Zukunftspakt bei Kolbenschmidt
Der Automobilzulieferer investiert 60 Millionen Euro in den Standort Neckarsulm. Die Beschäftigten verzichten im Gegenzug auf Geld.

Kolbenschmidt investiert in den nächsten Jahren 60 Millionen Euro in den Produktionsstandort Neckarsulm und baut das Stammwerk zum Leitwerk für Stahlkolben für Pkw und Nutzfahrzeuge aus. In dieser für das Unternehmen „zukunftsweisenden Produktgruppe“ wird der Standort damit Pilotfunktionen für die anderen internationalen Standorte übernehmen.
Geschlossen wird bis 2016 im Gegenzug die traditionsreiche Aluminiumgießerei der Kolbensparte. Das Unternehmen hat sich allerdings verpflichtet, den Umbau des Standorts ohne betriebsbedingte Kündigungen umzusetzen: Teil des neuen Standortkonzepts ist eine Beschäftigungsgarantie, die bis Ende 2020 bestand haben soll.
Hintergrund: Kolbenschmidt
1910 gegründet gehört Kolbenschmidt zu den Pionieren unter den deutschen Autozulieferern. Seit 1917 produziert KS Kolben aus Aluminium. 1997 erwarb der Rheinmetall-Konzern die Firma und führte sie mit Pierburg zusammen. In der Region beschäftigt Kolbenschmidt rund 2000 Mitarbeiter. Weltweit sind es 12.000.
Die Beschäftigten verzichten im Gegenzug auf Geld – darauf hatte das Unternehmen in hart geführten Verhandlungen gepocht. Unter anderem wird die bislang bezahlte Erfolgsbeteiligung des Rheinmetall-Konzerns für künftige Jahre nicht mehr ausgeschüttet, darüber hinaus wird das Weihnachtsgeld bei der KS Kolbenschmidt GmbH um 20 Prozentpunkte und bei der Schwestergesellschaft KS Aluminiumtechnik GmbH (Atag) um 15 Prozent reduziert. Zudem werden Tariferhöhungen künftig erst mit einer sechs- bis neunmonatigen Verspätung bezahlt.
Je nach Bereich und Jahr müssen die Beschäftigten ohne Lohnausgleich künftig zwischen 20 und 60 Stunden im Jahr mehr arbeiten.
Entgegengekommen sind die Belegschaftsvertreter dem Unternehmen auch bei der Leiharbeit: In der Atag kann die Leiharbeiterquote künftig auf bis zu 15 Prozent angehoben werden.
Wettbewerbsfähigkeit
„Das Konzept leistet einen dringend notwendigen Beitrag in Richtung auf eine Wiederherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unseres Kleinkolbenbereiches“, sagt Peter Sebastian Krause, der Personalvorstand der Holdinggesellschaft KSPG AG. Was das bedeutet, lässt sich an folgender Regelung ablesen: Erreicht das operative Ergebnis eine Marge von vier Prozent, werden Teile der Arbeitnehmerbeiträge zurückbezahlt, bei 6,5 Prozent vollständig.
Für IG-Metall-Chef Rudolf Luz ist die Einigung „ein tragfähiger Kompromiss zur Sicherung des Standorts und der Beschäftigung“. Er formuliert das Ziel, dass auf der Basis der Vereinbarung „Neckarsulm zu einem innovativen Produktionsstandort mit modernsten Industriearbeitsplätzen“ ausgebaut werden müsse. „Die Voraussetzungen sind hierfür mit der Vereinbarung geschaffen worden.“
Betriebsratschef Heinrich Kmett weist überdies darauf hin, dass die der Standortsicherungsvertrag vorzeitig aufgekündigt werden kann, wenn Zusagen zu den Investitionen oder der Beschäftigungssicherung nicht eingehalten werden. In einer Betriebsversammlung sind die Beschäftigten am Vormittag über die Einzelheiten der Vereinbarung informiert worden.
Dem Abschluss, der noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Belegschaft steht, gingen lange und nach Einschätzung von Rudolf Luz sehr schwierige Verhandlungen voraus. Bereits vor zwei Jahren hätte das Unternehmen Einschnitte gefordert, als es noch kein Zukunftskonzept für den Standort gegeben habe.
Noch nicht abgeschlossen sind hingegen die Verhandlungen über einen möglichen Einstieg eines Investors bei der Atag. Wie berichtet prüft das Unternehmen seit einigen Wochen, inwiefern die Investitionen in der Motorblockgießerei gemeinsam mit einem Partner geschultert werden könnten. Ein Teilverkauf der Atag ist also nach wie vor möglich.