt ist. Die Software darf genutzt, muss aber einer besonderen Kontrolle unterzogen werden.

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