Stücke aus Radsport-Karriere: Erstes Jan-Ullrich-Museum eröffnet in Bad Dürrheim
Lange war es still geworden um Jan Ullrich, jetzt hat in Bad Dürrheim das „Jan Ullrich Cycling Museum“ seine Türen geöffnet. Zu sehen gibt es zahlreiche Stücke aus der Karriere des Rostockers.

Jan Ullrich auf dem Rad: Ein Anblick, den viele in den vergangenen Jahren wohl vergessen haben. Ersetzt wurde das Bild des einzigen deutschen Tour de France-Siegers durch einen Mann, der ganz nah am Abgrund stand. Alkohol und Drogen hatten den heute 50-Jährigen im Jahr 2018 fast zerstört. In einer Doku hatte er 2023 die Dopingvorwürfe bestätigt. Dass ihm zu Ehren ein Museum eröffnet wird – der gebürtige Rostocker hätte wohl selbst am wenigsten damit gerechnet.
Persönliche Erinnerungsstücke: Das wird im Jan-Ullrich-Museum in Bad Dürrheim ausgestellt
Nachdem sich die Pläne, in seinem Wohnort Merdingen in dieser Richtung aktiv zu werden, zerschlagen hatten, ergriff die Bad Dürrheimer Kur- und Bäder GmbH vor einigen Monaten die Gelegenheit beim Schopf. Seit 1. Juni hat das „Jan Ullrich Cycling Museum“ in der 14.000 Einwohner-Stadt im Schwarzwald geöffnet. Schuhe, Trikots, Pokale, die Goldmedaille von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney: Ullrich selbst, seine Jugendtrainer Peter Becker und Peter Sager und vor allem sein Bruder Stefan haben zahlreiche persönliche Erinnerungsstücke zusammengetragen.
„Es ist wie im Himmel“, sagt Jan Ullrich auf die Ausstellung angesprochen. „Gott zeigt dir noch mal die schönsten Seiten deines Lebens.“ Das Gelbe Trikot – das Maillot jaune – seines Toursiegs 1997 ist ebenso zu sehen wie sein erstes Laibchen der SG Dynamo Rostock. Dort begann die Karriere 1983.
Rundgang mit Jan Ullrich durch Museum in Bad Dürrheim: Dieses Exponat mag der Radsportler am liebsten
Ullrichs Lieblingsexponat? „Das Rad von 1997“, sagt er wie aus der Pistole geschossen. Daran habe er die schönsten Erinnerungen und deshalb besonders darauf aufgepasst. Auch der Pokal des Tour-Siegs ist ausgestellt. Der werde für jeden Gewinner extra angefertigt, erzählt Ulle bei einem Rundgang durch den Raum im Haus des Gastes. Einen ganzen Keller habe er voll mit Trophäen. In Bad Dürrheim sind hingegen nur die Höhepunkte abgebildet.

Dazu gehört auch der Bambi, den er 2003 erhalten hat. Damals fuhr Ullrich für das Bianchi-Team. Niemals war er nach 1997 näher dran am Gesamtsieg bei der Tour de France als in diesem Sommer. Als sein Rivale Lance Armstrong stürzte, wartete der Deutsche auf ihn. Dafür wurde er mehrfach mit Fair-Play-Preisen ausgezeichnet. Ob der Amerikaner im umgekehrten Fall das Gleiche getan hätte? „Nein, er hat mir gesagt, dass er weiter gefahren wäre.“ Ullrich erzählt diese Anekdote ohne Bitterkeit.
Der Absturz begann 2006: Dopingverdacht beendet Karriere von Jan Ullrich
Auch über seine Doping- und Drogenvergangenheit spricht er mittlerweile ehrlich, auch bei der Eröffnung des Museums. Die Ausstellung ist zwar auf die großen Erfolge ausgerichtet, spart aber auch die dunklen Seiten nicht aus. Innerlich zerstört sei er lange gewesen, sagt der Rostocker rückblickend. Der Absturz begann 2006. Kurz vor Tour-Start nahm sein Team ihn aus dem Rennen.
In Spanien hatten Ermittler bei dem Gynäkologen Eufemiano Fuentes zahlreiche Blutbeutel gefunden. Eigenblutdoping war damals der letzte Schrei, Jan Ullrich einer der Kunden von Fuentes. Der Anfang vom Ende für den Radsportler. Der offensichtlich sehr abergläubisch zu sein scheint.
Er habe, erinnert er sich, immer einen gesegneten Glückpfennig im Trikot dabei gehabt. 2001 kam Ullrich von der Straße ab und landete zwischen Steinen auf einem kleinen Rasenstück. Zufall? Nicht für den heute 50-Jährigen. „Dabei habe ich den Pfennig verloren. Er war wohl aufgebraucht.“
Großformatige Bilder, Trikots und Rennräder: Das bietet das Jan-Ullrich-Museum
Neben Trikots und Rennrädern – aus fast jedem Profijahr ist mindestens eines ausgestellt – dominieren vor allem die großformatigen Bilder das Museum in Bad Dürrheim. Ulle als kleiner Junge, als Straßenweltmeister, damals noch Amateur, als 23-Jähriger mit dem Gelben Trikot in Paris oder nach seinem Rauswurf vor 18 Jahren. „Wenn ich hier durchlaufe, ist sofort alles wieder da“, sagt er. Die Situationen zu jedem Ausstellungsstück fielen ihm direkt wieder ein.
Er könne sich noch genau an die Etappe nach Andorra erinnern. 1997 sollte er eigentlich seinem Kapitän Bjarne Riis zum zweiten Tour-Sieg verhelfen. Doch Riis schwächelte. Und Ullrich bekam die Freigabe, für sich selbst zu fahren. Der Antritt ist bis heute legendär, das gesamte Feld blieb hinter ihm zurück. Je näher Paris gekommen sei, umso schlechter habe er geschlafen. „Das Trikot kann eben auch schwer werden.“ Man quäle sich vorne mehr. Hinten sei es hingegen leichter, da werde man geschoben. Er sei außerdem nicht darauf vorbereitet gewesen, was danach auf ihn zukam. Die Menschen überschütteten ihren neuen Sporthelden wie zuvor nur Boris Becker oder Franz Beckenbauer mit viel Zuneigung und Aufmerksamkeit, zerrten aber auch an ihm. Und Jan Ullrich ließ an sich zerren.
Bad Dürrheim ist für seine Radsportbegeisterung bekannt
Naiv und gutmütig werden die einen dieses Verhalten nennen. Rik Sauser, Organisator von Radsportveranstaltungen aus dem Schwarzwald, formuliert es anders: „Ich habe noch niemanden getroffen, der über ihn sagt: Das ist ein Arschloch.“ Sauser und Ullrich kennen sich schon lange. Im vergangenen Jahr habe er abgeklopft, was der von einem Museum in Bad Dürrheim halte. Auch der Bürgermeister war Feuer und Flamme für die Idee. Der Ort ist für seine Radsportveranstaltungen bekannt, 2023 trug man die Deutschen Meisterschaften aus, 2001 gewann Jan Ullrich dort den Titel. „Es ist in der Nähe meines Wohnorts Merdingen, außerdem brennt die Stadt hier für den Radsport, das unterstütze ich gerne“. Noch bis kurz vor der Eröffnung habe man an der Ausstellung gearbeitet.
Immer mittendrin: Ullrichs Freund Mike Baldinger, der sich mit anderen in den Räumlichkeiten eingeschlossen habe, so der ehemalige Radprofi. Ein Foto zeigt die ewigen Rivalen Ullrich und Armstrong. Das habe er dem Amerikaner geschickt, sagt Baldinger. Der habe sofort begeistert reagiert. Dem Texaner wurden nach dessen Dopinggeständnis alle Tour-Titel aberkannt. Doch in den USA geht man anders mit seinen gefallenen Helden um. Dort spricht kaum noch jemand über die Vergangenheit.
Respekt erhofft sich auch Jan Ullrich, der bei der Museums-Eröffnung sichtlich die Aufmerksamkeit der Besucher und Weggefährten genießt. Es wirkt so, als habe man ihm Abstürze und jahrelanges Doping vergeben. Vielleicht liegt es aber auch am heraufziehenden Sommer, der ihn so strahlen lässt. „Ich war schon immer wie ein Braunbär“, erzählt der für seine Probleme mit dem Winterspeck bekannte Rostocker. „Ich habe mir die Kilos angefuttert und spätestens bei der Tour de Suisse im Juni sind sie dann wieder geschmolzen.“
Öffnungszeiten und Ticketpreise des Jan-Ullrich-Museums
Das „Jan Ullrich Cycling Museum“ im Bad Dürrheimer Haus des Gastes ist bis mindestens 8. September jeden Freitag und Samstag von 16 bis 20 Uhr geöffnet. Für angemeldete Gruppen öffnet das Museum auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten. Erwachsene zahlen 7,50 Euro Eintritt, Jugendliche ab 13 Jahren 3,50 Euro. Kinder kommen kostenlos in die Ausstellung. Weitere Infos es auf der Homepage der Stadt.