Mathe-Test zu schwer? Kritik an neuer Grundschulempfehlung
Wer in Baden-Württemberg aufs Gymnasium will, sollte bei der neuen Grundschulempfehlung zwei von drei Kriterien erfüllen. Doch der Mathe-Test sorgt nun für Diskussionen.
Für Viertklässler ändert sich der Übergang an eine weiterführende Schule. Zählte bislang der Elternwunsch allein, gibt es nun Einschränkungen fürs Gymnasium: Um dorthin zu kommen, müssen zwei von drei Kriterien den Weg freimachen – Elternwunsch, Empfehlung der Lehrer und Test.
In Mathe und Deutsch sind die landesweit einheitlichen Arbeiten ("Kompass 4") geschrieben, die Reaktionen aus den Schulen fallen unterschiedlich aus. "Man hat den Kindern die Anspannung angemerkt", heißt es von einem Schulleiter im Landkreis Heilbronn, der nicht namentlich genannt werden will. Mathe stand besonders im Fokus.
Die Arbeiten seien korrigiert, alle Kinder hätten an dieser Schule auf grundlegendem Niveau abgeschnitten. Für die Schulleitung ist das eine Überraschung, denn mindestens ein Kind hätte sie mehr zugetraut. Es gibt noch das sogenannte mittlere und das erweiterte Niveau.
Test zur Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg – "Mathe war viel zu anspruchsvoll"
Die Aufgaben in Mathe seien gut gewesen, so die Schule, allerdings hätte es viele Textaufgaben gegeben. Das sei für Kinder nicht die einzige Überraschung gewesen. Sie erhielten für den Mathe-Test zehn Seiten, üblich seien sonst nur zwei bis drei Seiten. "Das Format war den Kindern unbekannt."
"Mathe war viel zu anspruchsvoll", sagt Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der GEW-Sprecher im Kreis Heilbronn kritisiert, dass die Aufgaben zu textlastig gewesen seien. "Es gab so gut wie keine Rechenaufgaben." Wer also mit dem Textverständnis Probleme hatte, konnte Aufgaben nur schwer lösen. Und während Lehrer in eigenen Tests mit leichteren Aufgaben beginnen, um den Kindern ein Erfolgserlebnis zu geben, sei es bei "Kompass 4" mit einem Hammer in Mathe losgegangen. "Viele Schüler wurden nicht fertig."

Grundschulempfehlung: Gewerkschaft GEW kritisiert Bewertungsverfahren
Außerdem kritisiert Harald Schröder das Bewertungsverfahren. Aufgaben durften nur richtig oder falsch bewertet werden, Teilpunkte für den richtigen Lösungsweg, aber das falsche Ergebnis seien nicht erlaubt gewesen, sagt er. Wenn ein Kind weniger als 60 Prozent der möglichen Punkte erreicht habe, musste es mit grundlegendem Niveau bewertet werden. Für den GEW-Sprecher ist das "völlig unsachgemäß". Der Deutsch-Test sei hingegen in Ordnung gewesen. Wenn "Kompass 4" fürs Gymnasium mitentscheidend sei, müssten die Ergebnisse sowohl in Mathe als auch in Deutsch für diese weiterführende Schule sprechen, sagt Harald Schröder.
Schwieriger als Probearbeiten seien die Aufgaben bei "Kompass 4" gewesen, sagt Melanie Haußmann, die als Geschäftsführende Schulleiterin in der Stadt Heilbronn unter anderem die Grundschulen vertritt. Kollegen hätten ihr aber mitgeteilt, dass die Arbeiten in Ordnung gewesen seien.
Grundschulempfehlung: Lehrer kennen die Kinder im Unterricht, Eltern nur von zu Hause
Die Grundschulempfehlung heißt nun "Navi 4". Die Tests sind nur ein Baustein, wenn es um die weiterführende Schulart nach den Sommerferien geht. Auf die Einschätzung der Lehrer wirkten sich die Aufgaben nicht aus, sagt Melanie Haußmann. Sie hätten die Schüler vier Jahre im schulischen Rahmen erlebt. "Kinder verhalten sich zu Hause anders als im Unterricht", sagt sie. "Der schulische Kontext ist entscheidend." Sie bittet deshalb die Eltern darum, das im Auge zu behalten: Es gehe um die Schule, nicht ums Private.
Sollten sich fürs Gymnasium nur die Eltern aussprechen, Lehrer und Tests dies nicht empfehlen, so steht Familien zusätzlich noch ein Potenzialtest an einem Gymnasium offen.

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