Zerwürfnis zwischen Audi-CEO Döllner und Designchef Lichte – Das sind die Hintergründe
Die Abberufung von Audis Designchef Marc Lichte ist derzeit eines der großen Gesprächsthemen in der Branche. Warum es zum Rauswurf des Mannes kam, der unter anderem den E-Tron GT aus Heilbronn entworfen hat.

Einen Tag nach dem großen Knall ist es intern das Gesprächsthema schlechthin bei Audi: Chefdesigner Marc Lichte muss seinen Posten zum 1. Juni räumen. Künftig wird dann der Italiener Massimo Frascella für die Optik der Autos im Zeichen der vier Ringe verantwortlich sein.
Wer sich in der Technischen Entwicklung des Unternehmens umhört, erntet meist nur Kopfschütteln und Unverständnis über den Wechsel. Schließlich war es Lichte, der seit seinem Start 2014 dem Autobauer Audi eine neue Designlinie verpasst hat. Angefangen mit der Studie Prologue, die Pate stand für die aktuellen Oberklassemodelle A6, A7 und A8 aus Neckarsulm. Bis hin zum vollelektrischen E-Tron GT aus Heilbronn, den der 54-Jährige maßgeblich selbst mitgestaltet hat. „Marc hat einen wahnsinnig tollen Job gemacht“, sagt ein Designer des Unternehmens. „Er hatte viele Ideen für die Weiterentwicklung der Marke.“
Design direkt beim Audi-Chef angedockt
Diese Ideen wird Lichte nun nicht mehr umsetzen können. Wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, hat sich das Zerwürfnis zwischen Audi-Chef Gernot Döllner und seinem Designchef in den vergangenen Wochen und Monaten angebahnt. Unseren Informationen zufolge waren die beiden sich zunehmend uneins über die künftige Designsprache. Lichte soll auch in größeren Runden zunehmend widersprochen haben. Audi hat erst kürzlich seine Designabteilung umstrukturiert und organisatorisch direkt beim Audi-CEO verankert.
Auto- oder Kundenkliniken: Schlechte Noten für künftige Audi-Modelle
Endgültig zum großen Knall soll es nach Informationen der Heilbronner Stimme nach Befragungen von Kundinnen und Kunden im vergangenen Jahr gekommen sein. Autohersteller entwickeln permanent neue Modelle für die Zukunft, die noch streng geheim sind. Doch welche Trends herrschen dann vor und welches Design ist im entsprechenden Segment dann das richtige? Regelmäßig veranstalten die Hersteller selbst oder von ihnen beauftragte Agenturen sogenannte Auto- oder Kundenkliniken. Dabei geht es darum, den Geschmack der Kunden herauszufinden und zwar möglichst präzise jenen, der erst in ein paar Jahren vorherrscht. Dabei werden den Probanden künftige Modelle gezeigt, die sie bewerten sollen. Die Ergebnisse kennt im Unternehmen selbst nur ein kleiner Kreis.
Bei der letzten dieser Untersuchungen haben die künftigen Audi-Modelle dem Vernehmen nach schlecht abgeschnitten. Nachdem es zwischen Döllner und Lichte ohnehin schon ständig offen Streit gegeben haben soll, hat der Audi-CEO durchgegriffen.
„Das Personalkarussell dreht sich“
Es ist nicht das erste Mal, dass der neue Audi-Chef in die bestehende Struktur eingreift. Erst unlängst hat er etliche Top-Posten neu besetzt. Es dürfte noch nicht das Ende gewesen sein. „Das Personalkarussell dreht sich“, sagt einer aus der oberen Führungsebene. „Der Umgangston ist so rau wie nie. Da war Winterkorn fast schon nett dagegen.“ Im Design sind die Weichen nun neu gestellt.
„Vorsprung durch Technik muss sichtbar und spürbar sein im Interieur und Exterieur aller künftigen Serienmodelle“, skizziert Audi-Chef Döllner seine Vorstellungen. „Massimo Frascella wird dafür sorgen, dass Audi-Fahrzeuge mit einer unverwechselbaren und emotionalen Formensprache die Identität der Marke verkörpern.“
Neuer Designchef war für Optik bei Jaguar und Land Rover verantwortlich
Aktuell ist Audis künftiger Designchef Massimo Frascella für die Optik der beiden Marken Jaguar und Land Rover verantwortlich. Wer sich die Modelle der englischen Marken ansieht, darf mit einigen Veränderungen für Audi rechnen. Denn das Credo von Frascella heißt: „Die Essenz meines Zugangs zum Design ist das Einfache. Meine Leidenschaft gilt einem Design ohne überflüssige Ornamentik und das nicht einfach nur zeitgenössischen Trends folgt, sondern zeitlose Ästhetik und Raffinesse verkörpert."




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