Corona: Kretschmann ruft zum Durchhalten auf
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verteidigt im Landtag die neuen Corona-Beschlüsse und betont die Disziplin, die in der Bevölkerung nötig sei, um die Infektionszahlen zu senken. Die Opposition wirft der Regierung Versäumnisse vor.
Nach den neuen Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern gab es am Donnerstag im Stuttgarter Landtag eine kontroverse Debatte über die aktuelle Corona-Politik. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verteidigte die Maßnahmen und mahnte erneut die Gefahren der Pandemie an. "Wir befinden uns nach wie vor in einer dramatischen Lage. Es gibt keinen Grund zur Entwarnung", erklärte der Grünen-Politiker.
Keine Kontaktnachverfolgung mehr möglich
Zwar habe man mit den bisherigen Maßnahmen den exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen bremsen können, so Kretschmann. Allerdings seien die Zahlen weiterhin viel zu hoch, Kontakte könnten in den meisten Fällen nicht mehr nachgewiesen werden und es kämen viele Menschen mit schweren Krankheitsverläufen in die Kliniken.
Beschlüsse von Bund und Ländern
Seien es die Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich auf fünf Personen aus zwei Haushalten, die Maskenpflicht in Innenstädten mit viel Publikumsverkehr, die restriktiveren Regelungen für den Einzelhandel oder die Verlängerung des Teil-Shutdowns für Gastronomen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen - Kretschmann verteidigte die Beschlüsse, die von der Länderchefs gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vortag vereinbart worden sind. Kretschmann appellierte eindringlich an die Bevölkerung, sich diszipliniert zu verhalten. "Wir müssen durchhalten auf den letzten Metern, um den Sieg nicht zu gefährden", erklärte der Grünen-Politiker mit Blick auf die Corona-Impfungen, die schon in wenigen Woche beginnen könnten.
Rülke: Teil-Lockdown ist ein Rohrkrepierer
Die Opposition übte teils scharfe Kritik an der Corona-Politik der Landes- und Bundesregierung. So bezeichnete FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke den Teil-Lockdown im November als "Rohrkrepierer". Es sei nicht gelungen, durch die Schließungen das Infektionsgeschehen umzukehren. "Sie weichen aber nicht ab von Ihrer Schrotflintenpolitik nach der Methode: Man schießt ins Blaue und hofft damit, irgendwie Infektionsherde zu treffen", warf Rülke der Landesregierung vor. Gastronomie, Sport und Kultur seien inzwischen "die Lieblingsgegner des Ministerpräsidenten", so Rülke.
AfD sieht schwere Eingriffe in Grundrechte
Hart ins Gericht mit der Landesregierung ging auch SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch. Er warf Kretschmann zum wiederholten Male vor, das Land habe im Kampf gegen das Virus keine langfristige Strategie. Die AfD hingegen sieht in der Corona-Politik eine Aushöhlung des Rechtsstaats. Der AfD-Abgeordnete Anton Baron sprach bei den neuen Corona-Maßnahmen vom Bevölkerungsentmündigungsgesetz Merkels, das von der Landesregierung nicht umgesetzt werden solle. "Dieses Gesetz ermöglicht undefinierte und damit unbegrenzte Eingriffsrechte in die Unversehrtheit der Wohnung, der Bewegungsfreiheit und Gewerbefreiheit, das ist skandalös", so Baron.
Streit über Schulen und Ferien
Besonders kontrovers ging es bei den Corona-Maßnahmen an Schulen zu. Kretschmann versprach den verstärkten Einsatz von Antigen-Schnelltests, mit denen die Quarantäne von Schülern auf fünf Tage verkürzt werden soll. Kretschmann verteidigte auch den wechselnden Unterricht von zu Hause und in der Schule bei hohen lokalen Fallzahlen. Hier gibt es einen Disput mit Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), die sich vehement dagegen ausspricht.
Uneinigkeit zwischen den beiden herrscht auch bei der Verlängerung der Weihnachtsferien. Kretschmann sieht diese als Verlängerung der Quarantäne-Zeit vor den Lockerungen an den Feiertagen als nötig an, während Eisenmann vor Betreuungsproblemen der arbeitenden Eltern warnt.
Schüler in Quarantäne
In Baden-Württemberg sind (Stand 25. November) laut Kultusministerium an 573 Schulen insgesamt 834 Klassen oder Gruppen wegen Corona-Fällen oder wegen des Verdachts auf den Fall einer Infektion vorübergehend aus dem Präsenzbetrieb herausgenommen. An 134 dieser 573 Schulen sind lediglich einzelne Schüler isoliert. Vier Schulen sind vollständig geschlossen, das entspricht einem Anteil von etwa 0,09 Prozent der Schulen im Südwesten. Zur Relation: In Baden-Württemberg gibt es insgesamt ungefähr 67.500 Klassen und etwa 4500 Schulen.