Die neue Welt von Volkswagen
Neue Zuordnung des Personals und der Marken: Herbert Diess gibt dem weltgrößten Autohersteller eine neue Struktur. Wie sie aussehen soll.

Quasi über Nacht ist aus dem dem Wolfsburger Zwölf-Marken-Imperium ein Konzern mit sechs Geschäftsfeldern geworden − plus China, der größte Einzelmarkt des Volkswagen-Konzerns behält als eigenständige Region seine Sonderstellung.
Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und sein neuer Vorstandsvorsitzender Herbert Diess haben zusammen mit den Eigentümern und den Arbeitnehmervertretern dem Konzern eine neue Struktur geschneidert.
Noch ist nichts in trockenen Tüchern
Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern − das wird bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Freitag deutlich, bei der Pötsch und Diess die neue Struktur vorstellen. Einige Namen fehlen noch − etwa der des Einkaufsvorstands, der künftig auch die eigenen Komponentenwerke verantworten soll. Mit Francisco Javier Garcia Sanz scheidet an dieser Stelle ein Schwergewicht aus. Was die neue Position des Operativ-Chefs der Marke VW angeht, verrät Herbert Diess nur, dass sie mit einem Manager aus dem Konzern besetzt werden soll.
Wo der von Matthias Müller aus Kalifornien nach Wolfsburg geholte Digitalchef Johann Jungwirth künftig angesiedelt sein wird, bleibt bei der Pressekonferenz offen. Diess spricht über ihn nur in der Vergangenheit. Jungwirth unterstützt jedenfalls Diess' Orientierung in Richtung operativer Verantwortung. "Genau das brauche ich auch in der nächsten Phase", sagt Jungwirth der Heilbronner Stimme.
Unschärfen bei Zuordnung der Marken in neue Gruppen
Bei der Zuordnung der Marken in die neuen Gruppen gibt es ebenfalls noch Unschärfen: Wo die Motorrad-Marke Ducati angesiedelt wird, ist ungeklärt, der italienische Sportwagenbauer Lamborghini ist quasi frei schwebend zwischen Audi und der neuen Markengruppe Super Premium, die von Porsche geführt wird. Hinter den Kulissen hat das Ringen um Einflussgebiete schon begonnen. "Aufgrund der intensiven Zusammenarbeit von Audi und Lamborghini ergibt die weitere Kooperation viel Sinn", haut etwa der Neckarsulmer Audi-Betriebsratschef Rolf Klotz einen Pflock ein. Der Huracán ist schließlich ein Zwilling des Audi R8, die Karosse des Italieners wird in den Heilbronner Böllinger Höfen gebaut und in Neckarsulm lackiert. Der neue Ursus der Italiener ist eng verwandt mit dem Q8 von Audi.
In kleiner Runde und unter größter Verschwiegenheit ließen sich all diese Details offenbar nicht klären. "An der detaillierten Ausgestaltung werden wir in den kommenden Wochen und Monaten intensiv arbeiten", sagt Diess. Die Freude, dass er im Büro des Vorstandschefs und damit am Ziel seiner Träume angekommen ist und dass er jetzt endlich offen darüber sprechen darf, sieht man ihm bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Konzernchef deutlich an. Die Pressekonferenz wurde im Internet live übertragen.
Tempo soll erhöht werden
"Wir werden das Tempo nochmals deutlich erhöhen", gibt Herbert Diess die Marschrichtung vor. Und natürlich, wie immer bei solchen Umstrukturierungen, sollen am Ende Synergien stehen, mit anderen Worten Einsparungen. Beziffern möchte Aufsichtsratschef Pötsch die finanziellen Erwartungen allerdings nicht. "Wir wären keine guten Unternehmensvertreter, wenn sich das nicht positiv auswirken würde", sagt der ehemalige Finanzchef des Konzerns lediglich.
VW rückt also mit Seat und Skoda zusammen, Porsche mit Bentley, Bugatti und irgendwann auch Lamborghini. Was bleibt dann für Audi? Anders als bis zuletzt kolportiert wurde, wird Audi am Ende mutmaßlich sich selbst genügen müssen als Markengruppe, nachdem die britische Edelmarke Bentley doch nicht der Premium-Gruppe zugeschlagen wird. Mit zwei Millionen Fahrzeugen im Jahr ist Audi aber groß genug, um alleine auf vier Rädern zu stehen und den Wettbewerbern BMW und Mercedes Paroli zu bieten. "Wir müssen in diesem Segment die Führungsfrage neu stellen", sagt Diess. Aktuell ist Audi auf Platz drei. Den E-Pionier Tesla, über den in der Branche in den vergangenen Monaten so viel gesprochen wurde, nennt Diess anders als Lexus nicht als Audi-Wettbewerber.
Weiters Geschäftsfeld ist die Lkw-Sparte
Die Grenze zwischen den Markengruppen zieht Diess nicht in der Technik, sondern in der Kundensegmentierung. Super Premium soll Autos bauen für Kunden, die für ihre automobile Leidenschaft sechsstellige Beträge auf den Tisch legen − oder sogar noch mehr. Die Volumen-Gruppe baut Autos für Kunden mit eher schmalem Geldbeutel. Hier siedelt Diess auch den Mobilitätsdienstleister Moia an. Und Audi? Audi steht in der neuen Welt für die Premium-Kundschaft dazwischen. Mit seinem neuen zweiten Hut als Vertriebsverantwortlicher im Konzernvorstand ist Audi-Chef Rupert Stadler unter anderem dafür verantwortlich, die Preisgrenzen zwischen den Segmenten zu definieren.
Ein weiteres Geschäftsfeld neben den drei Pkw-Gruppen ist die Lkw-Sparte Truck & Bus, von der VW einen Minderheitsanteil an die Börse bringen möchte. Hier sind − anders als bei den anderen Tochterfirmen auch gesellschaftsrechtliche Änderungen geplant. Weiterhin eigenständige Geschäftsfelder sind die Bereiche Finanzdienstleistungen sowie Beteiligungen und Komponenten.
Und was ist mit China, dem wichtigsten Einzelmarkt? "Jochem Heizmann ist ein Garant dafür, dass die Konzerninteressen in China gut koordiniert sind und die politischen Kontakte gut gepflegt werden", sagt Diess. Von Wolfsburg aus könne das nicht gesteuert werden. Es sieht also ganz danach so als müsse der 66-Jährige ein bisschen länger als gedacht auf seine Rente warten.