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CD-Unternehmer Pilz zu sieben Jahren Gesamtstrafe verurteilt

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Mühlhausen (dpa) - Der ehemalige CD-Fabrikant Reiner Pilz ist am Montag wegen Betrugs zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.

Reiner Pilz (r) bei Prozessbeginn im März 2000 im thüringischen Mühlhausen.
Reiner Pilz (r) bei Prozessbeginn im März 2000 im thüringischen Mühlhausen.  Foto: Martin Schutt (dpa)
Sein mitangeklagter Berater wurde freigesprochen.

In das Urteil des Landgerichts Mühlhausen in Thüringen ging eine Verurteilung zu sechs Jahren aus einem früheren Verfahren ein. Die Anklage hatte Pilz zum Schluss noch einen Schaden von sieben Millionen Euro beim Bau der CD-Fabrik in Suhl-Albrechts vorgeworfen.

Das Gericht blieb unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die neun Jahre und zehn Monate für Pilz beantragt hatte sowie ein Jahr für den Berater. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Noch ist offen, ob Pilz nun erneut ins Gefängnis muss.

Von dem Urteil des Landgerichts Landshut in Bayern hat er inzwischen fast viereinhalb Jahre verbüßt. Im Juli 2002 war er vorzeitig entlassen worden.

Als der Aufbau Ost begann, war Pilz ein gefeierter Mann. Der hemdsärmlige Selfmademan aus Bayern startete mit dem DDR-Kombinat Robotron das erstes deutsch-deutsche Joint Venture und baute eine CD-Fabrik mitten im Thüringer Wald.

15 Jahre später hält die Europäische Union den Großteil der 284 Millionen Euro Subventionen für rechtswidrig und Pilz wurde am Montag zum zweiten Mal wegen Betrugs verurteilt. Doch mit dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen ist die Geschichte eines spektakulären Scheiterns noch nicht zu Ende.

Begonnen hatte sie im hoffnungsvollen Wendewinter 1989. Im Dezember vereinbarte Pilz mit dem Kombinat Robotron den umgerechnet 146 Millionen Euro teuren Bau der Fabrik. Als Robotron zusammenbrach, übernahm der inzwischen als Vorzeigeunternehmer geltende Pilz das Projekt allein.

Doch nur zwei Monate nach dem gefeierten Start des Werks im Frühjahr 1993 meldete der Betrieb Kurzarbeit an. Innerhalb weniger Monate entpuppte sich die Pilz-Gruppe im bayerischen Kranzberg als Sanierungsfall, zu dessen Rettung Thüringen und Bayern ein millionenschweres Joint Venture der öffentlichen Hand starteten.

Die Probleme des Vorzeigewerks fielen in Thüringen in eine Zeit des Firmensterbens. Das Aus für die Kaligrube in Bischofferode und der Hungerstreik der Kumpel war nur der Aufsehen erregendste Fall. Unter dem Motto «Thüringen brennt» demonstrierten Gewerkschafter und Mitarbeiter bedrohter Betriebe fast wöchentlich für Hilfen der CDU/FDP-Regierung.

Gegen den Willen des kleineren Koalitionspartners übernahm die Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft ein halbes Jahr vor der Landtagswahl 1994 das CD-Werk. Thüringen und Bayern sprangen zudem immer wieder mit Millionenkrediten für die Pilz-Gruppe ein.

Trotzdem brach sie im Sommer 1995 zusammen und Pilz kam unter Betrugs-Verdacht in Bayern in Untersuchungshaft. 1998 verurteilte ihn das Landgericht Landshut zu sechs Jahren Haft, die den Großteil der vom Landgericht Mühlhausen verhängten Gesamtstrafe ausmacht.

Der im März 2000 begonnene Prozess in Thüringen brachte statt Pilz aber vor allem die Landesregierung in Bedrängnis. Denn der Richter prüfte auch das Entlastungsargument, das Land habe verbotenerweise Pilz gefördert, obwohl die Konkursreife der Gruppe bekannt gewesen sei. Der Streit zwischen Gericht und Regierung um die Herausgabe von Akten gipfelte in der bundesweit einmaligen Durchsuchung einer Staatskanzlei im September 2000.

Gleichzeitig attackierte die EU-Kommission die Landesregierung. Für drei Viertel der staatlichen Beihilfen von Bund, Thüringen und Bayern gebe es keine rechtliche Grundlagen, entschieden die EU-Wettbewerbshüter.

Anders seien die Arbeitsplätze nicht zu retten gewesen, verteidigte sich der damalige Regierungschef Bernhard Vogel (CDU) und schimpfte über «Sesselfurzer» in der Brüsseler Behörde. Das Land klagt gegen die Vorgabe der EU, den größten Teil des Geldes von der ehemaligen Pilz-Gegesellschaft in Suhl zurückzufordern.

Für das äußerlich futuristisch anmutende Werk der heutigen CDA Datenträger Albrechts GmbH im Thüringer Wald wäre die Rückforderung das Aus. Die Firma ist nach den millionenschweren Rettungsbemühungen mit 215 Beschäftigten einer der größeren Betriebe in einer strukturschwachen Region.


Reiner Pilz (r) bei Prozessbeginn im März 2000 im thüringischen Mühlhausen.
Reiner Pilz (r) bei Prozessbeginn im März 2000 im thüringischen Mühlhausen.  Foto: Martin Schutt (dpa)
 
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