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Hitzeschutz für die Bürger: So macht das die Stadt Mannheim

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Der Mannheimer Klimaschutzmanager Georg Pins erklärt, welche Maßnahmen wichtig sind und warum andere Gemeinde sich ebenfalls dringend auf extremes Wetter vorbereiten sollten.

Da hilft nur noch kühles Wasser: Die zunehmend hohen Temperaturen im Sommer belasten die Menschen.
Da hilft nur noch kühles Wasser: Die zunehmend hohen Temperaturen im Sommer belasten die Menschen.  Foto: Ricardo Rubio/EUROPA PRESS/dpa

Mit der Klimakrise werden Extremwetter wie die derzeitige Hitzewelle über Europa immer wahrscheinlicher. Gemeinden, Städte und Landkreise sind gehalten darauf zu reagieren. Sie sollen Hitzeaktionspläne erarbeiten, wie aktuell auch das Sozialministerium Baden-Württemberg in einer Mitteilung anmahnt. Mannheim verfügt bereits über einen solchen Plan. Georg Pins, Abteilungsleiter Klimaschutz bei der Stadt, erklärt, worum es geht.

 

Sie sagen selbst, Mannheim sei eine der ersten Städte in Deutschland, die einen strukturierten Plan im Umgang mit Hitze erarbeitet hat.

Georg Pins: Das stimmt auch, er wurde Ende 2021 verabschiedet. Das Thema ist eng mit Klimaschutz und Klimafolgenanpassung verbunden. Seit Ende der 1990er-Jahre arbeiten wir intensiv in diesen Bereichen, seit 2009 haben wir ein Klimaschutzkonzept. Wir haben aber gemerkt, dass das nicht ausreicht und wir uns auch um die Abmilderung von Klimafolgen kümmern müssen, dazu gehören genauso Starkregen oder Stürme. Hitze ist für uns besonders drängend: Mannheim ist durch die Lage im Oberrheingraben eine der Städte mit den meisten Hitzetagen in Deutschland − Sie müssten das kennen, Heilbronn ist klimatisch ja in einer ähnlichen Lage.


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Ihr Hitzeaktionsplan hat 135 Seiten, auf den meisten geht es um Kommunikation. Warum dieser starke Fokus?

Pins: Es geht darum, einmal eine Art Notfallplan zu erarbeiten, auf den wir zurückgreifen können, wenn es notwendig wird und wir Geschwindigkeit erzeugen müssen. Dazu muss man vorher festlegen, wer wann mit wem spricht und welche Kanäle genutzt werden. Wir müssen die Kommunikation institutionalisieren, um uns im Krisenfall nicht erst mit Fragen der Zuständigkeit auseinandersetzen zu müssen. Der zweite wichtige Punkt ist die passgenaue Zielgruppenansprache der vulnerablen Gruppen. Während Sie Kinder und Jugendliche wahrscheinlich ganz gut über soziale Medien erreichen, klappt das bei Senioren, Obdachlosen oder psychisch Kranken wahrscheinlich eher nicht.

 

Wenig Raum hat in dem Plan dagegen das Thema städtebauliche Maßnahmen, also zum Beispiel die Entsiegelung innerstädtischer Flächen oder die Schaffung von grünen Inseln.

Pins: Das liegt daran, dass wir das schon in unserem Klimafolgenanpassungskonzept von 2019 festgeschrieben haben. Dort geht es zum Beispiel um Verschattung, die Schaffung kühler Orte, aber auch darum, dass Wasser in der Stadt wie von einem Schwamm aufgesogen wird. Das ist Gegenstand unseres täglichen Handelns. Perspektivisch planen wir Sensormesspunkte im ganzen Stadtgebiet, um noch mehr Wissen darüber zu bekommen, wo wir etwas tun müssen.

 

Welche Maßnahmen sind schon umgesetzt?

Pins: Die Begrünung von Dächern, teilweise auch Fassaden, womit ein besseres Mikroklima geschaffen wird, hat begonnen. Prominente Beispiele gibt es an den Planken und an der Augustaanlage. Wir fördern es, wenn Privatleute sowas machen, tun aber auch selbst viel, indem wir zum Beispiel Schulhöfe entsiegeln. Man muss sich klar machen, dass zwischen einer Wildwiese und einer versiegelten Fläche teilweise Temperaturunterschiede von 30 Grad messbar sind. Wenn wir städtebauliche Wettbewerbe ausloben, fordern wir Klimaschutz- und Klimaresilienz-Maßnahmen längst als Standard.

 


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Vor einigen Monaten hat Mannheim einen Teil der Quadrate für den Autoverkehr gesperrt und Parkplätze durch Sitzplätze für Außengastronomie ersetzt. Wie geht es weiter?

Pins: Der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats, die Umnutzung von Parkplätzen auf die ganze Stadt auszudehnen, ist gerade gefallen.

 

Was heißt das konkret?

Pins: Das heißt zum Beispiel, dass Besitzer von anliegenden Gebäuden oder Gastronomen bei der Stadt den Antrag stellen können, Parkplätze umzunutzen − für die Gastronomie oder Grüninseln. Die Quadrate in der Innenstadt werden sich nachhaltig verändern.

 

Mannheim geht voran, was das Thema angeht. Wie beurteilen Sie die Nachricht, dass die Ressorts Bau und Verkehr in der Bundesregierung die Klimaziele nicht einhalten und die Zuständigen offenbar auch nichts unternehmen wollen, um das rasch zu ändern?

Pins: Es ist völlig klar, dass es einen großen Wirkzusammenhang gibt und sich Extremwetter und die Folgen immer stärker in unserem täglichen Leben bemerkbar machen werden. Der Druck steigt und eigentlich müssten wir richtig Tempo machen. Es ist kein Ruhmesblatt, dass wir nicht die Geschwindigkeit hinbekommen, die wir benötigen.


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Zurück zum Thema Hitze. Welche Botschaft haben Sie für die Menschen, die aktuell unter den Temperaturen leiden?

Pins: Eigentlich eine ganz positive: Hitzewellen sind ja bei uns bisher meistens eine Sache von Tagen. In dieser Zeit kann man mit relativ geringem Aufwand und Selbstachtsamkeit die größten Herausforderungen mildern. Also zum Beispiel viel trinken, das Essen und das Bewegungsverhalten anpassen, richtig lüften. Um den Aspekt des Trinkens zu unterstützen, hat die Stadt gerade einen öffentlichen Trinkwasserbrunnen auf dem Alten Messplatz eröffnet. Dieser wird dauerhaft dort stehen und weitere im Stadtgebiet werden folgen.


Modellprojekt

Das Projekt mit dem sperrige Namen "Smartilience" wurde mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt. Mit dabei war auch die Stadt Halle, die Uni Stuttgart und die Hafencity Uni Hamburg haben es wissenschaftlich begleitet.

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