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Diagnose Krebs: Frauenselbsthilfegruppe in Neckarsulm macht Betroffenen Mut

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Trotz niederschmetternder Diagnose versuchen Frauen in Neckarsulm einander Halt und Lebensfreude zu geben. Vielen falschen Tipps stellen sie die Erfahrung im Umgang mit Krankheit und Therapie entgegen. 

Von bie, fwi

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15 Damen sitzen am Tisch im Kolpinghaus Neckarsulm, viele von ihnen tragen das für die Frauenselbsthilfe charakteristische grüne Halstuch. Sie alle sind, wie sooft, am ersten Montag des Monats um 15 Uhr zum Gesprächskreis zusammengekommen, sie alle eint ihre Diagnose: Krebs. Manche von ihnen haben den Krebs bereits seit vielen Jahren besiegt, andere haben erst vor kurzem von ihrer Krankheit erfahren.

Hier können sie offen über ihre Erkrankung, ihre Therapie und über alles, was sie beschäftigt sprechen, und hier werden sie verstanden, geben sich gegenseitig Halt und eine Gemeinschaft. Am 12. Dezember feiert die Ortsgruppe ihr 35-jähriges Jubiläum, sie ist eine der ältesten im Verband.

Krebserkrankung als gemeinsames Schicksal: Frauenselbsthilfe Neckarsulm gibt Halt

Krebs sei eine Laune der Natur, er sei nichts selbstverschuldetes, stellt Gruppenvorsitzende Eva-Maria Dannbacher-Frei gleich zu Beginn klar. Manchen ziehe es den Boden unter den Füßen weg, wenn sie von ihrer Krebserkrankung erfahren, andere reagieren sehr abgeklärt. „Es passiert so viel Schlimmes auf der Welt, warum sollte es da nicht auch mich treffen,“ sagt eine der Frauen.

Jeder finde seinen eigenen Umgang mit der Krankheit, so Dannbacher-Frei. Wichtig sei zu wissen, dass mit der Diagnose eine ganze Maschinerie in Gang gesetzt wird. Untersuchungen, Behandlungen, Medikamente, Operationen: Das wird dann zum Alltag der erkrankten Frauen, manchmal verstehe man gar nicht, was gerade passiert, weil alles so schnell gehe. Da tut es gut, eine Gemeinschaft zu haben, mit und in der man sich austauschen kann und diese findet sich in der Frauenselbsthilfe.

Krebs trifft ohne Schuld: Der erste Schock und individuelle Reaktionen

Die Frage „Warum gerade ich?“ habe sich ihr nie gestellt, berichtet „Neu-Betroffene“ Annette Kruse. „Es kann jeden treffen, jederzeit.“ An ihrem modischen Kopftuch ist zu erkennen, dass sie gerade mitten in der Chemo-Therapie steckt. Zu den Chemos alle drei Wochen kommen noch die Bestrahlungen dazu. „Das Leben geht auf Null, man hat nur noch die Termine für die nächste Behandlung im Kopf.“ Der Austausch mit den anderen mache Mut. „Andere haben das alles schon lange hinter sich.“ Aber dennoch: „Am schlimmsten ist die Angst, mit der man leben muss.“ 

Dass die Frauenselbsthilfe einen wichtigen Teil als Ergänzung zur Behandlung leiste, sei nicht immer so anerkannt gewesen, wie heute. „Früher wurden wir belächelt.“ Das habe sich zum Glück aber geändert, heute sei sie ein wichtiger Bestandteil. Auch eine Beratungsfunktion habe man inne, hier könne man sich informieren, beraten und an weiterführende Stellen verweisen lassen.

In der Gruppe gebe es keine Mediziner, dafür umso mehr Unterstützung, man könne sich praktische Tipps holen, beispielsweise wenn die Haare anfangen auszufallen. Auch könne man sich an den Krebsinformationsdienst KID in Heidelberg weiterleiten lassen, dieser beantworte unter anderem auch Fragen zum Bericht der Ärzte, denn „vieles was darin steht, versteht man als Normalsterblicher gar nicht, da kann man es sich dann erklären lassen,“ sagt Lang. Eine weitere wichtige Aufgabe sei, einzuordnen, welche Dinge im Zusammenhang mit der Krebserkrankung seriös seien, aber auch, welche nur Ängste schüren oder schlichtweg falsche Behauptungen aufstellen. 

Lebensqualität der Teilnehmerinnen im Fokus

Der Fokus der Gruppe liegt auf der Lebensqualität. Eine Studie habe gezeigt, dass bei einer höheren Lebensqualität während der Behandlungen mehr Erkrankte über- und oft auch länger leben. Der Austausch, was den einzelnen Frauen gut getan habe, sei sehr wertvoll für alle. Man lerne voneinander. Inzwischen habe sich insgesamt viel getan, jede Krebstherapie sei sehr individuell an die erkrankte Person angepasst. Früher habe es nur den einen Weg gegeben.

Das Schlimmste für die Teilnehmerinnen ist die ständige Angst, dass der Krebs zurückkehren könnte. Es sei ein langwieriger Prozess, diese Angst abzulegen. Da würden einem die Geschichten der Langzeitüberlebenden sehr helfen, sagte eine der Frauen. Eine andere sagt, es brauche Übung, sich nicht zu verstecken, gerade nach der Chemo, wenn alle Haare ausfallen. Denn das Leben der anderen, der Familienangehörigen, der Freunde gehe ja weiter, aber das eigene Leben, das stehe still. Aber gerade das Sprechen über die eigene Erkrankung, sich nicht zu verstecken, das bringe viel. Die Anteilnahme der Menschen um einen herum gebe Kraft.

Nach 26 Jahren ist der Krebs zurück

Dann ist da noch Doris Gräff. Bei ihr wurde vor 26 Jahren Brustkrebs diagnostiziert, sie hat die Krankheit bezwungen. Doch jetzt ist sie wieder da. Vor sechs Wochen bekam sie die Diagnose, der Krebs sitze in der anderen Brust, nicht operabel. Deswegen nehme sie zwei starke Medikamente gegen den Krebs ein, welche sie zwar gut vertrage, aber dennoch müssen regelmäßig Blutkontrollen durchgeführt werden, denn die Präparate belasten die Nieren und die Leber.

„Es ist etwas ganz anderes als damals. Früher wurde man bestrahlt, es gab die Chemo und eine Operation.“ Das seien ganz klare Schritte gewesen, radikal, aber nachvollziehbar, so Gräff. Heute sei die Bestrahlung nur das letzte Mittel. So wirklich verstehen oder nachvollziehen könne sie nicht alles. Das führe bei ihr zu einem Zwiespalt mit der drängenden Frage: „Was passiert hier mit mir?“ Da helfe es, wenn man ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Ärzten habe, denn trotz ihrer Zweifel, habe sie sich stets gut beraten und aufgehoben gefühlt.

Wie geht man am besten mit Krebskranken um? „So wie immer.“

Auch zum sozialen Umgang weiß Gräff etwas zu berichten. Ihr Nachbar habe sie gefragt, wie er jetzt mit ihr umgehen solle, da habe sie ihm geantwortet: „So wie immer.“ Es sei ihr Wunsch und der vieler Betroffener, trotz Krebs weiter normal behandelt zu werden, nichts sei schlimmer, als wenn man sie in Watte packe. Der Umgang mit den Erkrankten sei für Nichtbetroffene oft schwer, da helfe es, einfach darüber zu reden, ist Gräff überzeugt. „Deswegen gehe ich offen mit meiner Diagnose um, ich sage den Leuten, dass ich immer noch die Selbe bin wie zuvor.“

Zum Schluss verbleibt Gräff mit einem aufmunternden Lächeln: „Ich habe damals überlebt, ich werde wieder überleben. Es gibt noch so vieles, was ich erleben will.“ Zurück bleibt der Eindruck einer starken Gemeinschaft von Frauen, die sich auf beeindruckende Art und Weise gegenseitig Halt geben und füreinander da sind.

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