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Sachkundenachweis für Hundebesitzer
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Was wurde aus dem geplanten Hundeführerschein in Baden-Württemberg?

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Der 2021 vom Land angekündigte Hundeführerschein lässt weiter auf sich warten. Nicht nur Tierschutzverbände fragen sich, was eigentlich aus dem Projekt geworden ist – und warum sie nicht beteiligt werden.

Von Ulrike Bäuerlein

Die Nachricht versetzte im Mai 2021 die Besitzer der rund 1,3 Millionen Hunde in Baden-Württemberg in Aufregung: Die grün-schwarze Landesregierung hatte angekündigt, alsbald einen verpflichtenden Sachkundenachweis für Hundebesitzer einzuführen - den so genannten Hundeführerschein.

"Ein ganz heißes Thema, noch nie haben wir so viele Anrufe und Mails bekommen wie dazu", sagt die Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord. "Es haben Omis gefragt, ob sie ihre Hunde noch behalten dürfen und was passiert, wenn sie bei der Prüfung durchfallen. Und viele Menschen wollten wissen, wo man die Sachkundeprüfung ablegen kann."

 


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Hundeführerschein: Vereine und Verbände warten

Rund zweieinhalb Jahre später aber gibt es auf all diese Fragen noch keine Antworten. Nicht nur die Verbände fragen sich, was eigentlich aus dem Projekt geworden ist – und warum sie nicht beteiligt werden. Zuständig für die Erarbeitung ist das von CDU-Minister Peter Hauk geführte Landesministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, kurz MLR genannt. In diesem Ministerium ist auch Stubenbords Stabsstelle angesiedelt. Was sich in Sachen Hundeführerschein aber seit Mai 2021 im Ministerium tut, weiß sie indes nicht. "Es wäre gut, wenn das auf den Weg käme. Mit uns ist jedenfalls nichts abgestimmt worden. Die Verbände und Vereine würden gerne beteiligt werden. Keiner weiß, wie das aussehen soll", sagt Stubenbord.

Vorlage für Hundeführerschein existiert

Da geht es ihr wie Martina Braun. Die Grünen-Landtagsabgeordnete von Villingen-Schwenningen ist Tierschutz-Sprecherin ihrer Fraktion und war beteiligt daran, dass der Sachkundenachweis im Rahmen der neuen Tierschutzstrategie des Landes beschlossen wurde. Vorbild sollte das bereits bewährte niedersächsische Modell sein. "Ich frage im Sechs-Wochen-Rhythmus im Ministerium an und bekomme immer die gleiche Antwort: Dass ein Entwurf in der Abstimmung zwischen MLR und Innenministerium sei", sagt Braun. Minister Hauk habe ihr Anfang 2023 mündlich zugesagt, dass ein Entwurf noch in diesem Jahr ins Parlament komme. Daran glaubt Braun allerdings kaum noch. "Ich bin da zutiefst enttäuscht. Die Leute machen sich ja Gedanken. Und man hätte das Rad nicht neu erfinden müssen, es gibt ja die Vorlage aus Niedersachsen."

 


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Verordnung über die Haltung von "Listenhunden" im Innen- und Landwirtschaftsministerium angesiedelt

Auch Brauns Sigmaringer CDU-Landtagskollege Klaus Burger wundert sich. Er hatte vor zwei Jahren bereits eine Fachanhörung zum Sachkundenachweis im Landtag organisiert. Seitdem fragt auch er regelmäßig im MLR vergebens nach einem neuen Sachstand. Immerhin habe er nun das Signal erhalten, dass die Beteiligung des Innenministeriums durchgeführt sei. Das ist erforderlich, weil die Verordnung über die Haltung von "Listenhunden", also als gefährlich eingestuften Hunderassen mit besonderen Haltungsvoraussetzungen, bislang im Innenministerium angesiedelt ist. "Mir geht das auch etwas zu lange", sagt Burger, zeigt aber doch Verständnis.

Das MLR selbst führt als Grund der langen Dauer eine "umfassende Vorbereitung einschließlich fachlicher und rechtlicher Prüfung" und die Abstimmung mit dem Innenministerium ins Feld. "Diese beinhalten insbesondere auch die Auswirkungen hinsichtlich Änderungen mehrerer weiterer Verordnungen", heißt es auf Anfrage, es gehe um vielfältige ordnungs-, tierschutz- und verwaltungsrechtliche Aspekte. Etwa, wie und durch wen die Schulungen erfolgen dürften, wie eine Sachkunde nachgewiesen und wer dies kontrollieren könne, was mit langjährigen Hundehaltern geschehen solle, aber auch, was mit Hunden passieren soll, deren Halter den Hundeführerschein nicht machen wollten oder könnten.

Überlastete Tierheime und Sorgen vor "Kampfhundeverordnung light"

"Wir warten auf diese Antworten. Und wir warten darauf, beteiligt zu werden", sagt auch Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzvereins Baden-Württemberg. Seine anfängliche Euphorie über das Vorhaben sei mittlerweile in Sorge umgeschlagen, sagt Hitzler. Ein gut gemachter Sachkundenachweis hätte die völlig überlasteten Tierheime schon vor zwei Jahren davor bewahren können, noch mehr in den Corona-Zeiten fälschlich angeschaffte Hunde völlig überforderter Halter aufnehmen zu müssen. "Aber jetzt habe ich, ehrlich gesagt, ein bisschen Angst davor, dass das eine ‚Kampfhundeverordnung light' wird, wenn das Innenministerium beteiligt ist, und das Ganze in Richtung Gefahrenabwehr geht."

Die möglichen Folgen will sich Hitzler gar nicht ausmalen: "Für die Tierheime, die jetzt schon voll sind mit großen Hunden, wäre das das Ende."

Ziel des Sachkundenachweises

Gedacht ist der Sachkundenachweis vor allem dafür, dass sich Menschen künftig vor der Anschaffung eines Hundes Gedanken darüber machen müssen, welche Rasse und welcher Hundetyp überhaupt zu ihnen und ihren Lebensumständen passt. Auch sollen sie Grundkenntnisse über Hunde und artgerechte Haltung vermittelt bekommen.

In Niedersachsen muss jeder Hundehalter für den Sachkundenachweis eine theoretische Prüfung ablegen, später dann mit dem Hund einen Praxisprüfung durchlaufen, die auch wiederholt werden kann. Ausgenommen ist nur, wer schon mehr als 15 Jahre einen Hund besitzt, ohne dass es zu Auffälligkeiten kam. Auch Halter von Jagd-, Rettungs-, Begleit- oder Schutzhunden, die anderweitig bereits mit ihren Hunden Ausbildungen absolviert haben, sind ausgenommen.

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