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Pro & Contra: Soll der Radsport seinem gefallenen Star Jan Ullrich verzeihen?

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Deutschlands bisher einziger Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich hat nach vielen Jahren erstmals öffentlich zugegeben, gedopt zu haben. Und hofft nun auf eine Rückkehr in den Radsport. Das späte Geständnis ruft bei unseren Sport-Redakteuren gemischte Reaktionen hervor.

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Der tief gefallene ehemalige Radprofi Jan Ullrich hat seine Dokumentation "Jan Ullrich − Der Gejagte" im Filmtheater Sendlinger Tor vorgestellt, zur Vorstellung gekommen ist auch sein erster Trainer Peter Sager.
Foto: dpa
Der tief gefallene ehemalige Radprofi Jan Ullrich hat seine Dokumentation "Jan Ullrich − Der Gejagte" im Filmtheater Sendlinger Tor vorgestellt, zur Vorstellung gekommen ist auch sein erster Trainer Peter Sager. Foto: dpa  Foto: Angelika Warmuth

Er hat es immer abgestritten, aber nun ist es raus: Jan Ullrich hat in seiner erfolgreichen Radsport-Karriere zu Dopingmitteln gegriffen. Im Rahmen der Vorstellung der Amazon-Dokumentation "Jan Ullrich – Der Gejagte" brach der Tour-de-France-Sieger von 1997 nun sein Schweigen und gab in München explizit zu, während seiner Profi-Zeit Dopingmittel genutzt zu haben.

Soll der Radsport seinem gefallenen Star Jan Ullrich verzeihen? Unsere Redakteure sind unterschiedlicher Meinung.

Pro

Von Lars Müller-Appenzeller

Es fällt sehr schwer, für Jan Ullrich zu argumentieren. Weil er betrogen und gelogen, zudem auch noch so lange geschwiegen hat. Das missratene Geständnis passt zum Jahrhunderttalent: Der vermeintliche Tour-Held macht in einer Art Weihnachtsvierteiler einen auf Mitleidstour, hat nach wie vor die falschen Berater, hätte mit schonungsloser Aufklärung, Nennung von Namen tatsächlich reinen Tisch machen können.

Doch, der Radsport und die verbliebenen Fans des Merdingers sollten dem Menschen Jan Ullrich tatsächlich verzeihen. Weil spätestens jetzt klar ist, wie einfach das Jahrhunderttalent gestrickt ist. Auf dem Rad war der sommersprossige Junge aus Rostock zweifelsohne großartig, in allen anderen Bereichen kommt er schnell an seine Grenzen.

Der Fall Jan Ullrich zeigt, wie perfide das Dopingsystem funktioniert. "Ich konnte Ja oder Nein sagen, aber das war für mich gar kein Thema", sagt der 49-Jährige jetzt. "Es war so gut erklärt und so einleuchtend." Er hält Doping immer noch für einen Lausbubenstreich, glaubt, der erschwindelte Tour-Sieg 1997 stehe ihm nach wie vor zu, sagt, es sei nicht darum gegangen sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern den Nachteil auszugleichen.

Ullrich ist eine Galionsfigur, ein Vorbild. Nicht etwa des Radsports. Sondern der Suchttherapie. Als junger Mann war er ein Held, stürzte dann fürchterlich ab. Trank Whisky wie Wasser. Konsumierte kräftig Kokain. Er hat es zurück in ein ziemlich normales Leben geschafft. Das verdient Anerkennung. Es ist nicht verwerflich, mit Jan Ullrich ein bisschen Frieden zu schließen.


Contra

Von Stefanie Wahl

Endlich. Einige Jahre zu spät hat Jan Ullrich direkt und öffentlich zugegeben, dass er in seiner Karriere gedopt hat. Das ist nun wirklich keine Neuigkeit mehr, aber für die persönliche Zukunft des schon als Sportler hoch sensiblen Typen ein (überlebens)wichtiger Schritt.

Das heißt aber noch lange nicht, dass es angebracht ist, den einstigen Ausnahmeathleten von seinem Fehlverhalten freizusprechen. Mitleid mit einem kranken und tief gefallenen Menschen hin oder her. Klar ist: Ohne irgendeine Nachricht wäre seine Doku trotz aller Exzesse - übrigens nicht erst im Leben nach dem Profisport - nicht zu promoten gewesen. Und was ist da naheliegender als jene Info mal auszusprechen, die ohnehin jeder gewusst hat, weil die Beweislast viel zu erdrückend war. Dass Jan Ullrich nicht wirklich in seinem Leben aufräumen möchte, belegt darüber hinaus der Fakt, dass er keinerlei Doping-Details nennt, weder Hinterleute, Dealer, noch Ärzte oder Mitwisser verpetzt.

Ob er wirklich glaubt, durch sein Dichthalten sich eine Rückkehr in den Radsport zu ermöglichen? Ziemlich naive Denke. Die letztlich nur zeigt, dass Jan Ullrich nie etwas anderes kannte und hatte als den Radsport. Eine traurige Erkenntnis. Es passt, dass der einzig erstklassige deutsche Radrennstall, Bora-Hansgrohe, bereits dankend abgelehnt und auf Nachfrage flugs mitgeteilt hat, eine Anstellung Ullrichs sei kein Thema.

Aufgrund seiner Vita taugt der Familienvater weder zum Jugendtrainer noch zum Botschafter seines Sports. Um sich selbst zu finden, muss Ullrich andere Wege finden.

 
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