Ingenieur mit vielen Talenten
Früherer "Brunnen"-Geschäftsführer Andreas Schneider würde heute 100 Jahre alt

Heilbronn - Mut, Fleiß, Ausdauer, Bescheidenheit: Mit diesen Eigenschaften hat Andreas Schneider die im Krieg völlig zerstörte Heilbronner Traditionsfirma Baier & Schneider nach 1945 wieder aufgebaut und zu neuer Blüte gebracht. Heute wäre der Namensgeber der kaufmännischen Kreisberufsschule 100 Jahre alt geworden.
Geboren wurde "AS", wie Andreas Schneider in der Firma zur Unterscheidung von den anderen Herren Schneider in der Geschäftsführung genannt wird, noch zu Kaisers Zeiten. Geprägt haben den Vertreter der dritten Generation des Familienunternehmens die Studienzeit in München. Und natürlich der Zweite Weltkrieg, in den er als 28-Jähriger überzeugt gezogen war, der in ihm aber die Erkenntnis reifen ließ, dass Kriege kein taugliches Mittel sind, um Konflikte auszutragen. Zur Mahnung an die Jüngeren hat er ein Maschinenteil aufbewahrt, das im Feuersturm nach der Zerstörung der Fabrik am 4. Dezember 1944 zu einem Metallklumpen zerschmolzen war. Die eine Hälfte erinnert heute im Firmengebäude an die Vergänglichkeit des Wohlstands und die großen Mühen des Wiederaufbaus, die andere Hälfte steht in der Andreas-Schneider-Schule. Dass eine seiner Töchter in der Nachkriegszeit nach Frankreich geheiratet hat, in das Land der früheren Erbfeinde, hat ihn glücklich gemacht.
Optimismus Nach dem frühen Tod seines Vaters Richard Schneider im Jahr 1948 lag die Bürde des Wiederaufbaus zunächst alleine auf den Schultern des ältesten Sohns Andreas Schneider, der im Krieg drei Brüder verloren hatte. Stück um Stück, mit großem Optimismus und mit kaufmännischem Geschick brachte er den Kalender- und Schulheftehersteller wieder nach vorn − tatkräftig unterstützt von seiner Frau Gerdi.
Eine Holzbaracke, die die beiden aus dem Allgäu nach Heilbronn geschafft hatten, diente anfangs als Produktionsstätte. Heute ist sie die Kantine des Unternehmens mit knapp 600 Mitarbeitern am Standort. Über die nächsten Jahrzehnte wurden auf dem Areal an der Wollhausstraße dann die verschiedenen Gebäude errichtet, in denen nach wie vor die Druckerei und die Buchbinderei untergebracht sind − und die Verwaltung. Sein jüngster Bruder Richard Schneider übernahm in den 1950er Jahren den Vertrieb.
Ingenieur Bis heute prägt die von Andreas Schneider "ingenieurmäßig" wiederaufgebaute Produktion den Heilbronner Hauptstandort des Unternehmens. Bis zu seinem Tod im April 1999 hat er sich immer für technische und andere Neuerungen interessiert. Das gilt genauso fürs Private: Weil er neugierig auf die Musik geworden war, erlernte er mit 43 Jahren noch das Geigenspiel − als Kind hatte er sich vor der Klavierlehrerin noch auf der Toilette versteckt, wie Sohn Ulrich Schneider zu berichten weiß. Der Ingenieur, der auch gerne Arzt geworden wäre, war zudem im Umgang mit Sprache begabt: Als Dichter bei privaten Anlässen und als Autor spannender Texte in der Firmenzeitschrift "Brunnen", die Erfolge und Rückschläge aus den Nachkriegsjahren nachzeichnen.
Es sind seine Offenheit für Neues und neue Ideen und die Vielseitigkeit seiner Begabungen, die ihn als einen der Väter des Heilbronner Wiederaufbaus auszeichnen. Gerade in der heutigen Zeit mit ihren großen Umbrüchen ist es wohltuend sich daran zu erinnern, dass sich der Wert eines Lebens viel mehr von innen bemisst als von außen, wie er es einmal formuliert hat. Zum 100. Geburtstag von "AS" spendet die Familie der Andreas-Schneider-Schule einen namhaften Betrag.




Stimme.de