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Der Bundestag wird immer größer: Warum das so ist

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598 Mitglieder soll der Deutsche Bundestag haben – eigentlich. Die Hälfte, 299 Abgeordnete, wird direkt gewählt, vor Ort in den Wahlkreisen. Die andere Hälfte soll über die Landeslisten der Parteien ins Parlament einziehen. Doch dieses System gerät an seine Grenzen, wenn sechs Parteien im Bundestag sitzen und sich einige davon ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

von Bernhard Junginger
Voll war es bei dieser Sitzung am 7. September, als Bundeskanzlerin Merkel sprach. Nach der Wahl dürfte noch mehr Abgeordnete ins Parlament einziehen. Foto: dpa
Voll war es bei dieser Sitzung am 7. September, als Bundeskanzlerin Merkel sprach. Nach der Wahl dürfte noch mehr Abgeordnete ins Parlament einziehen. Foto: dpa  Foto: Michael Kappeler

Rein rechnerisch ist diesmal sogar ein Parlament mit bis zu 1000 Abgeordneten möglich. "Nach der Wahl droht ein XXL-Bundestag", warnte der Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, gegenüber unserer Redaktion. "Das macht das Parlament weniger arbeitsfähig, ist teuer und kostet die Politik Glaubwürdigkeit. Denn wie sollen wir die Menschen von Reformen überzeugen, wenn sich das Parlament nicht einmal selbst reformieren kann."

Dabei trage die CSU die Hauptschuld: "Sie hat zu lange blockiert." Nach aktuellen Umfragen sei eine Größe des Bundestages von über 800 Sitzen wahrscheinlich, sagte Grünen-Geschäftsführerin Britta Haßelmann.

 


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Das hat, nicht nur, aber auch, mit der CSU zu tun, die in Bayern fast alle oder sogar alle Direktmandate holt. Je schlechter allerdings ihr Zweitstimmenergebnis ausfällt, umso mehr Überhang- und Ausgleichsmandate entstehen. Nach verschiedenen Hochrechnungen kann ein Überhangmandat der CSU 18 Ausgleichsmandate in den anderen Fraktionen nach sich ziehen.

Das funktioniert so: Angenommen, eine Partei erhält ein Viertel der Zweitstimmen. Dann steht ihr auch ein Viertel der Mandate im Bundestag zu, gerundet sind das etwa 150. Gewinnt diese Partei aber in 180 Wahlkreisen, ziehen 180 Direktkandidaten ins Parlament ein – 30 zu viel also. Diese zusätzlichen Mandate nennt man Überhangmandate. Um die Kräfteverhältnisse im Parlament wieder anzugleichen, erhalten die anderen Parteien dann Ausgleichsmandate. Dieses System droht die Mitgliederzahl des Bundestags explodieren zu lassen. So hat er auch jetzt schon 709 Mitglieder statt der vorgesehenen 598.

 


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Um einen übergroßen Bundestag zu verhindern, genügten die beschlossenen Änderungen am Wahlrecht wie eine kleine Reduzierung der Wahlkreise im Jahr 2025 bei weitem nicht, kritisiert Robert Vehrkamp, der Wahlrechtsexperte der Bertelsmann-Stiftung. Er hat auf Basis der aktuellen Umfragewerte und einer Datenbank zum bisherigen Wählerverhalten mehrere Szenarien durchgespielt. In einem von ihnen würde die Zahl der Abgeordneten auf 935 steigen – wenn ein Fünftel der Grünen-Wähler und gut die Hälfte der FDP-Wähler ihre Erststimme der Union geben. Selbst ein Bundestag mit 1000 Mitgliedern ist danach nicht auszuschließen.

Experte Vehrkamp sieht darin eine Gefahr für eine funktionierende Demokratie: "Viele Beobachter sagen schon jetzt, dass die aktuelle Größe mit 709 Abgeordneten der Funktionalität des Parlaments eher abträglich ist."

Das deutsche Wahlrecht sei mit den Direkt- und Listenmandaten an sich zwar ein sehr gutes Wahlsystem. Wegen der zunehmenden Pluralisierung des Parteiensystems sei es jedoch inzwischen dringend reformbedürftig.

 

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