Frust in den Sommerferien: Wenn Lehrer in den Ferien arbeitslos sind
Lehrerverbände kritisieren, dass die Verträge vieler Pädagogen enden, die im Herbst wiederkommen. Jetzt äußern sich zwei Betroffene zur Situation.

Sommerferien bedeuten für Hunderte Lehrer in Baden-Württemberg in erster Linie eins: Arbeitslosigkeit. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) enden mit Ferienbeginn die Verträge von fast 3900 befristet beschäftigten Lehrern, die als Saisonlehrkräfte oft als Rettungsanker an Schulen gelten. Hinzu kämen zwischen 4000 und 5000 Referendare. Sie würden entlassen, die meisten unterrichten laut GEW mit Schulstart wieder.
Lehrerin empfindet das nicht als Wertschätzung
Marijke Clark und Sophie Hesse, die ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht haben will, kennen seit Jahren die Situation, dass sie immer wieder über die Sommerwochen arbeitslos sind. Davon berichten sie bei einer GEW-Pressekonferenz in Stuttgart. "Wertschätzung ist auf jeden Fall etwas anderes", sagt Sophie Hesse, die seit 2014 jeweils mit befristeten Verträgen an insgesamt neun Schulen unterrichtet hat. Im Herbst beginnt die Gymnasiallehrerin, die es nach eigenen Angaben aufgrund der Vorgaben nicht zu einer Beamtenstelle an Gymnasien schafft, an einer Gemeinschaftsschule.
Der Sommerurlaub muss beantragt werden
Planbarkeit über den Sommer hatte Sophie Hesse zuletzt nie. Neue Schule heißt nämlich auch: neue Kollegen, neue Schüler, neue Schulorganisation. Sie fühlte sich stets gut aufgenommen, aber zum Ende des Schuljahres schmerzte es immer wieder aufs Neue, wenn sie die Schlüssel abgeben musste.
Urlaub konnte Sophie Hesse in den Sommerwochen zwar machen, allerdings musste sie den immer wieder bei der Arbeitsagentur beantragen. Dort meldete sie sich Sommers für Sommers als arbeitssuchend, bekam manchmal sogar Job- oder Weiterbildungsangebote. Für Schulen, die seit Jahren händeringend nach Lehrern suchen, wäre sie aufgrund der großen Hängepartie fast für immer unerreichbar geworden. Sie schaute sich nach einem Job in der freien Wirtschaft um, Bewerbungsfotos waren gemacht. Dann kam das Angebot der Gemeinschaftsschule. "Es war wirklich kurz vor knapp."
Um Lehrerzimmer zu füllen, bittet das Land Lehrer in Teilzeit, mehr Stunden zu unterrichten, und Pensionäre zurück in die Klassenzimmer. Das sei doch paradox, sagt Sophie Hesse, wenn auf der anderen Seite die befristet angestellten Lehrer keinen unbefristeten Vertrag bekommen.
Angestellte kann im Sommer nicht das Klassenzimmer vorbereiten

Marijke Clark ist seit einigen Jahren stets aufs Neue an einem Schulkindergarten in Stuttgart-Freiberg tätig - bislang stets befristet, im September wird ihr Vertrag entfristet. In den Vorjahren nagte die Situation an ihren Nerven, sie beschreibt die Hängepartie als "eine psychische Belastung". Es wirkt sich auf die Arbeit aus. "Es gibt keine Möglichkeit, mich vorzubereiten."
Läuft der Vertrag aus, kann sie nicht mehr in den Kindergarten. Die Räume umgestalten, damit musste sie warten, bis sie wieder reindurfte. Die inhaltliche Vorbereitung machte sie in den Sommerwochen daheim mit der Hoffnung, tatsächlich zurück an den Kindergarten zu kommen. Geld gab es nicht, das alles lief "natürlich unentgeltlich", erzählt sie. "Das hat Unsicherheiten auf allen Seiten", findet Marijke Clark - auch auf Ebene der Schulleitungen. Die könnten nicht rechtzeitig planen, wie viel Personal ihnen nach den Ferien überhaupt zur Verfügung steht.
Das sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Mehrere Bildungsverbände kritisieren das Land dafür, Lehrer mit befristeten Verträgen in den Sommerferien zu entlassen. Befristet beschäftigte Lehrer hielten "unter oft schwierigen Bedingungen und bei deutlich schlechterer Bezahlung" mit ihren fest eingestellten Kollegen den Unterrichtsbetrieb aufrecht, sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie ist überzeugt davon, dass das Land "falsche Prioritäten" setze. Bildung falle hinten runter, sagte sie.
So schätzt die Kultusministerin die Situation ein
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) äußert sich am Rande ihres Besuchs in Heilbronn zu dem Thema. Sie hatte zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt, die Praxis der Sommer-Entlassungen abzuschaffen. "Im letzten Haushalt haben wir die Mittel dafür aber nicht bekommen." Für nächstes Jahr seien die Gelder wieder angemeldet, es geht um 14 bis 15 Millionen Euro. Dass die Mittel diesmal bereitgestellt werden, hält sie aber nicht für realistisch.
Was Schopper nicht verstehen kann: Wenn "eine verbeamtete Stelle abgelehnt wird", etwa weil der Einsatzort den Lehrern nicht gefalle. Wolle man Beamter werden, brauche man ein gewisses Maß an Flexibilität, sagt sie. Die Ministerin bekräftigt aber, dass daran gearbeitet werde, unter anderem Hürden für eine Entfristung abzubauen.

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