Papierflieger und Picknick: So lief die Protestaktion der "Letzten Generation" am Flughafen Stuttgart
Am Samstag trafen sich die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" am Flughafen Stuttgart zu einer "ungehorsamen Versammlung". Auch an anderen Orten in Deutschland kam es zu Aktionen.

Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" treffen sich am Samstag, 16. März, am Flughafen Stuttgart zu einer "ungehorsamen Versammlung". Polizei und Flughafenpersonal sind vorgewarnt. Die Heilbronner Stimme ist vor Ort und berichtet vom Geschehen.
Neben den Demonstrationen im Südwesten wird es außerdem in Köln, Regensburg, München, Leipzig, Bremen, Berlin und auf Rügen Aktionen geben. Auch in Freiburg am Hauptbahnhof und in Karlsruhe auf der Durlacher Allee soll demonstriert werden. Neben Aktivisten sollen unter anderem auch Lehrer, Handwerker, Ärzte, Studenten, Wissenschaftler und Landwirte auf die Straße gehen.
Samstag, 15. März: Straßenblockaden durch Klimaaktivisten der "Letzten Generation"
Rügen: Unweit des Rügener Terminals für Flüssigerdgas (LNG) behinderten nach Polizeiangaben 27 Aktivisten den Verkehr auf einer Zufahrtsstraße zum Fährhafen Sassnitz. Die Einsatzkräfte ließen die Gruppe zunächst gewähren. Dies sei zumindest so lange der Fall, wie die Aktion einen Versammlungscharakter habe. Ein Sprecher der Letzten Generation hatte zuvor gesagt, die Demonstranten wollten länger bleiben, möglicherweise bis Sonntag. Das Flüssiggas-Terminal sei "die Spitze fossilen Wahnsinns".
Berlin/München: In Berlin blockierten nach Polizeiangaben etwa 130 Teilnehmer am Mittag die Warschauer Brücke, eine zentrale Verkehrsverbindung im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg. Sie stellten und setzten sich immer wieder auf beide Spuren der Straße. In München und Regensburg zählte die Polizei 120 beziehungsweise 150 Demonstranten bei angezeigten und nicht angezeigten Versammlungen. Größere Verkehrsprobleme habe es in München nicht gegeben, hieß es von der dortigen Polizei.
Freiburg/Karlsruhe: Aktionen gab es auch in Freiburg, Karlsruhe und am Stuttgarter Flughafen. Die Polizei sprach dort von einem friedlichen Protest. Dutzende Aktivisten, die laut Polizei am Freiburger Hauptbahnhof und der Durlacher Allee in Karlsruhe Fahrbahnen blockierten, mussten weggetragen werden. Mit der neuen Demonstrationsform soll die gesamte Gesellschaft erreicht werden, sagte Mario Hess von der Karlsruher "Letzten Generation." "Unsere früheren Aktionen mit dem Kleben wurden ja sehr kritisch von Passanten gesehen."
Den Protest am Samstag bezeichnete Hess als Erfolg. 150 Menschen beteiligten sich ihm zufolge in der Spitze in Karlsruhe daran. Die Polizei sprach dagegen von bis zu 50 Demonstranten. In Freiburg zählten die Beamten etwa 150 Teilnehmer. Wie viele es am Flughafen Stuttgart waren, war zunächst nicht bekannt.
Chronologie: "Letzte Generation" veranstaltet Protestaktion am Flughafen Stuttgart
Stuttgart, 14.30 Uhr: "Die Hauptaktion der 'Letzten Generation' ist vorbei", erklärt eine Pressesprecherin des Flughafens gegenüber der Heilbronner Stimme. Der Zeitstrahl zum Klimawandel, den die Aktivisten ausgerollt hatten, sei eingepackt. Vereinzelt ständen noch Teilnehmer in der Flughafenhalle. Es sei ein "friedlicher und angemessener Auftritt" gewesen, erklärt die Pressesprecherin. Es seien "kreative Sachen" dabei gewesen, etwa ein Picknick auf einer Decke. Der Betrieb des Flughafens sei nicht beeinträchtigt worden. Reisende hätten ungehindert ihre Check-Ins durchführen können.

Stuttgart, 14.00 Uhr: Die Protestaktion der "Letzten Generation" ist weitgehend vorbei. Vereinzelt stehen Aktivisten auf dem Dach der Gepäck-Aufgabe-Schalter.
Stuttgart: 13.30 Uhr: Die Aktivisten werfen am Flughafen mit Papierfliegern. Andere gehen mit Reisenden ins Gespräch. Die sind bezüglich der Proteste zwiegespalten. M. Kasapoglu erklärt, sie finde es generell gut, dass die Aktivisten sich für Klimaschutz stark machen. "Inlandsflüge finde ich schwachsinnig", sagt sie. Dafür nehme sie lieber den Zug. "Meine Mutter fliegt in die Türkei. In unserem Fall liegt ein Familienmitglied im Sterben, da ist es ok, mal eine Ausnahme zu machen."

Das Ehepaar S. und H. Wilhelm finden, die man sollte erstmal im Kleinen anfangen, etwas für den Klimaschutz zu tun. "Manche Sachen gehen halt nicht ohne Flug. Über Kurzstreckenflüge lässt sich streiten. Wir sind mit dem FlixBus hergekommen." Die beiden fliegen nach Thessaloniki, wo sie eine Immobilie besitzen. Normalerweise würden sie im Sommer immer mit den Auto fahren. Solange die Demonstration friedlich verläuft, haben sie nichts dagegen einzuwenden. Sie hoffen, dass die Wissenschaft eines Tages eine Möglichkeit findet, Kerosin zu ersetzen und Fliegen umweltschonender zu machen.
"In einem Wort zusammengefasst sind wir genervt", sagen die Urlauber Kim und Marcel, die ihre Nachnamen nicht nennen wollen. Sie werden den Teilnehmern Doppelmoral vor: "Die gehen wahrscheinlich zur Hälfte selber in Urlaub." Dennoch sei diese "ungehorsame Versammlung" besser als die Klebeaktionen, die die Gruppierung mittlerweile aufgegeben hat. Denn das würde nur dem eigentlichen Zweck schaden. "Ich kann halt schlecht nach Amerika laufen. Wir haben beide Flugangst wir würden sofort den Zug nehmen, wenn es gehen würde"
Klimaaktivisten der "Letzten Generation" kritisieren Verkehrsminister Wissing
Stuttgart, 12:45 Uhr: Es sind auch Teilnehmer der Bewegung gegen Stuttgart 21 vor Ort. Manche der Aktivisten haben sich als Clowns verkleidet. „Mit diesem Outfit trete ich immer auf“, sagt einer davon. Die Polizei ist mit einem großen Aufgebot anwesend. Schätzungsweise 50 Beamte sind vor Ort. Ansonsten ist die Lage ruhig. Konflikte mit Fluggästen gibt es keine. Die Fluggäste ignorieren die Aktionen der Aktivisten zum größten Teil. „Wir wollen den Fluggästen hier auf gar keinen Fall den Urlaub verderben, wir addressieren hier den Flughafen“, erklärt der Koordinator der Gruppe Stuttgart Thaddäus Moffor.
„Wir brauchen einen Systemwandel. Wir brauchen zivilen Ungehorsam, wie wir ihn hier heute haben“, verkünden Aktivisten der "Letzten Generation". Besondere Kritik wird an Verkehrsminister Volker Wissing geübt: „Wie kann es sein, dass Politiker wie Wissing nicht in den Knast müssen, aber wir?“
Stuttgart, 12 Uhr: Rund 40 bis 50 Aktivisten der "Letzten Generation" sind bei den Aktionen dabei und noch rund 50 Personen aus anderen Gruppen. Sie hoffen, dass noch weitere Menschen kommen, erklärt der Koordinator der Widerstandsgruppe Stuttgart Thaddäus Moffor. Zunächst seien die Teilnehmer "undercover" als Reisende unterwegs. Ebenfalls vor Ort sind die Parents for Future Tübingen, Ippnw sowie der Chor Lebenslaune. Der Chor hat sich im Flughafen aufgestellt und singt.
Die Polizei hat den Aktivisten die Seifenblasen weggenommen. Anwesende diskutieren mit den Beamten: „Wir gehen hier nicht weg. Das ist eine Beschränkung des Demonstrationsrechts. Ich bleibe hier stehen, damit meine Tochter eine Zukunft hat“.
Protestaktionen der "Letzten Generation": Was bisher geschah
Freitag, 15. März: Unsere Redaktion sprach im Vorfeld mit den Veranstaltern sowie mit Flughafen und Polizei. Zur neuen Protestform äußert sich Mischa Bareuther, Sprecher der Organisation in Stuttgart gegenüber der Heilbronner Stimme: "Bei den 'Ungehorsamen Versammlungen' als neuer Protestform steht die Störung nicht mehr im Mittelpunkt". Dennoch solle "ziviler Ungehorsam weiterhin Teil davon sein".
Die "Letzte Generation" in Stuttgart setze mit ihrer Protestaktion allerdings mehr auf den Dialog und der "Anschlussfähigkeit". "Zu dem auch alle kommen können, die sich für Klimaschutz einsetzen wollen und dort auch ohne Repressionen teilnehmen können".
Donnerstag, 14. März: In Karlsruhe hat die Gruppierung bereits am Donnerstag mit einer Aktion auf sich und eine bevorstehende Protestaktion aufmerksam gemacht. Wie die Polizei mitteilt, kletterte ein Aktivist auf einen hohen Baukran und entrollte ein Banner mit der Aufschrift "Kohle oder Grundgesetz?".
Am Samstag wollen Aktivisten auch in Karlsruhe Straßen und Gehwege blockieren, wie ein Sprecher der "Letzten Generation" berichtete. Dabei werde sich aber niemand festkleben.


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