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Fragen und Antworten zur Drittimpfung

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Experten halten eine generelle Auffrischungsimpfung im Herbst derzeit nicht für nötig. Für Hochbetagte und Menschen aus anderen Hochrisikogruppen soll es in Baden-Württemberg ab 1. September das Angebot für eine Booster-Impfung geben.

Die Debatte um Auffrischungsimpfungen gegen Covid-19 nimmt an Fahrt auf. Für die Booster-Dosis gibt es von der deutschen Ständigen Impfkommission (Stiko) noch keine Empfehlung - obwohl sie mancherorts schon angeboten wird. Hier eine Einordnung mit Einschätzungen des Berliner Virologen Christian Drosten und des Schwaigerner Impf-Experten Ulrich Enzel.

Wie ist der wissenschaftliche Stand?

Die Stiko hat in ihrer jüngsten Aktualisierung der Covid-19-Impfempfehlung keine Aussagen zur Auffrischungsimpfung gemacht. Bislang gibt es dafür in der EU auch keine Zulassungserweiterungen. Erst in den kommenden Wochen will das deutsche Unternehmen Biontech mit seinem US-Partner Pfizer Daten einer Phase-1-Studie zur Auffrischungsimpfung bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA einreichen. Die Teilnehmer der Studie hätten acht bis neun Monate nach der zweiten Dosis eine Auffrischungsimpfung erhalten, hieß es von Seiten des Unternehmens. Im Vergleich zu einer zweifachen Impfung hätten „signifikant höhere neutralisierende Antikörpertiter“ nachgewiesen werden können.

Warum werden trotzdem schon Booster-Impfungen angeboten?

Die Gesundheitsministerkonferenz hat Booster-Impfungen für ältere und vulnerable Menschen ab September bereits beschlossen. Dazu sollen die Länder mit mobilen Teams in Pflege- und Altenheimen sowie Einrichtungen der Eingliederungshilfe eine Auffrischungsimpfung anbieten. In einigen Bundesländern gibt es das Angebot schon - so können in Bayern Alte und Pflegebedürftige bereits jetzt Auffrischungsimpfungen in Arztpraxen und Impfzentren erhalten. Voraussetzung ist, dass die Zweitimpfung sechs Monate zurückliegt. Baden-Württemberg will mit dem Angebot am 1. September starten, wie gestern bekannt wurde. Berechtigt sind dann Personen, die bei der Erst- und Zweitimpfung zur Prioritätengruppe eins gehört haben.

Wie halten es andere Staaten?

Die US-Regierung hatte am Mittwoch angekündigt, die gesamte amerikanische Bevölkerung voraussichtlich ab September mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus versorgen zu wollen. Vollständig Geimpfte sollen rund acht Monate nach der zweiten Spritze mit den Präparaten von Moderna oder Biontech/Pfizer eine dritte Dosis bekommen. Als Grund nannte die Regierung die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante sowie Daten zum allmählich abnehmenden Impfschutz.

Wie sieht es in Deutschland aus: Werden alle bereits Geimpften oder Genesenen im Herbst eine Auffrischungsimpfung benötigen?

Davon geht Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, nicht aus. Für die meisten Geimpften werde keine Auffrischungsimpfung nötig sein, so Drosten. Bei alten Menschen sowie bestimmten Risikopatienten hält er sie für sinnvoll. „Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter.“

Wann ist mit einer Stiko-Empfehlung zu rechnen?

Ulrich Enzel geht davon aus, dass die Stiko bald eine Empfehlung für eine Auffrischung sechs Monate nach der zuletzt erhaltenen Dosis für Hochrisikogruppen ausspricht - das können auch Menschen mit Autoimmun-Erkrankungen oder extremem Übergewicht sein.

Wie sieht es mit Genesenen aus?

Da sei die Situation schwieriger, sagt Enzel - vor allem, was Covid-Erkrankte mit mildem Verlauf angeht. „Diese scheinen einen besonders guten, wohl sehr lange anhaltenden Immunschutz erworben zu haben.“ Trotzdem geht er davon aus, dass auch für diese Gruppe bald die Empfehlung einer zweiten Impfung kommt. Der Grund: Unter diesen dürfte sich „auch eine - schwer abzugrenzende - Zahl von weiterhin schlecht gegen ein Übertragungs- und Krankheitsrisiko Geschützten befinden“.

Drohen durch eine weitere, womöglich unnötige, Impfung Risiken?

Davon geht Enzel nicht aus. „Ziemlich sicher gibt es auch bei Covid kein Über-Impf-Problem - das heißt erhöhte Erkrankungs- oder Begleitreaktions-Risiken aus weiteren Impfungen.“

Wie beurteilt Enzel die Diskussion?

Über dem Thema Auffrischungsimpfungen und „den viel zu stark in den Vordergrund gerückten Impfungen bei Kindern und Jugendlichen“ dürfe die „weit wichtigere Gruppe der 18- bis 45 -Jährigen nicht aus dem Blickfeld geraten“, meint er. Hier gibt es in Sachen Erst- und Zweitimpfungen noch Nachholbedarf. Nach Angaben des Kölner Intensivmediziners Christian Karagiannidis haben die meisten der derzeit in deutschen Kliniken behandelten Covid-Patienten keine Corona-Impfung - auch wenn es Fälle von geimpften Corona-Patienten in stationärer Behandlung gebe, sogenannte Impfdurchbrüche.

Wie fallen die internationalen Reaktionen aus?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert die Pläne für Auffrischungsimpfungen bei gesunden Menschen. Bislang sei nicht einmal klar, ob sie nötig seien, sagte die Chef-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan am Mittwoch in Genf.

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