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Umweltkatastrophe
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Jagst-Unglück im August 2015: Wie ein Brand in Kirchberg die Region erschütterte

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Nach einem Brand in Kirchberg an der Jagst gelangte in der Nacht zum 23. August 2015 Ammoniak in die Jagst. Tausende Fische verendeten.


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Als in der Nacht vom 22. auf 23. August 2015 die Lobenhauser Mühle im Teilort von Kirchberg an der Jagst in Brand gerät, ahnt noch niemand, dass die Folgen eine ganze Region tagelang in Atem halten sollte.

Doch mit dem Löschwasser, das die Feuerwehr zur Bekämpfung des Großbrands von Mühle und Lagerhallen nutzt, gelangten Düngemittel und damit ein verhängnisvolles Gift in die Jagst: das für Menschen eher ungefährliche Ammoniak, eine tödliche Fracht für die Fische.

Entlang der Jagst brachten Feuerwehrleute mit Sauerstoff angereichertes Wasser in den Fluss. Foto: Thomas Zimmermann
Entlang der Jagst brachten Feuerwehrleute mit Sauerstoff angereichertes Wasser in den Fluss. Foto: Thomas Zimmermann  Foto: Marcel Bauer

Großbrand in der Lobenhäuser Mühle wird zur Umweltkatastrophe für die Jagst

Schnell ist klar, dass der Jagst eine ökologische Katastrophe drohte. In Elpershofen (Landkreis Schwäbisch Hall) werden vier Tonnen verendeter Fische geborgen.

Drei Tage nach dem verheerenden Unglück erreichte die tödliche Ammoniumfahne mit dem Mulfinger Teilort Buchenbach den Hohenlohekreis. Als die ersten toten Fische an der Oberfläche der Jagst auftauchten, hatten gestandene Fischer und Feuerwehrmänner Tränen in den Augen. 

Hunderte Helfer starten eine beispiellose Rettungsaktion für die Jagst

Zu diesem Zeitpunkt hat längst eine beispiellose Hilfsaktion eingesetzt. Feuerwehren und THW spritzen ununterbrochen Frischwasser in die Jagst, um den Sauerstoffgehalt anzureichern und die ammoniumverseuchte Wasserblase aufzulösen, die seit Samstagnacht unaufhaltsam jagstabwärts trieb. Über die Kläranlagen wird Wasser aus dem Fluss entnommen und durch Frischwasser aus dem Kocher ersetzt.


Parallel dazu retten Fischervereine und freiwillige Helfer jeden lebendigen Fisch, den sie greifen können und setzen ihn in Teichen oder Nachbargewässern aus. Selbst der Landkreis Heilbronn trifft erste Vorkehrungen, um zu retten, was zu retten ist.Gefühlt steht in diesen Tagen eine ganze Region tagtäglich an der Jagst. Ein Gemeinschaftsgefühl ist vor Ort spürbar, das seinesgleichen sucht. Und das Bündel an Maßnahmen sorgt tatsächlich dafür, dass im täglichen Ringen gegen das ökologische Desaster Hoffnung aufkeimt.

Ammoniumwerte in der Jagst sinken langsam – Hoffnung auf Erholung wächst

Der Ammoniumgehalt im Wasser der Jagst, der in diesen bewegten Tagen zur wichtigsten Währung in der Region wird, sinkt langsam aber sicher. Von 28,7 Milligramm je Liter an der Kreisgrenze auf 17 Milligramm am 26. August in Mulfingen-Eberbach und auf 12,3 Milligramm in Schöntal. Das ist immer noch viel zu viel, denn schon ein Milligramm reicht theoretisch aus, um die Fische zu töten. Doch mit jedem weiteren Tag wächst die Hoffnung, dass man noch einigermaßen glimpflich davonkommt.

Am 30. August geht der damalige Landrat des Hohenlohekreises, Matthias Neth, der an der Spitze des sofort nach dem Unglück eingerichteten Krisenstabs von Feuerwehr und THW steht, davon aus, dass 80 Prozent des Fischbetands gerettet werden können. Auch die verlangsamte Fließgeschwindigkeit der Giftbrühe sorgt für vorsichtigen Optimismus.

Erleichterung in Hohenlohe: Das große Fischsterben bleibt weitgehend aus

Bis spät in die Nacht bauen THW und DLRG in Jagsthausen (Landkreis Heilbronn) einen Schutzdamm. Dort wird die verseuchte Jagstfahne am Sonntag eintreffen. Foto: HSt-Archiv
Bis spät in die Nacht bauen THW und DLRG in Jagsthausen (Landkreis Heilbronn) einen Schutzdamm. Dort wird die verseuchte Jagstfahne am Sonntag eintreffen. Foto: HSt-Archiv  Foto: nicht angegeben

m Tag acht nach der Umweltkatastrophe kommt die erfreuliche Nachricht, das das befürchtete Fischsterben ausgeblieben ist. Nur vereinzelt werden in Hohenlohe tote Fische geborgen. Vielen Tieren gelang es, der Giftfahne, die sich im Zentrum des Flusses konzentrierte auszuweichen. Im Landkreis Schwäbisch Hall mussten im Umfeld des Unglückortes Kirchberg allerdings insgesamt 20 Tonnen toter Fische eingesammelt werden.

Als die Giftbrühe am 1. September bei Jagsthausen den Landkreis Heilbronn erreicht, ist die anfängliche Untergangsstimmung längst gewichen. Zwar liegt der Ammoniumgehalt im Wasser immer noch bei 7, 5 Milligramm, doch entgegen allen Befürchtungen kommen die Tier im Fluss mit diesen Werten erstaunlich gut zurecht.

Maßnahmen am Neckar verhindern größere Schäden durch kontaminiertes Jagstwasser

Trotzdem werden am Fluss und auch am Neckar weiterhin alle Vorkehrungen getroffen, um die Werte gegen Null zu drücken und die Fahne aufzulösen. In Lauffen, Horkheim und Heilbronn bereitet man sich auf eine Schleusenöffnung vor, wenn das Wasser von der Jagst im Neckar ankommt. Damit soll der Necker nach und nach um den Faktor zehn verdünnt werden.

Als am 7. September das kontaminierte Wasser an der Jagstmündung schließlich den Neckar erreicht, sind nur noch rund ein Milligramm Gift im Nass geblieben. Der Kampf ist trotz der Schäden beim Fischbesatz fürs Erste gewonnen.

Gemeinschaftsleistung gegen das Umweltunglück bleibt in Erinnerung

Doch es bleibt die Mammutaufgabe, den Jagstabschnitt vor allem zwischen Kirchberg und Krautheim zu renaturieren und den geschädigten Fischbestand so schnell wie möglich wiederherzustellen.

Und es bleiben unzählige Erinnerungen vom tagelangen Abwehrkampf gegen die drohende Verseuchung der Jagst. Am Ende überwiegt das Gefühl, dass eine kleine Region gemeinsam etwas Großes geschafft hat, in diesen unvergessenen Tagen zwischen dem 22. und dem 31. August 2015.

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