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Nach Todesschuss
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Erschossener Schüler in Offenburg: Was wir wissen und was nicht

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Ein Jugendlicher hat in Offenburg am Donnerstag offenbar per Kopfschuss einen Mitschüler (15) erschossen. Auch einen Brandsatz soll er dabei gehabt haben. Wir haben Fragen und Antworten zu dem Fall gesammelt.

An einem Ort, an dem Kinder und Jugendliche fürs Leben lernen sollen, endet am Donnerstag eben jenes Leben für einen 15-Jährigen. Der Grund: Ein Mitschüler kommt ins Klassenzimmer, bewaffnet, und schießt auf ihn. Später erliegt der Junge im Krankenhaus seiner Verletzung. Was bereits bekannt ist und welche Fragen noch offen sind.



Was genau ist passiert?

Nach Angaben der Polizei hat es sich so abgespielt: Am Donnerstag sind um kurz vor 12 Uhr mehrere Notrufe eingegangen. Die Anrufer berichten, dass in der Waldbachschule in der Vogesenstraße geschossen worden sein soll. Vor Ort finden die Beamten einen verletzten Jungen, der von den Rettungskräften versorgt werden muss. Der 15-jährige Schüler stirbt später im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Der mutmaßliche Täter sei laut Polizei vom Vater eines unbeteiligten Kindes festgehalten worden. Er habe den "mutmaßlich aufgebenden Täter" laut angesprochen und zum Ablegen der Waffe gebracht. Anschließend wurde der Todesschütze festgenommen.

 

Wie lief die Tat ab?

Der minderjährige Tatverdächtige soll gegen 12 Uhr das Klassenzimmer betreten haben und gezielt auf seinen gleichaltrigen Mitschüler zugegangen sein. Er soll das andere Kind zwei Mal mit einer Waffe in den Kopf geschossen haben. Dabei wurde das Opfer schwer verletzt. "Als Motiv kommt nach derzeitigen Sachstand ein persönliches Motiv in Betracht", heißt es vom Polizeipräsidium Offenburg. Ein politisches Motiv komme derzeit nicht in Betracht. Der Jugendliche soll nach dpa-Informationen noch mehr Munition bei sich gehabt haben. Außerdem hat die Polizei beim Durchsuchen des Schulgebäudes einen Molotowcocktail gefunden. Ob der Brandsatz im Zusammenhang mit der Tat steht, werde ermittelt. 

 

Wurde sonst jemand verletzt?

Nach Verlassen des Klassenzimmers soll der mutmaßliche Täter laut den Ermittlern eine Lehrerin auf den Kopf geschlagen und sie dadurch verletzt haben. Die restlichen Schüler der Schule blieben in ihren Klassenzimmern, bis die Polizei das Gebäude durchsucht hatte. Anschließend wurden die Schüler in die Sporthalle gebracht und von ihren Eltern abgeholt. Schüler und Eltern wurden psychologisch betreut. Rund 300 Einsatzkräfte waren vor Ort.

 

Was berichten Menschen vor Ort?

Der Offenburger Marc S., der zum Tatzeitpunkt gerade auf dem Weg zur Arbeit war, schildert die Situation gegenüber unserer Redaktion so: "Ich saß im Auto und plötzlich kam ein Polizeiauto nach dem anderen." Beim ersten Polizeiauto habe er sich noch nichts gedacht. "Aber es wurden immer mehr, dann kreisten noch Hubschrauber über dem Gebiet. Es war eine beunruhigende Situation, weil dann jedem klar war, dass es kein einfacher Verkehrsunfall war, sondern etwas Übles passiert ist." 

 

Was passiert mit dem Tatverdächtigen?

Der Tatverdächtige kam vorerst in Untersuchungshaft. Iris Janke, Leiterin der Staatsanwaltschaft Offenburg, erklärte, er sei noch am Donnerstag der Haftrichterin vorgeführt worden. Es sei ein Haftbefehl wegen Totschlags erlassen worden.

 

Wie geht es nun weiter?

Am Freitag war die Polizei erneut vor Ort, um an der Schule Spuren zu sichern. Zu neuen Erkenntnissen äußerte sie sich vorerst nicht, wie ein Polizeisprecher erklärte. Die Waldbachschule, ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ), blieb geschlossen. Der Offenburger Oberbürgermeister erklärte: „Als Stadt stehen wir mit allen Behörden und Einrichtungen im Austausch, um diese schwere Situation gemeinsam auch bewältigen zu können. Sicherlich werden die nächsten Tage und Wochen nicht einfach.“

 

Welche Fragen sind noch offen?

Unklar ist, wie der 15-jährige Schüler an Waffe und Munition gelangt ist. Die Polizei teilte am Freitag dazu mit, die Waffe dürfte aus dem persönlichen Umfeld des Schützen gestammt haben. Ebenfalls fraglich ist noch, um welche Art von Waffe es sich gehandelt hat. Auch das Motiv des mutmaßlichen Täters ist nicht vollständig geklärt. Die Ermittlungen laufen derzeit auf Hochtouren. „Zunächst stehen viele sensibel zu führende Vernehmungen von Zeugen an, die es zusammen mit den bereits kursierenden Darstellungen zu bewerten gilt“, teilten die Ermittler mit.

 

Welche Reaktionen gab es noch?

Der Opferbeauftragte des Landes, Alexander Schwarz, sagte: „Es erschreckt mich sehr, dass es an einer Schule in unserem Land zu einer so schlimmen Tat gekommen ist. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des getöteten Schülers.“ Den Angehörigen des getöteten Schülers sprach er seine Anteilnahme aus. „Wir denken aber auch an die zahlreichen jungen Schülerinnen und Schüler, die Furchtbares erleben und über Stunden hinweg große Ängste erdulden mussten.“ Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte: „Unsere Gedanken sind jetzt bei der Familie und den Angehörigen des Opfers.“ Ein Ereignis wie dieses schlage tiefe Wunden in eine Schulgemeinschaft. „Was wir tun können, für die Hinterbliebenen, für Schülerinnen und Schüler sowie für die Lehrkräfte der Waldbachschule, das werden wir tun.“

 

Wie blickt man in der Region auf die Tat?

Aus Sicht von Harald Schröder, Kreisvorstand der Bildungsgewerkschaft GEW in Heilbronn, ist die Tat in Offenburg ein trauriges Ereignis. "Wenn wir Schulen wollen, die einigermaßen offen sind und nicht an geschlossene Anstalten erinnern, ist so etwas aber nur schwer zu verhindern." Die Lehrkräfte seien inzwischen sensibilisiert für solche Fälle, es gebe regelmäßige Schulungen. "Sie wissen, was sie tun müssen." Die schnelle Reaktion der Lehrkräfte habe, so laut Schröder der Anschein, wohl dazu geführt, dass nichts schlimmeres passiert ist.

Die Tat zeige, dass vor allem Prävention enorm wichtig ist, sagt Schröder. Konflikte gebe es unter Jugendlichen immer wieder. "Die Schulen müssen klar machen: Wenn ihr einen Konflikt habt, kommt zu uns. Wir helfen euch, da rauszukommen." Dafür sei ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern wichtig.

 

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