Im zulassungspflichtigen Handwerk gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger auch deshalb schwierig, weil in diesem Bereich Meisterpflicht besteht. „Das heißt, es muss erst einmal ein Handwerksmeister gefunden werden, der einen Betrieb auch übernehmen kann und will“, Sascha Grimm-Neumann von der hiesigen Handwerkskammer. Doch sowohl im familiären Bereich als auch unter den Mitarbeitern stünden immer seltener potenzielle Übernehmer zur Verfügung.
Vergebliche Suche nach Nachfolger: Vielen Betrieben im Raum Heilbronn droht das Aus
Die Zahl der Betriebe auf Nachfolgersuche wächst kontinuierlich. Weil sich aber immer weniger Interessenten finden, droht mittelfristig vielen Unternehmen das Aus. Auch in der Region.
Angebote hat Susann Büttner schon viele gehabt, seriös waren nur die wenigsten. „Einer wollte mir sogar nur meinen Meisterbrief abkaufen“, sagt die Friseurmeisterin, die im Kaisersturm in Heilbronn das „Hairloft“ betreibt. Nach dann 20 Jahren möchte Susann Büttner ihren Laden in bester Lage spätestens zum März 2026 an einen Nachfolger weitergeben. Die 50-Jährige selber orientiert sich noch einmal um.
Im Sommer vergangenen Jahres hat Büttner ihre Suche nach einem Nachfolger publik gemacht. „Ich habe schon gewusst, dass es schwierig wird“, sagt die 50-Jährige, die bei der Innung bis vor einigen Jahren Gesellenprüfungen abgenommen hat. Schon damals zeichnete sich ab, dass immer weniger junge Menschen ein Handwerk erlernen. Wo soll also das Personal herkommen, das dann auch noch einen Betrieb wie ihren übernehmen will?

Mittelfristig suchen 3000 Handwerksbetriebe in der Region Heilbronn-Franken einen Nachfolger
Susann Büttner ist lange kein Einzelfall im Kammerbezirk. In den vergangenen vier Jahren ist die Anzahl der Betriebe, die auf Nachfolgersuche sind, kontinuierlich gestiegen, sagt Sascha Grimm-Neumann, Abteilungsleiter Unternehmensberatung bei der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. Waren es 2021 noch 121, sind es 2024 206 Betriebe gewesen. Und der große Sprung kommt erst noch. „Wir gehen davon aus, dass im Kammerbezirk in den nächsten fünf Jahren rund 3000 Handwerksbetriebe einen Nachfolger suchen“, sagt Grimm-Neumann.
Auch die Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken gibt auf Nachfrage der Heilbronner Stimme an, dass die Unternehmensnachfolge „eine der zentralen und drängendsten Herausforderungen für die Wirtschaft in Baden-Württemberg“ sei. Die geburtenstarken Jahrgänge verabschieden sich absehbar in den Ruhestand. „Die Nachfolgelücke wird sich deutlich vergrößern“, heißt es. In Baden-Württemberg aufgrund seiner hohen Dichte an mittelständischen Unternehmen mehr als andernorts.
Vielen Betrieben droht das Aus: Übergabeprozess dauert im Schnitt ein Jahr, eher länger
Heißt: Vielen Betrieben droht die Stilllegung. Auf diesen Nenner bringt es auch die KfW. Die Staatsbank zufolge stehen 231.000 mittelständische Betriebe mangels Nachfolgelösung alleine 2025 vor dem dem Aus. Mittelfristig werden weitere 310.000 Unternehmen hinzukommen. Darunter sind auch viele Handwerksbetriebe, die es bei der Nachfolgesuche im Vergleich vielleicht noch einmal schwerer haben.
„Viele wollen die Verantwortung für ein Unternehmen nicht.“Claudia Dürrich
Diese Beobachtung hat auch Roger Hoehne gemacht, der deutschlandweit mittelständische Unternehmen seit Jahren mit seiner strategischen Beratung Lupus von Heilbronn aus die Suche nach einem Nachfolger begleitet. „In der Regel geht es um einen Verkauf des Unternehmens“, sagt Hoehne. Ein Prozess, der im Schnitt ein Jahr dauert, eher noch länger. Ähnlich dem Verkauf einer Immobilie, geht es zunächst darum, die Firma etwas herauszuputzen.
Nachfolger für Unternehmen gesucht: Vorstellungen gehen zum Teil auseinander
Nicht selten hat der Firmeninhaber eine andere Vorstellung über den Wert seines Lebenswerks, als es der Realität entspricht. „Der Wurm muss am Ende aber dem Fisch schmecken“, sagt Hoehne. Mitunter müssten Unternehmen auch saniert werden, dabei hat Roger Hoehne schon in der Vergangenheit mit den Restrukturierer Timo Ruf aus Eberstadt zusammengearbeitet. Seit diesem Jahr tritt das Duo mit Claudia Dürrich gemeinsam auf, bietet Kunden eine ganzheitliche Beratung.
„Ich habe in meinem Mandantenkreis gemerkt, dass die Suche nach einen Unternehmensnachfolger zunehmend ein Thema wird“, sagt die Steuerberaterin. Ein Unternehmen innerhalb der Familie zu übergeben, so hat es Claudia Dürrich beobachtet, scheitert daran, dass entweder niemand da ist - oder schlicht kein Interesse besteht. „Es gibt inzwischen viele gut bezahlte Stellen als Angestellte. Viele wollen die Verantwortung für ein Unternehmen nicht.“

IHK und Handwerkskammer begleiten Nachfolgesuche und Übergabe
Laut IHK werde das Thema Nachfolge in vielen Unternehmen nicht frühzeitig genug angegangen. „Das ist aber zwingend erforderlich. Nur eine gut geplante Nachfolge sichert den Betrieben langfristige Perspektiven, bewahrt Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Christina Nahr-Ettl, Mitglied der Geschäftsleitung. „Wir als IHK begleiten diesen Prozess mit unserer Nachfolgemoderatorin, die Unternehmen als neutrale Ansprechpartnerin zur Seite steht und sie unterstützt.“
Ähnliche Angebote macht auch die Handwerkskammer, auch Susann Büttner nimmt sie in Anspruch. „Die Beratung war super“, sagt sie. Aber: „Die können auch keine Interessenten schnitzen.“ Was Roger Hoehne zudem beobachtet: In der Regel hat der Inhaber eines Handwerkbetriebs kein Interesse an einem anderen Betrieb: „Er hat ja schon einen.“ Angesichts des Fachkräftemangels interessiere er sich vielmehr für die Mitarbeiter.
Oder auch die Kunden. Susann Büttner würde ihre Stammkunden mit übergeben. Bis März 2026 bleibt ihr noch ein gutes Jahr Zeit. Wenn sich niemand findet, dann wird ihr Friseurladen verschwinden, wie so viele Betriebe.

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