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China-Experte: "Olympische Spiele sind immer politisch"

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China-Experte Björn Alpermann von der Uni Würzburg ordnet die Bedeutung des sportlichen Großevents ein. Er bedauert, dass durch die Pandemie kaum Berichte über das Leben in China möglich sein werden.

Durch die Pandemie sind ausländische Journalisten stark eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, aus China zu berichten.
Durch die Pandemie sind ausländische Journalisten stark eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, aus China zu berichten.  Foto: Peter Kneffel

Seit einigen Wochen wird die Kritik an der Vergabe der Olympischen Spiele an das kommunistische China immer lauter. Der Politologe Björn Alpermann ordnet die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein.

War es ein Fehler vom IOC, die Spiele nach China zu vergeben?

Björn Alpermann: Demokratische Länder standen nicht zur Auswahl und Kasachstan wäre keine bessere Wahl gewesen. Die Olympischen Spiele haben solche Dimensionen angenommen, dass man generell die Frage stellen muss, ob sie in Ländern mit starker Bürgerbeteiligung noch in dieser Form durchgeführt werden können. China ist ein Staat, in dem das von oben entschieden wird, da werden Leute mobilisiert und das Projekt wird durchgesetzt.


Was ist Ihre persönliche Meinung?

Alpermann: Ich bin sehr skeptisch, ob die lokale Bevölkerung lange profitiert. Die Berichte von anderen Austragungsorten legen nahe, dass das selten nachhaltige Entwicklungen sind. Für diese Winterspiele sind einige Prestigebauten errichtet worden, nehmen Sie nur die Bob-Bahn. Schwer vorstellbar, wie die dauerhaft mit Leben gefüllt werden soll. Bei den Sommerspielen in Peking 2008 war das allerdings anders. Das hat sehr zur Verbesserung der Infrastruktur beigetragen. Das war ein echter Quantensprung.


Wie politisch sind diese Spiele?

Alpermann: Olympische Spiele sind immer politisch. Die These des IOC, sie seien unpolitisch, ist ein Feigenblatt. Die politische Führung in Peking wird sie für ihre Propaganda-Ziele ausschlachten.


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Inwieweit kann das überhaupt gelingen, wo doch das olympische Geschehen völlig abgeschottet abläuft? Bekommt die Bevölkerung davon überhaupt etwas mit?

Alpermann: China ist keine Wintersport-Nation. Deshalb haben diese Olympischen Spiele eine ganz andere Bedeutung als die Sommerspiele 2008, bei denen China die erfolgreichste Nation gemessen an den Goldmedaillen war. Der Kommunistischen Partei geht es jetzt darum, die Spiele perfekt zu choreographieren und damit den Parteistaat brillieren zu lassen.


Teilen Sie die verschiedentlich geäußerte Sorge, dass Sportler durch manipulierte Covid-Tests aus dem Verkehr gezogen werden könnten?

Alpermann: Nein, denn China ist kein Medaillenaspirant. Deshalb fehlen die Anreize, Sportler aus dem Spiel zu nehmen. Die große Sorge der Partei ist, dass sich das Virus von dem geschlossenen Bereich auf die Allgemeinheit übertragen und die Bevölkerung gefährden könnte. Das würde am Image der Partei kratzen. Und China muss besonders aufpassen, denn laut Studien scheinen die in China eingesetzten Impfstoffe gegen Omikron machtlos zu sein.


Die Menschenrechte sind ein großes Thema im Umgang mit China. Gibt es in diesem Bereich irgendwelche Bewegung durch die Aufmerksamkeit, die sich auf das Land richtet?

Alpermann: Was die Situation der Uiguren angeht, wird es sicher keine unmittelbaren positiven Impulse geben. Es wäre naiv zu glauben, dass die chinesische Führung da zu einem Umdenken kommt. Aber es gibt doch Effekte. So existiert ein Angebot an die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, nach den Olympischen Spielen die Region Xinjiang zu besuchen. Das steht in Zusammenhang mit einem Bericht über die Situation der Uiguren, der als Anreiz bis nach den Spielen zurückgehalten werden soll, und es ist klar, dass es ein streng kontrolliertes Besuchsprogramm wird. Trotzdem zeigt China immerhin eine Reaktion.


Wie wichtig ist China sein Image im Westen?

Alpermann: China hadert mit seinem schlechten Image. Alle Bemühungen, auch die im Staatsfernsehen, sind sehr darauf ausgerichtet, es zu verbessern und die chinesische Politik in ein freundliches Licht zu rücken. China geht es um Gesichtswahrung und darum, sich als aufstrebende Nation zu präsentieren, von der keine Gefahr für den Weltfrieden ausgeht. Gleichzeitig ist China inzwischen auch so selbstbewusst, dass es sich keine Lektionen mehr erteilen lassen will, zum Beispiel bei den Menschenrechten. Die wollen die Chinesen nach eigenen Gusto definieren und die westliche Dominanz brechen.


Wie gut verstehen wir die Chinesen aus unserer westlichen Perspektive?

Alpermann: Sicher gibt es viele Missverständnisse und Fehlwahrnehmungen, aber es gibt auch knallharte Interessenkonflikte. Was ich sehr bedauerlich finde, ist, dass sich die Berichterstattung durch die Pandemie jetzt noch viel stärker auf das Sportliche und die politischen Konflikte fokussieren wird. Ohne Covid hätte vielleicht eher die Chance bestanden, Frontstellungen auch mal aufzubrechen und über andere Facetten des Lebens in China zu berichten.


Professor Björn Alpermann (49) leitet den Lehrstuhl "Zeitgenössische chinesische Studien" an der Universität Würzburg. Er ist zu Forschungszwecken regelmäßig in der Volksrepublik China.

 
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