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Abschiebungen nach Syrien möglich machen – Land will, Bund blockiert

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Das Justizministerium Baden-Württemberg erklärt, man möchte Straftäter nach Syrien und Afghanistan abschieben. Das Bundesinnenministerium teilt mit, dass Rückführungen nicht möglich seien.

Polizeibeamte begleiten einen Afghanen in ein Charterflugzeug. Die CDU im Land fordert mehr Abschiebungen von kriminell gewordenen Zuwanderern aus Syrien oder Afghanistan. Dies sei laut Bundesinnenministerium derzeit kaum möglich.
Foto: dpa
Polizeibeamte begleiten einen Afghanen in ein Charterflugzeug. Die CDU im Land fordert mehr Abschiebungen von kriminell gewordenen Zuwanderern aus Syrien oder Afghanistan. Dies sei laut Bundesinnenministerium derzeit kaum möglich. Foto: dpa  Foto: Michael Kappeler

Im Zusammenhang mit antisemitischen Straftaten ist jüngst von Politikern verschiedener Parteien immer wieder eine Verschärfung des Strafrechts und ein schnelles Abschiebeverfahren gefordert worden. Doch sobald es um konkrete Änderungen in der Praxis geht, stoßen Behörden an Grenzen.

Im Fall der am Rathaus Heilbronn heruntergerissenen Israel-Flaggen ermittelte die Polizei vier tatverdächtige Asylbewerber - sie stammen nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft aus Gaza und Syrien. Welche Folgen haben sie wirklich zu erwarten? Eine schnelle Abschiebung jedenfalls nicht, wie an der Antwort einer Anfrage dieser Redaktion an das Landesjustizministerium ersichtlich wird.

Baden-Württemberg: Zeitnahe Lösung zu Abschiebungen ist wünschenswert

"Der Bund ermöglicht derzeit keine Abschiebungen nach Syrien", teilt Gunter Carra mit. Er ist Sprecher des Landesjustizministeriums. Der Bund sei mehrfach von Ministerin Marion Gentges (CDU) und Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) aufgefordert worden, Abschiebungen von Gefährdern und Personen, die schwere Straftaten begangen haben, nach Syrien zu ermöglichen. Man halte eine Perspektive zur Abschiebung für erforderlich, heißt es in einem Schreiben von Juli an das Bundesinnenministerium. Eine zeitnahe Lösung sei wünschenswert, führt Lorek darin aus.

Im Landesjustizministerium beklagt man, dass ausbleibende Rückführungen nach Syrien und Afghanistan der Bevölkerung nicht länger zu vermitteln seien. In Baden-Württemberg gebe es vollziehbar ausreisepflichtige Straftäter, bei denen das Bundesamt für Flüchtlinge festgestellt habe, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen, sagt Carra. Auch laut europäischer Asylagentur müsse regional differenziert werden, was eine Rückkehr nach Syrien anbelange.

Mehmet Ata, Sprecher des SPD-geführten Bundesinnenministeriums, teilt dagegen mit: Aufgrund der aktuellen Lage seien Rückführungen nach Syrien nicht möglich - obwohl bereits am 31. Dezember 2020 der Abschiebestopp nach Syrien abgelaufen ist. "Es können keine politischen Gespräche über die Modalitäten stattfinden, da mit dem Assad-Regime kein diplomatischer Kontakt besteht." Dies wäre aber Voraussetzung für Rückführungen nach Syrien, erklärt Ata - zum Beispiel, um Ersatzpapiere für Pässe zu beschaffen.

Abschiebungen von Straftätern: Verständigung mit Afghanistan notwendig

Auch in Bezug auf Afghanistan schildert Ata, seien die Hürden besonders hoch. "Die Absprachen sind mit dem Sturz der Regierung in 2021 hinfällig geworden." Für eine Wiederaufnahme von Abschiebungen sei es erforderlich, mit Afghanistan eine Verständigung zu erreichen. Für die Übernahme ausreisepflichtiger Afghanen fehle es an einer international anerkannten Regierung als Kooperationspartner.

Welchen Aufenthaltsstatus die vier Asylbewerber haben, denen das Herunterreißen der Israel-Flagge am Heilbronner Rathaus vorgeworfen wird, falle nicht in ihre Zuständigkeit, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Auch die Landes- und Bundesministerien machen hierzu keine Angaben. Bekannt ist, dass einer der Verdächtigen vorbestraft ist.


Staatssekretär Lorek fordert eine Änderung des Asylgesetzes. Damit müsse unterbunden werden, dass Abschiebungen durch missbräuchliche Asyl-Folgeanträge verhindert werden, heißt es in seinem Schreiben ans Bundesinnenministerium. Es sei zu erwarten, dass vermehrt ausreisepflichtige Ausländer aus taktischen Gründen unmittelbar vor der Abschiebung einen Asyl-Folgeantrag stellten. "Dann müsste die Abschiebung jeweils abgebrochen werden." Ebenfalls müsste aus Loreks Sicht die Identität von Flüchtlingen schneller geklärt werden. Es sei zu verhindern, dass es Anreizfaktoren für Ausländer gebe, ohne Pass einzureisen - und nicht an der Klärung ihrer Identität mitzuwirken.

Baden-Württemberg: Lösung in Migrationsfragen gefordert

Migration ist vergangene Woche auch Thema beim Heidelberger Symposium des Landesjustizministeriums gewesen. "Die, die einen Schutzanspruch haben, haben ihren Pass dabei. Die, die keinen Schutzstatus bekommen, haben keinen Pass dabei, dafür aber ein Handy", sagt dort Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Er fordert von der Politik im Kampf gegen Rechtspopulismus Lösungen in Migrationsfragen, die man den Bürgern vorlegen müsse. Sylvia Kaufhold, die als Rechtsanwältin Verbände und politische Institutionen in Europa- und Wirtschaftsrecht berät, kritisiert mangelnde Einreise- und Grenzkontrollen. "Wir bekommen die Leute nicht mehr weg."

Lorek macht auf Probleme der Kommunen aufmerksam. "Uns reichen die Plätze nicht mehr aus." Zudem fehle vor Ort die Akzeptanz der Kommunen und in der Bevölkerung. "Die Zahlen müssen gesenkt werden und wir müssen uns darum kümmern, Probleme zu lösen."

Abschiebungen in Baden-Württemberg: Das sind die Probleme in der Praxis

Die Juristin und Antisemitismus-Expertin Kati Lang bezeichnet die politische Forderung, Menschen wegen antisemitischer Straftaten direkt abschieben zu können, als Effekthascherei. Das sagt sie in einem Interview mit dem Mediendienst Integration − ein bundesweiter Zusammenschluss von Migrationsforschern. "Das Ausweisungsrecht in Deutschland ist bereits jetzt sehr scharf", wird sie darin zitiert. Wer antisemitische Straftaten begehe, könne bereits ausgewiesen werden. Die Probleme bestünden eher in der Praxis. Für Menschen aus Gaza sei eine Abschiebung gar nicht möglich, da weder die israelische noch die ägyptische Regierung bereit ist, Abschiebungen in den Gaza-Streifen zu organisieren, heißt es weiter. Zudem habe sich Deutschland entschieden, "keine Menschen in den Tod oder ein unwürdiges Leben zu schicken". Man müsse sich hier in Deutschland mit dem Antisemitismus der Leute auseinandersetzen. 

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