Zahlreiche Arbeitsplätze in der Automobilindustrie stehen auf der Kippe
In vielen Regionen auf der Welt wird Personal aufgebaut, nur nicht in Deutschland und Westeuropa. Dort plant einer Umfrage zufolge mehr als die Hälfte der Unternehmen einen Stellenabbau. Trotzdem gibt es ein klares Bekenntnis zum Automobil-Standort Deutschland.

In der Automobilindustrie stehen offenbar zahlreiche Arbeitsplätze auf der Kippe. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen der Branche plant in Deutschland einen Stellenabbau, wie aus einer Umfrage der Unternehmensberatung Horváth unter Führungskräften der Branche hervorgeht. Grund seien vor allem der hohe Kostendruck und neue Konkurrenz, vor allem aus China.
59 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, in Deutschland in den kommenden fünf Jahren mit einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl zu rechnen, 14 Prozent sogar mit einer starken Reduzierung. Von einem Personalaufbau gingen dagegen nur 15 Prozent aus. Kaum besser sah es im übrigen Westeuropa aus, wo 53 Prozent der Befragten einen Stellenabbau planten.
E-Mobilität nicht zur Job-Bremse erklären
Düster ist die Lage deswegen aber nicht, sagt Studienleiter Frank Göller, Partner und Automotive-Experte bei der Unternehmensberatung Horváth in Stuttgart. "Bei den Interviews hat sich ein sehr differenziertes Bild ergeben." Wenngleich der Kostendruck erheblich sei, stünden die großen Unternehmen "ganz klar zum Standort Deutschland", berichtet Göller, der selbst viele Einzelinterviews geführt hat.
Sein Eindruck dabei, das bestätigten auch die Zahlen: Die Studie "gibt viel mehr her" als nur die Nachricht vom geplanten Stellenabbau. Zudem ist das Ergebnis in diesem Bereich erwartbar gewesen, wie neben Göller auch Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sagt. "Es ist schon seit zwei, drei Jahren erkennbar, dass auch einige große Hersteller und Zulieferer Stellen abbauen", so der Experte.
Von konjunkturell ungünstigen Zeiten einmal abgesehen, sei das Teil des Transformationsprozesses. "E-Mobilität braucht einfach weniger Beschäftigung", sagt Stefan Bratzel. Aber den Umstieg auf E-Autos zur Job-Bremse zu erklären, hält der Experte für falsch. "Ich würde das sogar ein bisschen umkehren: Wenn wir es nicht schaffen, in der E-Mobilität global erfolgreich zu sein, dann sind Arbeitsplätze deutscher Unternehmen gefährdet."
Überall auf der Welt wird Personal aufgebaut
Vor diesem Hintergrund nennt Bratzel den gerade erst eingeweihten eCampus von Mercedes Benz in Stuttgart-Untertürkheim als positives Beispiel. Es sei zugleich ein Bekenntnis zum Standort Deutschland. Und der Experte mahnt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass die wichtigen Investitionen auch in Deutschland passieren müssen." Zumal, wie die Studie von Horváth zeigt, neue Jobs gerade woanders entstehen.
„Produziert wird zunehmend in den Regionen, wo die Autos am Ende verkauft werden“, sagt Göller. Auch das ist nicht neu, "hat sich aber noch verstärkt“. Es sei zu erwarten, dass sich dieser Prozess weiter beschleunigt. "Mit der Folge, dass sich Arbeitsplätze verlagern“.
Im Ergebnis werde fast überall auf der Welt Personal aufgebaut - nur nicht in Deutschland und Westeuropa. 75 Prozent der befragten Unternehmen wollen demnach in Indien Kapazitäten aufbauen, 60 Prozent in China und ebenso viele in Osteuropa. Auch im übrigen Asien stünden die Zeichen auf Wachstum, ebenso wie in Nord- und Südamerika. Neue Werke entstehen in der Regel außerhalb Deutschlands.
Ein Viertel der Gesamtinvestitionen fließt nach Deutschland
Dennoch fließe weiter ein Großteil der Investitionen nach Deutschland. „Schaut man sich nur die Unternehmen mit Zentrale in Deutschland an, zeigt sich: Ein Viertel der Gesamtinvestitionen der allesamt global agierenden Unternehmen fließt nach wie vor hierher“, sagt Göller. Das sei deutlich mehr als für jede andere Weltregion.
Das Geld fließe jedoch vor allem in Produkte und Technologien und die Umrüstung bestehender Standorte auf Elektro-Antriebe. „In der Produktion wird in hohem Maß in die Automatisierung der Fertigungsanlagen und Digitalisierung investiert.“ Entsprechend schlecht falle dann die Beschäftigungsbilanz aus.
„Wir sehen jetzt aber nicht, dass Deutschland zum reinen Entwicklungsstandort reduziert wird“, betont Göller. Auch Bratzel meint: "Automotive ist hierzulande ein starker Zweig - und wird das auch bleiben."