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"Querdenken"-Gründer Michael Ballweg weiterhin in U-Haft

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Der 48-jährige frühere IT-Unternehmer aus Stuttgart sitzt wegen des Verdachts auf versuchten gewerbsmäßigen Betrug und Geldwäsche seit dem 29. Juni 2022 in U-Haft. Sein Anwaltsteam fordert die Aufhebung des Haftsbefehls.

Von Ulrike Bäuerlein
Im Juni 2022 wurde Michael Ballweg wegen des Verdachts auf Betrugs und Geldwäsche festgenommen und sitzt seitdem in U-Haft in Stuttgart-Stammheim.
Foto: dpa
Im Juni 2022 wurde Michael Ballweg wegen des Verdachts auf Betrugs und Geldwäsche festgenommen und sitzt seitdem in U-Haft in Stuttgart-Stammheim. Foto: dpa  Foto: dpa

Ich vertrete alle möglichen Spitzbuben", sagt Reinhard Löffler. "Ich bin Rechtsanwalt, das ist mein Beruf. Ich würde auch Mandanten aus der linken Ecke vertreten, wenn sie mich bezahlen." Derzeit hat der 68-Jährige Stuttgarter Jurist und CDU-Politiker aber zwei prominente Mandanten, die eher dem entgegengesetzten Lager zugerechnet werden: Der eine ist der frühere AfD-Landtagsabgeordneten Heinrich Fiechtner, der unter anderem Schlagzeilen machte, weil er sich nach einem Plenarsaalverweis von der Polizei aus dem Landtag tragen ließ. Der andere ist der derzeit prominenteste Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim: "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg.

Eilantrag wegen Unverhältnismäßigkeit

Der 48-jährige frühere IT-Unternehmer aus Stuttgart sitzt wegen des Verdachts auf versuchten gewerbsmäßigen Betrug und Geldwäsche seit dem 29. Juni 2022 in U-Haft. Zwei Haftbeschwerden und Haftprüfungen seines Anwaltsteams scheiterten seitdem bereits vor dem zuständigen Amtsgericht sowie den weiteren Instanzen. Seit gut einer Woche liegt nun dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als Eilantrag eine 231-seitige Beschwerde vor mit dem Ziel, den Haftbefehl gegen Ballweg bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens aufzuheben - unter anderem wegen unverhältnismäßig langer Dauer der U-Haft. Länger als sechs Monate darf diese nicht dauern, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor.

 


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Löffler, der zu Ballwegs juristischem Team gehört, hat, wie er sagt, "einiges an Gehirnschmalz" bei der Abfassung investiert. Aber das mit dem "Geschmäckle", das ihm dadurch anhaften könnte, will er nicht stehen lassen. "Ich bin kein Haus- und Hofanwalt von Querdenkern und auch nicht aus der rechten Ecke. Aber ich würde Michael Ballweg nicht in die rechte Ecke stellen."

Anschuldigungen abgeschwächt

Für Löffler ist es ein kleiner Skandal, dass der Querdenken-Initiator immer noch in U-Haft sitzt und die Staatsanwaltschaft nicht nur noch immer keine Anklage erhoben, sondern ihre Anschuldigungen auch abgeschwächt habe. "Aus vollendetem Betrug ist jetzt versuchter Betrug geworden. Der Kern des Vorwurfs ist, dass Ballweg seine Unterstützer über die Verwendung der Gelder getäuscht hat. Aber es hat sich gezeigt, dass vielen Unterstützern völlig egal ist, was Michael Ballweg mit dem Geld gemacht hat. Mittlerweile ist wohl nur noch eine Summe von 6000 Euro nicht nachvollziehbar. "Dies ist kein Cum-Ex-Verfahren. Es geht vielleicht noch um ein paar hundert Euro, die noch nicht einmal geklaut sind", kritisiert Löffler. Er könne sich jedenfalls nicht vorstellen, dass Ballweg bei dieser Sachlage zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. "Die Straferwartung ist aus meiner Sicht jetzt schon viel geringer, als die U-Haft andauert."

 


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Mit Handschellen an Tischbein gefesselt

Das ist auch der Punkt, an dem die Verfassungsbeschwerde ansetzt. Zudem sei Ballweg beim zweiten Haftprüfungstermin im Januar rechtliches Gehör durch den Haftrichter verweigert worden sei. "Er wurde mit Handschellen an ein Tischbein gefesselt. Das ist unwürdig", so Löffler, der das Ganze für einen politischen Prozess hält. "Die Staatsanwaltschaft klammert sich jetzt an den Vorwurf der Fluchtgefahr. Das liegt daran, dass Michael Ballweg keinen festen Wohnsitz hier mehr hat. Aber sein Pass ist eingezogen, seine Konten sind eingefroren. Es wären ja auch Meldeauflagen möglich." Ballweg selbst, den Löffler unlängst sprechen konnte - allerdings, wie sich der Jurist echauffiert, "durch eine Trennwand!" - wirke auf ihn ausgeglichen und unbeugsam, aber nicht voller Bitterkeit. "Er liest und meditiert viel, studiert die Akten intensiv."

Weitere Vorwürfe

Möglicherweise hat Ballweg bald noch mehr zu studieren. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat erst Ende vergangener Woche weitere Vorwürfe wegen möglicher Gewerbe-, Körperschafts- und Umsatzsteuerhinterziehung nachgelegt. "Es wird derzeit weiter ermittelt und unverändert von einem sechsstelligen Betrag ausgegangen", sagt der Sprecher. Ein Termin zur Anklageerhebung stehe noch nicht, da es sich aber um eine Haftsache handle, müsse ohnehin vorrangig ermittelt werden. Daran ändere auch die Beschwerde beim Verfassungsgericht nichts.

 


Zur Querdenker-Bewegung

Der Stuttgarter IT-Unternehmer Michael Ballweg gilt als Gründer der Querdenker-Bewegung, die sich Anfang 2020 gegen die Corona-Schutzmaßnahmen formierte. Ballweg organisierte zunächst Proteste in Stuttgart, später auch in Berlin und anderen deutschen Städten. Im April 2020 gründete Ballweg die Gruppe "Querdenken 711" nach der Stuttgarter Vorwahl 0711. Ballweg stellte die staatlichen Maßnahmen als Freiheitsberaubung der Bürger in Frage.

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