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Mühlenbrand an der Jagst: Ermittler verfolgen heiße Spur

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Der Brand einer Mühle in Lobenhausen bei Kirchberg hat eine ökologische Katastrophe nach sich gezogen, weil Schadstoffe in die Jagst gelangten. Die Polizei geht davon aus, dass der Brand gelegt wurde, und verfolgt nun eine heiße Spur.

Von unserer Redaktion und dpa

 

 

 


>>>Aktuelles vom 11.9. 11.30 Uhr: Es gibt eine heiße Spur

Die Ursache für den verheerenden Mühlenbrand an der Jagst könnte laut Polizei bald feststehen. Die Ermittler prüften eine ganz konkrete Spur, die den Ausbruch des Feuers erklären könnte, bestätigte ein Polizeisprecher am Freitag. Das "Hohenloher Tagblatt" hatte zuerst davon berichtet. Weiter gehe man davon aus, dass der Brand gelegt wurde. Unklar bleibe aber nach wie vor, ob der Verursacher fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt habe.

Ermittlungen gibt es auch wegen der Folgen: Mit dem Löschwasser war in der Brandnacht Ammoniumnitrat aus Düngemitteln in das Gewässer gespült worden. Eine 23 Kilometer lange Giftfahne schwamm zwei Wochen lang die enge Jagst hinunter Richtung Neckar. Tausende Fische verendeten, annähernd 20 Tonnen. Ins Visier der Ermittler kam der Betreiber der Lobenhausener Mühle, weil er tonnenweise wassergefährdende Stoffe illegal in einer Halle gelagert haben soll. Pannen soll es auch am Löschwasser-Rückhaltebecken gegeben haben.

>>>Aktuelles vom 8.9. 16.47 Uhr: Ermittlungen gegen Mühlenbetreiber

Nach dem Brand einer Mühle in Kirchberg war verunreinigtes Löschwasser in die Jagst gespült worden und hatte ein großes Fischsterben ausgelöst. Foto: Archiv/dpa
Nach dem Brand einer Mühle in Kirchberg war verunreinigtes Löschwasser in die Jagst gespült worden und hatte ein großes Fischsterben ausgelöst. Foto: Archiv/dpa

Nach dem Chemieunfall an der Jagst mit tausenden verendeten Fischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Ellwangen nun gegen den Betreiber einer abgebrannten Mühle. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Gewässerverunreinigung, wie die Behörde und die Polizei Aalen am Dienstag gemeinsam mitteilten.

Der Betreiber der Lobenhausener Mühle soll illegal wassergefährdende Stoffe gelagert haben. Diese Düngemittel waren bei einem Brand in der Nacht zum 23. August mit dem Löschwasser über ein Kanalsystem in die Jagst gespült worden.

Zu klären sei nun, ob die Lagerung der Chemikalien genehmigt war und ob es eine in solchen Fällen notwendige, funktionierende Löschwasserrückhalteeinrichtung gab, hieß es. Gegebenenfalls müssten Sachverständige hinzugezogen werden. An einem Überlauf des Rückhaltebeckens war ein Fehler festgestellt worden. Möglicherweise könnten die Ermittlungen dann auch noch gegen weitere Verdächtige ausgeweitet werden.

Bei dem Mühlenbrand war mit dem Löschwasser Ammoniumnitrat aus Düngemitteln in das Gewässer gespült worden. Eine 23 Kilometer lange Giftfahne schwamm zwei Wochen lang die enge Jagst hinunter. Tausende Fische verendeten, annähernd 20 Tonnen, vor allem in Landkreis Schwäbisch Hall. 

Unterdessen sind am Dienstag die letzten Reste der mit Schadstoffen verseuchten Jagst-Fahne in den Neckar abgeflossen. Dort wurde das Wasser erfolgreich verdünnt. Seit Dienstagnachmittag ist der Einsatz im Neckar beendet. „Es ist wirklich gut gelaufen“, sagt Jörg Huber von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) in Heidelberg. Die WSV hatte in den vergangenen Tagen den Neckar aufgestaut, um die ankommende Gift-Fahne aus der Jagst zu verdünnen. „Eine gewisse Anspannung war in den vergangenen Tagen da, ob alles klappt“, sagt Huber. „Aber wir konnten sogar mehr Wasser zuführen als gedacht. Wir sind froh, dass wir einen Beitrag leisten konnten.“

Auch die Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) ist mit dem Einsatz zufrieden, sagte eine Sprecherin. Die Verdünnung des Jagstwassers sei wichtig gewesen, gerade wegen des aktuellen Niedrigwassers.

Alle Staustufen des Neckars laufen seit Dienstagnachmittag wieder im Normalbetrieb. Das Messschiff Max Honsell, das an der Jagstmündung im Neckar fährt, wird in den kommenden Tagen abziehen. Am Dienstag um 15.30 Uhr hatte es laut LUBW beim Eintritt der Jagst in den Neckar noch eine Ammoniumbelastung von 0,3 Milligramm pro Liter gemessen. Am Morgen lag der Wert noch bei 1,22 Milligramm. Damit ist die Gift-Fahne vollständig aus der Jagst abgeflossen. Schäden im Neckar werden nicht erwartet.

 

>>>Aktuelles vom 7.9. 15.07 Uhr: Giftfahne ist im Neckar angekommen

Die Schadstoff-Brühe aus dem Chemieunfall an der Jagst ist am Montag in den Neckar geflossen - mit „für Fische unkritischen Werten“, wie Experten berichteten. Die Werte, die an der Spitze der mehr als 20 Kilometer langen Giftfahne gemessen wurden, seien für Fische nicht mehr gefährlich, teilte die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) mit. Bereits in den vergangenen zwei Wochen, in denen das Gift die Jagst hinuntergeschwommen war, waren die Werte sehr deutlich gesunken.

Bei einem Mühlenbrand in der Nacht zum 23. August in Kirchberg nahe Schwäbisch Hall war mit dem Löschwasser Ammoniumnitrat aus Düngemitteln in das Gewässer gespült worden. Tausende Fische verendeten. Wie das kontaminierte Löschwasser massenweise in die Jagst gelangen konnte, ist bisher unklar.

 

 

Mit dem Eintreffen im Neckar werde das Gift jetzt nochmal mit dem Zehnfachen an Wasser vermengt, hieß es beim Landratsamt Heilbronn. „Da wird nichts mehr übrig bleiben“, sagte ein Sprecher. Die Helfer des Technischen Hilfswerks, der Lebensrettungsgesellschaft DLRG und der Feuerwehren könnten ihren Einsatz beenden. In den nächsten Tagen könnten abgedichtete Biotope entlang der Jagst wieder geöffnet werden. Auch müssten jetzt noch jede Menge Algen abgefischt werde. Sie waren vermehrt entstanden, weil der Sauerstoffgehalt zur Giftbekämpfung gezielt erhört worden war. „Diesen Sauerstoff brauchen jetzt wieder die Fische“, sagte der Sprecher. 

Die Schadstoff-Brühe wurde erstmals am Montagmorgen im Neckar bemerkt. Gegen halb acht registrierten die Mitarbeiter der LUBW einen deutlichen Anstieg der Ammonium-Gehalte in der Mündung. Der Sauerstoffgehalt des Neckars sei derzeit stabil und werde durch den Ammonium-Eintrag nicht bedeutend absinken, teilte die Landesanstalt mit. Nachhaltige Wirkungen der Schadstofffahne auf die Fauna und Flora des Neckars seien daher nicht zu erwarten. Mit dem Messschiff „Max Honsell“ wird die LUBW die Schadstoffe weiter bis zum Rhein begleiten. Auch Wasserproben werden genommen. Sie sollen später im Labor in Karlsruhe erneut unter die Lupe genommen werden.

 


 

Der Naturschutzbund Nabu forderte unterdessen eine Aufwertung der Jagst: Es gelte, Wehre und Querbauwerke zurückzubauen und die Jagst für Fische und andere Lebewesen durchgängig zu machen. Damit die durch das Gift fischfreien Abschnitte wieder besiedelt werden, müssten die Tiere wandern können. „Wenn Aale, Hechte und Bachflohkrebse am nächsten Wehr ausgebremst werden, ist das fatal -jetzt noch mehr als sonst“, sagte Nabu-Landeschef Andre Baumann.

Derweil hat die Staatsanwaltschaft Ellwangen noch keine Entscheidung zu weiteren Ermittlungen getroffen. Man wolle den Erstbericht der Polizei zu der Umweltkatastrophe in aller Ruhe prüfen, hieß es. Im Visier der Ermittler ist der Betreiber der abgebrannten Mühle. Düngemittel, die mit dem Löschwasser in die Jagst gespült wurden, lagerten laut Landratsamt illegal auf dem Gelände. Weitere Fehler muss es am Löschwasser-Rückhaltebecken gegeben haben. Löschwasser floss auch über ein undichtes Rohr von einem Auffangbecken direkt in die Jagst.

Wie das Landratsamt Heilbronn mitteilte, wurden am Montagnachmittag um 14.40 Uhr folgende Ammonium-Werte in der Jagst gemessen: Herbolzheim 0,438 mg/l, Untergriesheim 1,05 mg/l, Duttenberg 1,26 mg/l, B27 1,16 mg/l.

 

>>>Aktuelles vom 7.9. 7.30 Uhr: Messschiff erwartet Giftfahne

Die Giftbrühe aus der Jagst wird ab Montagmittag im Neckar erwartet. An der Jagstmündung bei Bad Wimpfen wird sie vom Messschiff „Max Honsell“ der Landesanstalt LUBW erwartet. Forscher werden die ursprünglich 20 Kilometer lange Giftfahne, die inzwischen auf rund 15 Kilometer reduziert wurde, nochmals genau unter die Lupe nehmen. Zuletzt war die Schadstoff-Konzentration immer weiter gesunken und hatte nur noch bei einem Bruchteil der anfangs gemessenen Werte gelegen.  

 

>>>Aktuelles vom 6.9. 20:00 Uhr:

Der Beginn der Schadstofffahne steht bei Heuchlingen. Die ursprüngliche 20 Kilometer lange Fahne konnte auf 15 Kilometer reduziert werden.

Infolge der gesunkenen Lufttemperatur sank auch die Temperatur der Jagst. Dies verlangsamt das Wachstum der zum Abbau des Schadstoffs nötigen Bakterien und Algen. Die Schadstoffkonzentration im Wasser fällt weiter, allerdings deutlich langsamer als bisher.

Im Laufe des Tages wurden aus den Einsatzabschnitten Züttlingen und Siglingen Einheiten herausgelöst und flussabwärts verlegt. In Untergriesheim, Duttenberg und Heuchlingen sind neue Einsatzabschnitte eingerichtet, die von örtlichen Feuerwehrkräften und flussaufwärts frei gewordenen Einheiten des THW besetzt werden.

Derzeit sind noch 130 Einsatzkräfte von Feuerwehr, DRK und THW im Dienst. Es werden 130.000 Liter Wasser pro Minute umgewälzt und mit Sauerstoff angereichert.

Ammoniummesswerte vom 6.9.2015

  • Möckmühl, Jagstbrücke    0,04 mg/l    5:30 Uhr
  • Züttlingen, Jagstbrücke    0,64    5:20
  • Siglingen, Wehr    1,71    5:20
  • Neudenau, Wehr (Brücke)    2,05    11:08
  • Herbolzheim, Mauer, zweite Treppe    1,95    11:15
  • Untergriesheim, Pegel Jagst    1,36    11:30
  • Heuchlingen    0,642    11:48
  • Duttenberg    0,054    12:01

 

>>>Aktuelles vom 5.9. 20:00 Uhr:

Der Beginn der Schadstofffahne steht zwischen Siglingen und Neudenau, wie das Landratsamt Heilbronn meldet. Dort sind mittlerweile die Großpumpen der Feuerwehren Heilbronn und Mannheim sowie örtliche Feuerwehreinsatzkräfte und THW-Einheiten stationiert. In Siglingen und Neudenau sind vier sogenannte Wendelbelüfter (auf dem Wasser schwimmende Geräte zur Belüftung) installiert und in Betrieb.

Oberhalb von Möckmühl wird die Jagst noch belüftet, da die Algen dem Wasser Sauerstoff entzogen haben. Da es nun kälter geworden ist, wird sich der Abbau des Schadstoffs vermutlich etwas verlangsamen.

Ammoniummesswerte vom 5.9.2015

  • Olnhausen, Kanalbrücke    0,019 mg/l   04:07 Uhr
  • Biotop Widdern    0,013     04:22
  • Möckmühl, Jagstbrücke    1,43    16:00
  • Züttlingen, Jagstbrücke    2,2    15:50
  • Siglingen, Wehr    2,27    15:30
  • Neudenau, Wehr (Brücke)    0,802    15:30
  • Herbolzheim, Mauer, zweite Treppe    0,203   15:25
  • Untergriesheim, Pegel Jagst   0,017   15:16

 

>>>Aktuelles vom 4.9. 18:55 Uhr: 400 Millionen Liter Wasser zum Verdünnen

Im Neckar findet ab Montag ein Experiment statt, das es bislang noch nicht gab. Rund 400 Millionen Liter Neckarwasser sollen die mit Ammoniumnitrat vergiftete Jagstfahne bei deren Eintritt verdünnen. „Das ist auch für uns Neuland“, sagt Jörg Huber, Amtsleiter beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Heidelberg. Während die Fahne den Landkreis Schwäbisch Hall und den Hohenlohekreis verlassen hat, durchschwimmt sie derzeit den Landkreis Heilbronn. Der Eintritt in den Neckar werde nicht vor Montagmittag erwartet. „Die Jagst ist ein Fluss mit sehr unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten. Eine genaue Prognose ist schwierig“, sagt Markus Lehmann, Sachgebietsleiter bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW). Dort war man zunächst von Samstag oder Sonntag ausgegangen.

Für den Zeitpunkt, wenn die Jagstfahne im Neckar ankommt, ist man beim Wasser- und Schifffahrtsamt gerüstet. Insgesamt werden zwischen Deizisau und Heilbronn 17 Wehre gestaut. Beim Eintritt der Fahne werden die Schleusen in Lauffen, Horkheim und Heilbronn geöffnet. „Theoretisch können wir ab diesem Zeitpunkt den Neckar sechs Stunden lang mit 14 000 Liter Wasser pro Sekunde verdünnen. Oder wir geben zwölf Stunden lang 6800 Liter mehr Wasser“, sagt Huber. Wohlgemerkt: zusätzlich zu den 30 000 Litern pro Sekunde, die der Neckar derzeit führt. Zum Vergleich: Mit 4000 Litern Wasser fließt die Jagst an ihrer Mündung bei Bad Friedrichshall in den Neckar. „Das Wasser wird im Neckar nach und nach um etwa den Faktor zehn verdünnt“, sagt Lehmann vom LUBW.

Das Landratsamt Schwäbisch Hall erhebt derweil schwere Vorwürfe gegen den Betreiber der Lobenhäuser Mühle in Kirchberg. Demnach hätten dort keine wassergefährdende Stoffe gelagert werden dürfen. 75 Tonnen Kunstdünger hatten sich bei einem Brand vor zwei Wochen mit Löschwasser vermischt und waren in die Jagst gelangt. Ermittlungen der Polizei haben ergeben, dass das Feuer von einer unbekannten Person absichtlich oder versehentlich gelegt worden war.

Das Landratsamt gab weiter bekannt, dass sich wohl ein Dichtkissen im Löschwasserrückhaltebecken der Mühle für drei bis fünf Minuten gelöst hatte und giftiges Löschwasser ausgetreten sei. Im Landkreis Schwäbisch Hall sind seither rund 20 Tonnen Fische verendet. Der Mühlenbetreiber bestreitet die Vorwürfe. „Es gibt verschiedene Aussagen“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Weiter wollte er sich nicht äußern.

Das Landratsamt Heilbronn und die Einsatzkräfte hoffen derweil, dass die Jagstfahne mit null Milligramm Ammoniumnitrat pro Liter den Neckar erreichen wird. Der vom Landratsamt Heilbronn veröffentlichte Höchstwert in der Jagst lag am Freitagmittag bei 4,05 Milligramm in Möckmühl. THW und Feuerwehr pumpen nach wie vor Wasser ab und spritzen es zurück in die Jagst. Dadurch soll der Sauerstoffgehalt erhöht und der Ammoniumwert gesenkt werden. Zu Beginn des Unglücks wurden in der Jagst in Unfallnähe Werte von deutlich über 50 Milligramm pro Liter gemessen. Zwischen 0,5 und einem Milligramm pro Liter können für Fische tödlich sein.

Im Hohenlohekreis wurden am Donnerstagmittag alle Einsatzkräfte abgezogen, teilte das Landratsamt mit. Es sei gelungen, 85 Prozent des Schadstoffes abzubauen. Heilbronn begann am Freitag, erste Kräfte und Geräte abzuziehen.

 

>>>Aktuelles vom 4.9. 15 Uhr: Schwere Vorwürfe gegen den Mühlen-Betreiber

Nach dem Chemieunfall an der Jagst mit tausenden verendeten Fischen erhebt das Landratsamt schwere Vorwürfe gegen den Betreiber der abgebrannten Mühle. Die Düngemittel, die mit dem Löschwasser in die Jagst gespült wurden, seien illegal in der Mühle gelagert gewesen, teilte die Behörde am Freitag in Schwäbisch Hall mit. Der Mühlen-Betreiber bestreitet dies. Nach seinen früheren Angaben handelte es sich um 75 Tonnen Kunstdünger in zwei Silos.

Zu Beginn der Löscharbeiten hat sich der Dünger laut Landratsamt auf dem Hof verteilt und mit dem Löschwasser vermischt. Das kontaminierte Löschwasser sei bereits in der Brandacht durch ein defektes Dichtkissen aus einem Rückhaltebecken direkt in die Jagst geflossen, hieß es weiter. Die genauen Umstände dazu sind aber noch nicht geklärt. Die Ermittlungen laufen.

 

>>>Aktuelles vom 4.9. 13.15 Uhr

 

Die Giftbrühe aus dem Chemieunfall an der Jagst verlangsamt sich weiter: Nach neuen Berechnungen wird sie nun erst Montagmittag nahe Bad Wimpfen in den Neckar fließen. Nach Angaben des Landes steigen zudem die Hoffnungen, dass die Chemikalien das Leben im Neckar nicht nachhaltig beeinträchtigen werden. Zunächst waren die Behörden von einem Eintreffen am Wochenende ausgegangen.

Die Konzentration des Gifts war auf dem Weg die Jagst runter immer weiter gesunken. Womöglich habe das Jagst-Wasser bereits an der Mündung wieder „nahezu normale Werte“, hieß es am Freitag im Landkreisamt Heilbronn.
 

>>>Aktuelles vom 4.9. 12:30 Uhr: Großpumpen werden versetzt und abgezogen

Die Ammoniummesswerte an der Kreisgrenze Hohenlohe/Heilbronn sind wieder auf Normalniveau, wie das Landratsamt Heilbronn mitteilt. Der Beginn der Schadstofffahne steht zwischen Möckmühl und Züttlingen.

Auf Grund der Normalwerte im Bereich Jagsthausen werden die dort stationierten Großpumpen der Feuerwehren Heilbronn und Mannheim weiter flussabwärts positioniert. Die beiden Großpumpen an der Landkreisgrenze (Feuerwehren Karlsruhe und Stuttgart) können im Laufe des Tages den Einsatz beenden. Derzeit wird geprüft, welche weiteren Kräfte aus dem Bereich Jagsthausen weiter flussabwärts umgesetzt werden oder sogar ebenfalls den Einsatz beenden können.

Die Zufuhr von Flüssigsauerstoff in Jagsthausen wurde auf Grund der positiven Messwerte dort eingestellt. Eine Aufgabe im Nachgang der Schadstoffwelle ist die Nachbelüftung, die auf Grund des Sauerstoffverbrauchs durch das starke Algenwachstum notwendig ist. Die Nachbelüftung wird voraussichtlich durch örtliche Einsatzkräfte ohne Unterstützung von überörtlichen Einsatzkräften bewerkstelligt. Die Planungen hierzu laufen momentan.

Ammoniummesswerte vom 4.9.2015

  • Jagsthausen, Kreisgrenze Radbrücke 0,033 04:10
  • Jagsthausen, Bücke Friedhof 0,036 04:25
  • Jagsthausen, Wehr 0,047 04:36
  • Jagsthausen, Furt 0,118 04:41
  • Km 39 zw. Jagsthausen und Olnhausen 0,499 04:51
  • Olnhausen, Kanalbrücke 2,05 05:31
  • Biotop Widdern 3,24 05:05
  • Möckmühl, Jagstbrücke 3,52 05:35
  • Züttlingen, Jagstbrücke 0,134 05:50
  • Siglingen, Wehr 0,023 06:00

>>>Aktuelles vom 3.9. 18:45 Uhr: Giffahne wird am Sonntag im Neckar erwartet

Das Wasser- und Schifffahrtsamt in Stuttgart ist auf den Eintritt der Giftfahne in den Neckar vorbereitet. Nach Auskunft von Amtsleiter Walter Braun führt die Jagst derzeit zwei Kubikmeter Wasser in der Sekunde. Um das seit knapp zwei Wochen mit Ammonium kontaminierte Wasser zu verdünnen, wurde der Neckar an insgesamt 17 Kraftwerken aufgestaut. Fließt die Giftfahne in den Neckar, so soll dank des aufgestauten Wassers eine Verdünnung erreicht werden. Das Landratsamt Heilbronn rechnet am Sonntag mit dem Eintritt der Fahne in den Neckar.

>>>Aktuelles vom 3.9. 17:30 Uhr

Ammoniummesswerte vom 3.9.2015 (zweite Messung)

  • Jagsthausen, Wehr    3,79 mg/l    (09:35 Uhr)
  • Jagsthausen, Furth    3,94 mg/l    (09:50 Uhr)
  • Kilometer 39, zwischen Jagsthausen und Olnhausen    4,73 mg/l    (10:40 Uhr)
  • Olnhausen, Kanalbrücke    5,55 mg/l    (11:14 Uhr)
  • Biotop Widdern    5,98 mg/l    (11:35 Uhr)
  • Ruchsen, Wehr    1,00 mg/l    (12:10 Uhr)
  • Möckmühl Jagstbrücke    0,25 mg/l    (12:28 Uhr)
  • Züttlingen, Jagstbrücke    0,072 mg/l    (12:12 Uhr)

>>>Aktuelles vom 3.9. 11:40 Uhr

Momentan sind rund 200 Einsatzkräfte in zwölf Abschnitten im Einsatz mit dem Ziel, die Ammoniumbelastung der Jagst noch weiter zu reduzieren, teilt das Landratsamt Heilbronn am Donnerstag mit. Darunter Einsatzkräfte aus dem Stadt- und Landkreis Heilbronn sowie aus dem gesamten Land Baden-Württemberg. Mit Pumpen werden pro Minute 240 000 Liter Jagstwasser umgewälzt und dabei mit Sauerstoff angereichert. Außerdem wird aus Tankwagen Flüssigsauerstoff zugegeben. 
Bisher wurden keine verendeten Fische gemeldet.  

Ammoniummesswerte vom 3.9.2015

  • Jagsthausen, Kreisgrenze Radbrücke    2,5 mg/l (04:33Uhr)
  • Jagsthausen, Brücke Friedhof    3,3 mg/l (04:43 Uhr)
  • Jagsthausen, Furt    4,48 mg/l (05:05 Uhr)
  • Jagsthausen, Wehr    4,16 mg/l (04:53 Uhr)
  • Kilometer 39, zwischen Jagsthausen und Olnhausen    5,33 mg/l (05:17 Uhr)
  • Olnhausen, Kanalbrücke    6,32 mg/l (05:28 Uhr)
  • Biotop Widdern    5,4 mg/l (05:35 Uhr)
  • Ruchsen, Wehr     0,073 mg/l (05:10 Uhr)
  • Möckmühl Jagstbrücke    0,05 mg/l (04:55 Uhr)
  • Züttlingen, Jagstbrücke    0,037 mg/l (04:45 Uhr)

 

>>>Aktuelles vom 3.9. 11.20 Uhr: Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft Ellwangen hat ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Damit bestätigte ein Sprecher einen Artikel der "Stuttgarter Zeitung". Man ermittle wegen des Verdachts der fahrlässigen Gewässerverunreinigung und habe dazu einen Bericht der Polizei angefordert. Daraus ergebe sich, ob sich der Verdacht gegen einen oder mehrere Verdächtige richte oder ob keiner Person ein Vorwurf zu machen sei. "Das ist aber nach dem jetzigen Stand reine Spekulation", sagte der Sprecher.

 

>>>Aktuelles vom 3.9. 10 Uhr

Dunkle Wolken über den Einsatzleitungen der Feuerwehr und des THW? "Es gibt keinen Zwist", sagt Kreisbrandmeister Uwe Vogel.Fotos: Jürgen Kümmerle
Dunkle Wolken über den Einsatzleitungen der Feuerwehr und des THW? "Es gibt keinen Zwist", sagt Kreisbrandmeister Uwe Vogel.Fotos: Jürgen Kümmerle
Die mit Ammonium vergiftete Jagstfahne nimmt im Landkreis Heilbronn langsam ab. Tote Fische sind in den letzten Tagen keine mehr aufgetaucht. Nach Angaben des Heilbronner Landratsamtes hat sich der Höchstwert von 6,7 Milligramm Ammonium pro Liter am Montag auf 7,4 Milligramm sogar ein wenig erhöht. "Wenn man den Grund dafür exakt beantworten könnte, würden wir uns das patentieren lassen", sagt Hubert Waldenberger, Pressesprecher des Landratsamts in Heilbronn.

Waldenberger weist darauf hin, dass die Messstellen sehr nahe beieinander liegen. Ein Grund für den geringeren Ammoniumabbau könnte sein, dass sich nicht so viele Algen bilden. Bakterien und Algen bauen erfahrungsgemäß das Ammonium ab. Man wolle aber trotzdem an den Maßnahmen der Sauerstoffanreicherung festhalten. "Das ist momentan das Mittel der Wahl."

Sehr gute Nachrichten kommen aus dem Landratsamt Schwäbisch Hall. Dort teilte man mit, dass die Kleinstlebewesen in der Jagst − mit Ausnahme des Flohkrebses und des Hakenkäfers − überlebt haben. Der Flohkrebs sei in dem Jagstasabschnitt relativ selten vorgekommen. Die Nahrungsgrundlage für Fische sei nun aber weiterhin vorhanden, deshalb könne man nicht von einem ökologischen Tod der Jagst sprechen − eine entsprechende Traueranzeige einer Privatperson war gestern im "Hohenloher Tagblatt" erschienen.

Entlang dem Jagstabschnitt im Landkreis Heilbronn ist es ruhiger geworden, zumindest wenn man sich als Pressevertreter zu erkennen gibt. Offiziell darf niemand mehr etwas sagen. Die Aufregung bei den Verantwortlichen des Krisen- und Einsatzstabs über die Berichterstattung der Heilbronner Stimme war groß. Beteiligte hatten gegenüber unserer Zeitung geäußert, dass bei allem Lob, das die Helfer verdienen, die Zusammenarbeit der Führungsspitzen von THW und Feuerwehr zeitweise nicht optimal gelaufen sei. Nun wuchs offenbar die Befürchtung, dass sich die Fronten zwischen den beiden Organisationen weiter verhärten, die Zusammenarbeit vor Ort schwieriger wird.

Um die besonderen Kompetenzen der zwei Organisationsstrukturen besser zu nutzen, ist inzwischen eine Einsatzabschnittsleitung an das THW übergeben worden. Das bedeutet, dass das Technische Hilfswerk innerhalb eines Bereichs für die eigenen Einsatzkräfte und Geräte zuständig ist. Allerdings war auch spekuliert worden, dass die Gesamteinsatzleitung ans THW übergeben wird. Doch hier sind und bleiben Kreisbrandmeister Uwe Vogel und seine Stellvertreter in der Verantwortung. "Die Einsatzleitung wechselt während eines Einsatzes nie", sagt Vogel. Man sei immer noch im Bereich der kurzfristigen Anforderung. "Wir haben die Feuerwehren vor Ort und müssen die Kräfte nicht aus Friedrichshafen anfordern."

Jens Landmann in der THW-Pressestelle in Stuttgart bestätigt diese Einschätzung. Die Leitung liege in Baden-Württemberg immer bei den Feuerwehren, weil diese kommunal verankert sind. Das THW werde dem Gesetz entsprechend grundsätzlich nur auf Anforderung tätig.

 

>>>Aktuelles vom 2.9. 19 Uhr: Umzug der Großpumpen

Am Donnerstagmittag sollen die ersten Pumpen in Jagsthausen abgezogen werden, sagt Kreisbrandmeister Uwe Vogel. Dann werde man mit der Fahne mitziehen und die Großpumpen in Neudenau aufbauen. „Es ist eine extrem hohe Anforderung. Die Lage bleibt weiterhin dynamisch“, sagt Vogel.

Nach derzeitigen Erkenntnissen erwarte man den Eintritt der mit Ammonium versetzten Giftfahne in den Neckar am Sonntag. Die Ammonium-Werte haben sich seit dem Eintritt in den Landkreis Heilbronn nicht deutlich nach unten verändert. Mit einem Höchstwert von 7,25 Milligramm pro Liter Wasser hatte die Fahne den Hohenlohekreis am Dienstagmittag verlassen. Am Mittwoch lag der Höchstwert in Jagsthausen im Landkreis Heilbronn auf einem ähnlich hohen Wert. „Wir müssen abwarten, wie es sich entwickelt“, sagt Hubert Waldenberger, Sprecher des Landratsamts Heilbronn.

Hoffnungen macht man sich auf den Zufluss der Seckach. Sie ist ein Nebenfluss der Jagst und führt etwa halb so viel Wasser wie die Jagst. Dadurch werde ein guter Verdünnungseffekt erreicht. Nach wie vor möchte man erreichen, dass das Ammonium in der Jagst bis zum Eintritt in den Neckar abgebaut ist.

Doch man ist für den Ernstfall gerüstet. Wehre oberhalb des Jagsteintritts sind aufgestaut. Damit könnte das kontaminierte Wasser verdünnt werden. Denn bereits ein Wert zwischen 0,5 Milligramm und einem Milligramm Ammonium pro Liter Wasser kann für Tiere tödlich sein. Von der Idee, einen Teil des Wassers des Breitenauer Sees und der Ehmetsklinge zur Verdünnung in den Neckar zu leiten, ist man abgekommen. „Die Mengen sind zu gering“, sagt Waldenberger.
 

>>>Aktuelles vom 2.9. 17 Uhr: Jagst ist "ökologisch nicht tot"

Positive Nachricht für die Jagst: Laut einem ersten Gutachten ist der Fluss nicht ökologisch tot. Entgegen erster Befürchtungen hätten die allermeisten Kleinstlebewesen überlebt, teilte das Landratsamt Schwäbisch Hall am Mittwoch mit.

Auch nach Einschätzung der Fischereiforschungsstelle Langenargen habe der Neckar-Zufluss zwar einen schweren ökologischen Schaden erlitten, der sich langfristig auf die Zusammensetzung der Arten auswirken könne. Strukturell geschädigt sei die Jagst aber nicht. Der Fluss werde „in Zukunft auch sein vorher bekanntes ökologisches Potenzial aufweisen“.   

Der Naturschutzbund wertete dies als „ersten Lichtblick“. Landeschef Andre Baumann warnte aber davor, schnell zur Tagesordnung zurückzukehren: „Der Patient ist noch am Leben, hat aber viele Wunden davon getragen. Ihn jetzt schon zu entlassen, wäre fahrlässig. Er muss unter fachkundiger Beobachtung bleiben.“ Es werde noch Jahre dauern, bis die Jagst wieder eine „ökologische Perle“ sei.

Auch der Landesfischereiverband mahnte an, den offiziellen Schadensbericht des Regierungspräsidiums abzuwarten, der in drei Wochen stehen soll. Der mögliche langfristige Schaden könne jetzt noch gar nicht abzuschätzen sein, warnte Geschäftsstellenleiter Reinhart Sosat. Beim Umweltministerium hieß es, die Entwicklung der Giftwerte aus der Jagst sei zwar seit Tagen positiv, für eine Entwarnung sei es aber noch zu früh. Ebenso wie die Diskussion um mögliche finanzielle Hilfen.   

Selbst am Ort des Unglücks in Kirchberg werde der Fluss schnell wieder Leben zeigen, heißt es im Bericht des Landratsamts.

Die Untersuchung des Stuttgarter Gewässerbiologen Walter Steineck habe ergeben, dass das ökologische Gesamtbild der Jagst unterhalb der Brandstelle dem der unbelasteten Jagst „recht ähnlich“ sei. Mit den Kleinstlebewesen sei die Nahrungsgrundlage für Fische vorhanden, die aber möglicherweise neu angesiedelt werden müssten.
 

>>>Aktuelles vom 2.9. 13:30 Uhr

Ulrich Stammer, der Bürgermeister von Möckmühl im Interview.

 

>>>Aktuelles vom 2.9. 8:30 Uhr

Seit Tagen opfern Hunderte von Helfern ihre Freizeit und ihre Kraft dafür, dass die Tierwelt in der Jagst den Giftunfall möglichst unbeschadet überstehen kann. Sie arbeiten zusammen, sie stehen füreinander ein. Doch wie sich nach und nach zeigt, läuft bei ihrem Einsatz auch irgendetwas schief. Und dahinter scheint mehr zu stecken als nur ein paar Kommunikationsprobleme, die bei der Bewältigung einer so großen Herausforderung natürlich immer vorkommen.

Kaum Klagen - erstmal

Jagsthausen, kurz vor 14 Uhr am Dienstagnachmittag. Die THW-Kräfte aus Niefern-Öschelbronn und Rottenburg holen sich bei den Männern der Feuerwehr Leingarten ihre Suppe ab. Seit Sonntag sind sie hier im Einsatz. Haben schweres Gerät installiert. Haben Zwölf-Stunden-Schichten geschoben, am feuchten Jagst-Ufer oder in der Widderner Wilhelm-Frey-Halle übernachtet. "Der Hunger plagt", sagt einer. Ansonsten kommen keine Klagen über ihre Lippen.


Stattdessen erklären René Winkler und Patrick Heller, wie sie 39 000 Liter Wasser pro Minute aus der Jagst holen und wieder hineinspritzen. Wie sie mit Druckluftkompressoren 15 000 Liter Luft ins Wasser pumpen. Der Erfolg: Die Messwerte sinken rapide, rund um die Hälfte auf ihrem Abschnitt. Ein großer Erfolg.

So richtig erfreut, stolz oder erleichtert scheint keiner der Männer zu sein. Teils wollen sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Eine Stunde zuvor, am Einsatzleitwagen in Möckmühl, hatte Melissa Göbel noch gesagt: "Die Verpflegung ist das A und O. Wenn die nicht stimmen würde, wäre da draußen keiner mehr." Die Worte der Neckarsulmer Feuerwehrfrau bekommen nun langsam eine neue Bedeutung.

Zwei Gruppen

Jagsthausen, ehemaliges Klärwerk. Während Bernd Leisterer aus Weinsberg für den Maschinenring Unterland frisches Jagstwasser vom unteren Flusslauf in den für die Fische abgesperrten Teil pumpt, taucht plötzlich Hannegret Halter mit einem Blech Kuchen auf. "Von unseren eigenen Äpfeln", sagt sie. Wie die verschiedenen Landfrauengruppen und viele andere setzt sie sich für die Männer ein.

Bestens verpflegt werden die THWler aus Eberbach beispielsweise vom Fischereiverein Jagsthausen. Der kocht und versorgt seit einer Woche jene Einsatzkräfte, die als erste eingetroffen sind - allerdings nur sie. Aus den Telefonaten des Vereinsvorsitzenden Rolf Willig ist herauszuhören, vor welche Herausforderungen die Fischer damit gestellt werden. "Manche haben Sonderurlaub beantragt, um helfen zu können. Mal sehen, ob das durchgeht." Den Auftrag für die Verpflegung hat der Fischereiverein Jagsthausen vom Landratsamt Heilbronn bekommen, erzählt er noch.

In Widdern hat es so einen Auftrag inzwischen auch gegeben. Dort sind die Frauen des Fischereivereins in der Küche der Wilhelm-Frey-Halle, und die Stimmung ist nicht gut. Alexandra Janda spricht Tacheles: "Mit diesem Krisenstab funktioniert etwas nicht. Einige Leute hier haben drei Tage nichts Warmes zu essen bekommen", sagt sie. Ständig werde hin- und hertelefoniert. Sie müssten auch mal planen können.

Eine Frage der Lage

Und das sehen andere ganz ähnlich. Namentlich genannt werden darf keiner von ihnen. Doch aus mehreren Gesprächen wird klar: Offenbar gibt es ein Tauziehen zwischen "Rot" und "Blau", zwischen der Feuerwehr auf der einen Seite und dem THW auf der anderen. Die Roten mit dem Kreisbrandmeister an der Spitze sind für schnelle Hilfe ausgebildet. Die Blauen sind auf Katastrophenlagen vorbereitet, die teils lange andauern. Zwei Organisationen, zwei Kulturen, zwei Hierarchien.

Zwei Mal habe die rote Einsatzleitung den Vorschlag abgelehnt, die Versorgungsgruppe des THW anzufordern, die auch 500 Menschen verpflegen kann. Es heißt, Rot klebe an der Einsatzleitung. Bei der Einsatzleitung heißt es, die Blauen hätten ohne Geheiß so viele Kräfte mobilisiert, dass man bei der Verpflegung zeitweise vielleicht in die Bredouille gekommen sein mag. Das Landratsamt hingegen ist überzeugt: "Es knirscht gar nichts."

Hintergrund: Die Struktur

215 Männer und Frauen von zahlreichen Ortsverbänden des THW und Feuerwehren aus Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und dem Landkreis Heilbronn sind derzeit im Abschnitt zwischen Möckmühl und Jagsthausen im Einsatz. Koordiniert wird ihre Arbeit in Möckmühl von der Einsatzleitung, angesiedelt bei der Feuerwehr. Darüber gibt es den Krisenstab im Landratsamt. "Dass es zu Beginn eines Einsatzes eine Chaosphase gibt, das kennen wir natürlich", sagt ein Mann vom THW. Doch der Giftunfall geschah eben schon am 22. August. cgl

 

 

>>>Aktuelles vom 1.9. 21:00 Uhr

Lagerung von Düngemitteln in Gewässernähe soll geprüft werden -  Landesregierung stellt finanzielle Hilfe in Aussicht

Regierungspräsident Johannes Schmalzl (von links), Landrat Detlef Piepenburg, Umweltminister Franz Untersteller und der Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta (rechts) besuchen die Einsatzkräfte in Jagsthausen. Foto:
Regierungspräsident Johannes Schmalzl (von links), Landrat Detlef Piepenburg, Umweltminister Franz Untersteller und der Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta (rechts) besuchen die Einsatzkräfte in Jagsthausen. Foto:  Foto: Jürgen Kümmerle

Die Landkreise Heilbronn, Hohenlohe und Schwäbisch Hall dürfen auf finanzielle Unterstützung aus Stuttgart hoffen. Umweltminister Franz Untersteller sagte gestern in Jagsthausen: „Wenn bestimmte Grenzen erreicht sind, ist das Land gefordert.“ Man sei sich der Verantwortung bewusst. Regierungspräsident Johannes Schmalzl war gestern ebenfalls vor Ort: „Am Geld wird es nicht scheitern.“

Vorletztes Wochenende war nach einem Mühlen-Brand in Kirchberg mit Kunstdünger vergiftetes Löschwasser in die Jagst gelangt. Allein im Landkreis Schwäbisch Hall verendeten elf Tonnen Fische. THW, DRK und Feuerwehr sind seit Tagen im Dauereinsatz.

Es war der zweite Besuch Unterstellers und Schmalzls seit der Jagstkatastrophe. Der Umweltminister sagte, man müsse prüfen, wo Düngemittel in großen Mengen in Gewässernähe gelagert werde und ob rechtliche Anforderungen zur Lagerung angepasst werden müssen.

Derweil durchfließt die kontaminierte Fahne den Beginn des Landkreises Heilbronn bei Jagsthausen. Dort wurde gestern Nachmittag ein Höchstwert von 7,52 Milligramm pro Liter Wasser gemessen. Nach wie vor versuchen Einsatzkräfte, diesen Wert auf unter ein Milligramm pro Liter zu senken. Dann wäre das Ammonium für Fische nicht mehr tödlich.

Neckar

Riesige Pumpen wälzen deshalb rund 210 000 Liter Wasser pro Minute um, sagt Carsten Beier vom THW. „Damit wird die Jagst 1,5 Mal umgewälzt“, erklärte der Heilbronner Landrat Detlef Piepenburg. Pumpen stünden nach Auskunft von Uwe Thoma, Kommandant der Feuerwehr Möckmühl, bis zum Abschnitt Möckmühl in Bereitschaft. Durch die Beigabe von Sauerstoff soll der Ammonium-Wert bis zum Eintritt der Jagst in den Neckar auf null Milligramm pro Liter gesenkt werden. Behörden gehen davon aus, dass die Giftfahne den Neckar am Samstagabend erreichen wird.

Uwe Thoma sagte, dass allein für die Versorgung der Pumpen täglich 6000 Liter Treibstoff notwendig seien. Untersteller dankte den Einsatzkräften vor Ort. Derweil wurde bekannt, dass THW-Einsatzkräfte seit gestern Mittag eigenständig geführt werden, so Thorsten Oberst vom THW Widdern. Seither geschah dies unter Feuerwehr-Leitung von Möckmühl aus.

Nach Auskunft des Landratsamts in Schwäbisch Hall sind am Brandort rund 860 000 Liter Löschwasser nach Crailsheim transportiert worden. Warum aus dem 360 000 Liter großen Rückhaltebecken der Mühle vergiftetes Wasser in die Jagst fließen konnte, sei nach wie vor unklar. Die Polizei sucht unterdessen weiterhin eine unbekannte Person, die das Feuer absichtlich oder versehentlich verursacht hatte. jükü

 

>>>Aktuelles vom 1.9. 19:00 Uhr

 

 

Umweltminister Franz Untersteller, Landrat Detlef Piepenburg und Bernhard Lasotta in Möckmühl:


 

>>>Aktuelles vom 1.9. 11:45 Uhr

Die für Fische gefährliche Ammoniumfahne hat den Hohenlohekreis noch nicht durchflossen. Heute Morgen um 7.30 Uhr wurden am Klosterparkplatz in Schöntal noch 7,84 Milligramm pro Liter gemessen. In Mulfingen und Dörzbach hingegen ist der Wert mit 0,02 Milligramm auf einem für Tiere ungefährlichen Niveau angelangt.

 

>>>Aktuelles vom 1.9. 11:30 Uhr

Helfer in Kloster Schöntal. Foto:
Helfer in Kloster Schöntal. Foto:  Foto: Thomas Zimmermann

Die Ammonium-Werte an der Jagst im Landkreis Heilbronn nehmen kontinuierlich ab. In Jagsthausen lag der bisherige Höchstwert (gemessen um 6.05 Uhr) bei 7,3 Milligramm pro Liter Wasser, teilte das Landratsamt in Heilbronn mit. In Berlichingen waren gestern 9,3 Milligramm gemessen worden. 0,5 Milligramm pro Liter können für Fische bereits tödlich sein.

Unterdessen gehen die Belüftungsmaßnahmen an der Jagst weiter. „Da sich die Fahne weiter Richtung Neckar bewegt, wird die erste Pumpenstation in Jagsthausen demnächst abgebaut und jagstabwärts wieder aufgebaut“, sagt Uwe Thoma, Kommandant der Feuerwehr Möckmühl. „Wir belüften bis zum Schluss, in der Hoffnung, dass es was bringt.“

Nach wie vor sucht die Polizei die Person, die am Samstag vor einer Woche den Brand in Kirchberg an der Jagst absichtlich oder versehentlich verursacht hatte. „Es sind einige Hinweise eingegangen, denen wir nachgehen. Der ultimative Hinweis war nicht dabei“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.

 

>>>Aktuelles vom 1.9. 10:43Uhr

Seit heute wälzen Pumpen zwischen Jagsthausen und Ruchsen rund 210.000 Liter Wasser pro Minute um, sagt Carsten Beier vom THW. Derweil plant man im Führungs- und Lagezentrum der Einsatzkräfte in Möckmühl, wo man die Pumpen jagstabwärts platzieren wird. Laut Uwe Thomas, Kommandant der Feuerwehr Möckmühl, ist es das Ziel, die Pumpen parallel zur Jagstfahne aufzubauen.

 

>>>Aktuelles vom 1.9. 9:45 Uhr

Der Hohenloher Landrat Matthias Neth hat gestern die Bevölkerung aufgerufen, sich bei den Arbeiten nach der Jagst-Katastrophe einzubringen. Der Fluss solle „schnellstmöglich wieder zu dem einzigartigen Ökosystem“ werden, das er vorher war, sagte er bei einem Runden Tisch vor rund 100 Vertretern von Vereinen, Verbänden und Verwaltungen in Dörzbach.

Er kündigte an, die Internetseite zukunftderjagst.de einzurichten und die Menschen dort um ihre Mithilfe zu bitten. Die Homepage soll Ende der Woche freigeschaltet werden. Außerdem will Neth einen Beirat gründen, in dem sich Bürger beteiligen können. Die Jagst solle schnellstmöglich wieder zu dem einzigartigen Ökosystem wird, das sie vorher war. „Wir wollen gemeinsam erreichen, dass unsere Jagst, die für viele die Seele Hohenlohes ist, wieder hochkommt.“

Schadstoffe

Gut eine Woche nach dem folgenschweren Brand in Kirchberg-Lobenhausen treibt das verseuchte Wasser durch den Landkreis Heilbronn weiter Richtung Neckar. Nach Angaben des Landratsamts von gestern sinken die Schadstoffwerte. Sie seien inzwischen nur noch ein Zehntel so hoch wie anfangs im Kreis Schwäbisch Hall. Dort waren Tausende Fische erstickt.

Im Kreis Heilbronn sei bisher kein größeres Fischsterben zu beobachten. Nach jüngsten Berechnungen soll das vergiftete Wasser „im Laufe der späteren Woche“ die Einmündung in den Neckar kurz vor Bad Wimpfen erreichen. Die Polizei sucht nach wie vor eine unbekannte Person, die das Feuer in der ehemaligen Mühle verursacht haben soll.

Konsequenzen

Harald Ebner (Grüne), Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Schwäbisch Hall-Hohenlohe, mahnte gestern Konsequenzen aus der Katastrophe an. Es sollten keine neuen Lagerungsstätten mit ähnlichen Giftstoffen in der Nähe von Flüssen entstehen. Schwierig sei der Umgang mit bestehenden Unternehmen. „Was ist verhältnismäßig, um solche Katastrophen zu verhindern?“ fragt der Politiker.

Die Präsidentin der THW-Landesvereinigung und Bundestagsabgeordnete aus dem Main-Tauber-Kreis, Nina Warken (CDU), betonte bei einem Besuch der Einsatzleitung des Technischen Hilfswerks (THW) in Krautheim: Es könne „leider immer etwas passieren. Ich würde nicht nach strengeren Vorschriften rufen, was die Gesetze zum Gewässerschutz betrifft.“

Arnulf von Eyb, CDU-Landtagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Hohenlohe, sagte, dass zunächst geklärt werden müsse, ob menschliches Versagen oder ein technischer Defekt hinter dem Unglück steckten. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) will sich heute in Möckmühl informieren und Helfern danken. 

 

>>>Aktuelles vom 31.8. 21 Uhr

Algen und Bakterien unterstützen die Einsatzkräfte

 

 

 

 Foto: Jürgen Kümmerle
Seit gestern Vormittag laufen die Pumpen zur Wasserbelüftung in Jagsthausen wieder auf Hochtouren. Die mit Ammonium versetzte Fahne hat den Landkreis Heilbronn erreicht. Doch die Ammonium-Werte gehen kontinuierlich zurück. Nach Auskunft von Frank Hütter, Bau-Ingenieur Wasserwirtschaft und Kulturtechnik beim Landratsamt Heilbronn, seien dafür zwei Faktoren ausschlaggebend: Algen und Bakterien.
Uwe Thoma, Kommandant der Feuerwehr Möckmühl erklärt eine Grafik.
Uwe Thoma, Kommandant der Feuerwehr Möckmühl erklärt eine Grafik.

„Man muss sich das wie in einem Klärbecken vorstellen.“ Auch dort seien Bakterien für den Abbau von Giftstoffen verantwortlich. „Die nagen am Ammonium und zersetzen es in Nitrit und Nitrat.“ Genauso wie die Algen, deren Wachstum ebenfalls einen Zersetzungsprozess des Ammoniums herbeiführe. Beide würden im Moment ideale Bedingungen vorfinden, um sich zu vermehren.

Deshalb werde man die Belüftung fortsetzen. „Wir gehen im Moment davon aus, dass die Jagst mit null Milligramm Ammonium pro Liter im Neckar ankommen wird“, sagt Hütter. 9,3 Milligramm war gestern der Höchstwert in Berlichingen. Hütter ist sich sicher, dass sich ohne Belüftung der Bakterienstamm nicht aufgebaut hätte. „Dann hätten wir ein Fischsterben in der Jagst bis zur Mündung gehabt.“ Zwar befänden sich die Bakterien natürlicherweise im Wasser. Durch Sauerstoffzufuhr seien sie angeregt worden, sich zu vermehren.

Frank Hütter in der Einsatzzentrale bei der Feuerwehr Möckmühl.
Frank Hütter in der Einsatzzentrale bei der Feuerwehr Möckmühl.

Die Verteilung der Pumpen und die Koordination der Einsatzkräfte erfolgt im Führungs- und Lagezentrum (FLZ) bei der Feuerwehr in Möckmühl. Kommandant Uwe Thomas sagt, dass die Jagst derzeit mit 500 Metern pro Stunde in Richtung Neckar fließe. „Vorm Wochenende wird die Jagstfahne nicht in den Neckar fließen“, sagt Thoma. Zur Zeit benötige die Fahne etwa 30 Stunden, um durchzufließen. Aus dem Hohenlohekreis seien dem FLZ eine viertel Tonne toter Fische gemeldet worden. Möglicherweise seien die Fische aus dem Landkreis Schwäbisch Hall in den Hohenlohekreis angeschwemmt worden.

Aufatmen

Das bestätigt der Hohenlohekreis. „Wir haben kein akutes Fischsterben in der Jagst, die Tierwelt kriegt das sehr gut hin“, sagt Landrat Matthias Neth. Das ist umso erstaunlicher, weil in Mulfingen-Eberbach die Ammoniumfahne mit hohen Werten aus dem Landkreis Schwäbisch Hall überschwappte. Mit knapp 50 Milligramm Ammonium pro Liter Wasser wurden dort die höchsten Werte im Landkreis Hohenlohe gemessen. Eine Konzentration von einem Milligramm pro Liter gilt für Fische und Kleinlebewesen als tödlich.

In Krautheim stellt sich die Situation noch entspannter dar. „Unser Fischereiverein hat nur fünf Tote Fische gefunden, das ist bei der Hitze nahezu der Normalzustand“, sagt Thomas Dubowy, stellvertretender Bürgermeister von Krautheim.

Frischwasser

Zwischen Jagsthausen, Widdern, Ruchsen und Möckmühl verkehren die Einsatzfahrzeuge quasi im Minutentakt. Hinzugekommen sind Landwirte, die mit ihren riesigen Fasswagen Biotope und Wasserrückhaltebecken mit Frischwasser versorgen. Die Landwirte beziehen dieses aus Hydranten. „Wir haben im Moment keine andere Möglichkeit, als das Trinkwassernetz anzuzapfen“, sagt Hütter.

Experten der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Fischereisachverständige, Mitarbeiter der Landratsämter und der Kläranlagen seien im Austausch. Laut Hütter sei ein solcher Schadenfall in der Literatur nicht beschrieben. jükü/zim

 

Aufatmen entlang der Jagst

Der Runde Tisch zur Situation der Jagst führte gestern am späten Nachmittag rund 100 Vertreter von Verwaltungen, Vereinen und Parlamenten in Dörzbach zusammen.
Der Runde Tisch zur Situation der Jagst führte gestern am späten Nachmittag rund 100 Vertreter von Verwaltungen, Vereinen und Parlamenten in Dörzbach zusammen.

Am Tag acht nach der Umweltkatastrophe an der Jagst atmet der Hohenlohekreis auf. "Es sieht inzwischen sehr gut aus. Wir haben kein akutes Fischsterben in der Jagst, die Tierwelt kriegt das sehr gut hin", freut sich Landrat Dr. Matthias Neth. Bisher wurden nur vereinzelt tote Fische gesehen, vor allem im Bereich Mulfingen. "Das befürchtete Fischsterben ist auch bei uns ausgeblieben", atmet Bürgermeister Robert Böhnel durch.

Das ist umso erstaunlicher, weil in Mulfingen-Eberbach die Ammoniumfahne aus dem Landkreis Schwäbisch Hall über die Kreisgrenze schwappte. Mit knapp 50 Milligramm Ammonium pro Liter Wasser wurden dort die höchsten Werte im Hohenlohekreis gemessen. Schon eine Konzentration von einem Milligramm pro Liter gilt für Fische und Kleinlebewesen als tödlich. Warum trotzdem so viele Fische überlebt haben, ist unklar.

Entspannt

Jagstabwärts in Krautheim stellt sich die Situation noch entspannter dar. "Unser Fischereiverein hat insgesamt nur fünf tote Fische gefunden, das ist bei der Hitze nahezu der Normalzustand", freut sich der stellvertretender Bürgermeister Thomas Dubowy .

Zusätzlich sinken die Ammoniumwerte auf breiter Front. Gestern Mittag lag der Höchstwert, der in Westernhausen gemessen wurde, bei 9,33 Milligramm. Im Landkreis Hall ist die Ammonium-Belastung so weit gesunken, dass das Landratsamt künftig nur noch wöchentliche Messungen vornehmen will − außer bei Kirchberg-Mistlau.

Auch fließt die 23 Kilometer lange Ammoniumfahne deutlich langsamer in Richtung Landkreis Heilbronn als vorausberechnet. "Wir untersuchen die Situation permanent, aber wir wissen bisher definitiv nicht, woran das liegt", sagt Matthias Neth. Er hoffe, dass er Werte im einstelligen Bereich an Heilbronn übergeben kann: "Das ist die Benchmark, die wir uns gesetzt haben." Gestern sah es ganz danach aus.

Hochdruck

Die Belüftung der Jagst mit Fontänen von Frischwasser wird − wie hier bei Marlach − vorerst fortgesetzt.Fotos: Thomas Zimmermann
Die Belüftung der Jagst mit Fontänen von Frischwasser wird − wie hier bei Marlach − vorerst fortgesetzt.Fotos: Thomas Zimmermann

Trotz der sich entspannenden Situation wird weiterhin von Mulfingen-Eberbach bis Schöntal-Berlichingen mit Hochdruck gearbeitet. Die Feuerwehren haben insgesamt bis zu 150 Personen im Einsatz. Das THW ist mit über 70 Mann vor Ort. "Ich bin jetzt 30 Jahre beim THW, aber so einen Großeinsatz habe ich noch nicht erlebt", betont Rolf Götz, Einsatzleiter des THW aus Pfedelbach.

Gerade an der Kreisgrenze in Eberbach ist der Einsatz hoch. Dort wird weiterhin Sauerstoff in den Fluss gepumpt. Gleichzeitig werden die toten Tiere abgefischt. "Wir wollen die Situation dort genau beobachten und die Sauerstoffwerte hochhalten, weil wir fürchten, dass noch Faulschlamm und tote Fische aus dem Landkreis Hall kommen."

Trotz der sich abzeichnenden Entspannung hat Matthias Neth seinen Urlaub, der ab heute geplant war, verschoben. "Ich werde so lange bleiben, wie sich die Giftfahne im Landkreis befindet", so der Landrat. Und auf noch einen Verbündeten hofft man an der Jagst. Ab morgen soll das Wetter umschlagen und der langersehnte Regen einsetzen.

In Dörzbach trafen sich gestern Vertreter der betroffenen Städte und Gemeinden zu einem Runden Tisch. Landrat Matthias Neth gab vor 100 Vertretern aus Vereinen, Verbänden und Verwaltungen einen Überblick über den Verlauf des Unglücks und stellte die getroffenen Maßnahmen vor. Zuvor rief der Landrat des Hohenlohekreises die Bevölkerung dazu auf mitzuhelfen, dass die Jagst schnellstmöglich wieder zu dem einzigartigen Ökosystem wird, das sie vorher war. "Wir wollen gemeinsam erreichen, dass unsere Jagst, die für viele die Seele Hohenlohes ist, wieder hochkommt."

Neth kündigte zudem an, eine Homepage einzurichten und die Menschen um ihre Mithilfe zu bitten. "Ich möchte, dass die Bevölkerung die Möglichkeit erhält, sich in einem Beirat einzubringen." Er hatte noch eine gute Nachricht dabei: "Das Signal, das wir vom Land bekommen haben, ist, dass man uns nicht auf den Kosten sitzen lässt."

 

>>>Aktuelles vom 31.8. 14:45 Uhr

Nach einer aktuellen Laboruntersuchung wurde im Löschwasser, das in der Brandnacht im 
Löschwasserrückhaltebecken aufgefangen und an eine Kläranlage gebracht wurde, ein Ammoniumwert 
von 19.000 mg/l gemessen.

 

>>>Aktuelles vom 31.8. 14:00 Uhr

Die gefährliche Jagstfahne hat an Fahrt abgebaut. Ebenso gehen die Ammonium-Werte kontinuierlich zurück. Nach Auskunft von Frank Hütter, Bau-Ingenieur Wasserwirtschaft und Kulturtechnik beim Landratsamt Heilbronn sind dafür zwei Faktoren verantwortlich: Algen und Bakterien.

„Man muss sich das wie in einem Klärbecken vorstellen.“ Auch dort seien Bakterien für den Abbau von Giftstoffen verantwortlich. „Die nagen am Ammonium und zersetzen es in Nitrit und Nitrat.“ Genauso wie die Algen, deren Wachstum ebenfalls einen Zersetzungsprozess des Ammoniums herbeiführt, würden die Bakterien im Moment ideale Bedingungen vorfinden, um sich zu vermehren. „Sie haben dadurch genug zu fressen und genügend Sauerstoff.“

Deshalb werde man die Belüftung an der Jagst weiterführen. „Wir gehen im Moment davon aus, dass die Jagst mit null Gramm Ammonium pro Liter im Neckar ankommen wird“, sagt Hütter. Er ist sich sicher, dass sich ohne Belüftung der Bakterienstamm nicht hätte aufbauen können. „Dann hätten wir ein Fischsterben in der Jagst bis zur Mündung gehabt.“ Zwar befänden sich die Bakterien natürlicherweise im Wasser. Durch die Zufuhr des Sauerstoffs seien sie angeregt worden, sich zu vermehren.

Mittlerweile habe sich die Jagst am Ende der Fahne grünlich verfärbt. Dies sei das Ergebnis aus den Nährstoffen, die sich mittlerweile im Wasser befänden. Die grüne Farbe sei im Moment noch unschädlich. „Es wird dann schädlich, wenn die Bakterien und Algen absterben und dadurch Sauerstoff verbrauchen“, sagt Hütter. Sobald die Fahne vorbeigezogen ist, werde man die Algen mit einem Sieb aus der Jagst entfernen. 

Landwirte im Landkreis Heilbronn sind seit gestern damit beschäftigt, die Biotope, in denen Fische vor der Fahne geschützt werden sollen, mit Frischwasser zu versorgen. Die Landwirte beziehen dieses aus Hydranten. „Wir haben im Moment keine andere Möglichkeit, als das Trinkwassernetz anzuzapfen.“ Experten der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Fischereisachverständige, Mitarbeiter der Landratsämter und der Kläranlagen seien im regen Austausch.

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) will am Dienstag erneut an die Jagst kommen. In Möckmühl möchte er sich laut Sprecher ein Bild der Lage verschaffen und den Helfern danken.

>>>Aktuelles vom 31.8. 12:00 Uhr

Das Landratsamt Hohenlohekreis hat noch einmal aktuellere Messwerte veröffentlicht. Folgende Messergebnisse lagen heute Morgen um 7:30 Uhr vor: (Ammonium-Werte in mg pro Liter)

  • Unterregenbach, (Landkreis Schwäbisch Hall) 0,07 mg/l
  • Mulfingen, Kläranlage 0,09 mg/l
  • Dörzbach, Ortseingang 0,74 mg/l
  • Klepsau 2,87 mg/l
  • Krautheim, Firma Rüdinger 6,22 mg/l
  • Marlach 10,0 mg/l
  • Winzenhofen 10,7 mg/l
  • Westernhausen 11,5 mg/l
  • Bieringen 9,53 mg/l
  • Schöntal, Klosterparkplatz 4,09 mg/l
  • Berlichingen 1,19 mg/l

Die Hauptfahne befindet sich weiterhin im Hohenlohekreis, Gemeindegebiet Schöntal.

>>>Aktuelles vom 31.8. 11:30 Uhr

Das Landratsamt Hohenlohekreis hat neue Messergebnisse von Sonntag, 30.8. veröffentlicht. Die Werte wurden zwischen 12 Uhr und 16:30 Uhr gemessen. (Ammonium-Werte in mg pro Liter)

  • Unterregenbach (Landkreis Schwäbisch Hall) 0,02 mg/l
  • Mulfingen, Kläranlage 0,2 mg/l
  • Dörzbach, Ortseingang 2,71 mg/l
  • Klepsau 5,98 mg/l
  • Krautheim, Firma Rüdinger 10,2 mg/l
  • Marlach 11,8 mg/l
  • Winzenhofen 12,3 mg/l
  • Westernhausen 6,09 mg/l
  • Bieringen 1,58 mg/l
  • Schöntal, Klosterparkplatz 0,19 mg/l (Wert von 17 Uhr)
  • Berlichingen 0,033 mg/l (Wert von 17 Uhr)

Die Hauptfahne befindet sich momentan zwischen Krautheim und Bieringen.

>>>Aktuelles vom 31.8. 10:45 Uhr

Der Brand in Kirchberg-Lobenhausen wurde durch menschliches Verhalten verursacht. Darüber sind sich Brandspezialisten der Polizei Aalen sicher. Ob beabsichtigt oder durch ein Versehen, ist bislang nicht bekannt. Seit vergangenem Donnerstag bittet die Polizei um Mithilfe aus der Bevölkerung. „Eine heiße Spur hat sich aus den Anrufen nicht ergeben“, sagt ein Polizeisprecher auf Nachfrage. Auch sei noch nicht bekannt, ob es sich um Brandstiftung handelt oder ob es ein Unfall war.

>>>Aktuelles vom 31.8. 7:00 Uhr

Die Nachricht klingt wie eine kleine Sensation. Die gefährlichen Schadstoffe in der Jagst scheinen abgebaut zu werden. "Wir erwarten den Ankunft der Fahne mit einer Verzögerung von 22 Stunden", sagte Manfred Körner, Sprecher des Landratsamts in Heilbronn, am Sonntag. Eigentlich war das kontaminierte Wasser am Sonntagmittag in Jagsthausen erwartet worden. Mittlerweile wurde bekannt, dass die Giftfahne den Landkreis noch später erreicht, sie bewegt sich weitaus langsamer voran als bisher angenommen, die Fahne dürfte am Montagnachmittag im Landkreis Heilbronn eintreffen.


Es scheint, als ob sich die Schadstoffe wegen starken Algenwachstums abbauen, heißt es in einer Mitteilung aus dem Landratsamt. Warum, das konnte gestern nicht beantwortet werden. Die Behörden scheinen einem Phänomen gegenüberzustehen. "Letzten Endes wissen wir nicht, warum die Fahne nicht in Jagsthausen ankommt", sagt Körner. Möglich ist, dass die Algen durch die erhöhte Zugabe von Sauerstoff rapide wachsen. Seit Tagen belüften THW und Feuerwehr die Jagst über Schläuche mit sauerstoffreichem Wasser. In Jagsthausen haben THW und Feuerwehren damit bis mindestens Montagmittag aufgehört.

Am Sonntag hat das Führungs- und Lagezentrum der Feuerwehr Möckmühl noch rund 100 Einsatzkräfte koordiniert. Von dort wurden die Verpflegung der Einsatzkräfte und der Kraftstoff-Nachschub für die Pumpen gesteuert. Auf großen Landkarten zeigten Kreisbrandmeister Uwe Vogel und Günter Vogel vom Führungsstab der Feuerwehren im Landkreis Heilbronn, wann die gefährliche Fahne welchen Bereich erreicht.

Die Pumpen liefen am Sonntagmittag in Jagsthausen auf Hochtouren. Rund 100 000 Liter Jagstwasser schaffen die Pumpen pro Minute. "30 Prozent der Jagst wälzen wir damit um", sagte Uwe Vogel. Ziel war es, den Sauerstoffgehalt der Jagst anzuheben, um so das Ammonium in der Jagst zu senken. 0,5 bis ein Milligramm können für Lebewesen in der Jagst tödlich sein.

Unterstützung erhalten die Einsatzkräfte von Landwirten aus dem Landkreis. Die waren damit beschäftigt, Frischwasser aus Hydranten zu entnehmen und an die Jagst zu fahren. Rund 15 000 Liter Frischwasser kann Thomas Golther pro Fahrt transportieren. "Das hier ist besser als Nichtstun."

Über die Maßnahmen der Einsatzkräfte verschafften sich Innenminister Reinhold Gall, der Heilbronner Landrat Detlef Piepenburg und der Bad Wimpfener Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta am Sonntagmittag ein Bild vor Ort. Piepenburg kam mit guten Nachrichten nach Jagsthausen. "Wir haben in Hohenlohe kein Fischsterben mehr." Gall lobte die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Einsatzkräfte.

 

Hier finden Sie unsere weitere Berichterstattung zur Jagst-Katastrophe.

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