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Landesbündnis will Werbetrommel für duale Ausbildung rühren

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Weil sich immer weniger junge Menschen für eine Lehre interessieren, wollen Politik, Wirtschaft und Verbände gegensteuern. Der Bedarf an Fachkräften in den Betreiben ist enorm.

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Foto: dpa  Foto: Hendrik Schmidt

Die Corona-Pandemie belastet den Ausbildungsmarkt im Land. Die Betriebe bekommen immer größere Probleme, den dringend benötigten Nachwuchs an Fachkräften auszubilden. Das wurde beim virtuellen Spitzengespräch des Ausbildungsbündnisses Baden-Württemberg am Montag in Stuttgart deutlich.

Zahlen sprechen klare Sprache

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, wie schwierig die Situation auf dem Ausbildungsmarkt im Land mittlerweile ist. So ist die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz im laufenden Ausbildungsjahr (Stichtag 30. September) um 12,5 Prozent auf 52 296 gesunken. Dem stehen 73 268 gemeldete Lehrstellen gegenüber (minus 5,7 Prozent). Ende September waren 10 174 Ausbildungsplätze unbesetzt, während 7646 Jugendliche noch eine Lehrstelle suchten. Von ihnen blieben 1118 unversorgt - die anderen haben sich für Alternativen wie eine berufliche Schule, eine Qualifizierungsmaßnahme oder einen Job entschieden.

"Noch immer steht der Ausbildungsmarkt unter dem Einfluss der Corona-Pandemie", kommentierte Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkskammertag, die Zahlen. Die Unternehmen stünden wirtschaftlich unter Druck, hätten teilweise Zukunftsangst. "Das macht sich bei der Ausbildung bemerkbar", so Reichhold. Obwohl die Betriebe weniger Lehrstellen anbieten, betonte er: "Wir brauchen die Jugendlichen." Leider sei wegen der Pandemie die berufliche Orientierung etwa durch Praktika kaum möglich.

Mehr Wertschätzung für die duale Ausbildung gefordert

Der Handwerksvertreter wünscht sich mehr gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung der dualen Ausbildung. "Sie ist der Grundpfeiler für die Stärke der baden-württembergischen Wirtschaft." Deshalb müsse sie als gleichwertige Ausbildung neben einem Studium gelten. Es dürfe keinen Automatismus vom Abitur zum Studium führen, betonte Reichhold.

Auch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut möchte stärker herausstellen, "wie interessant und vielfältig die Ausbildungsberufe" und die damit verbundenen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten seien. Sie wies darauf hin, dass im Jahr 2020 94 Prozent der Prüfungsteilnehmer ihre Prüfung bestanden haben und dass 76 Prozent der Azubis nach ihrer erfolgreichen Prüfung von ihrem Betrieb übernommen wurden. "Das zeigt den ungebrochen hohen Bedarf der Wirtschaft an beruflich qualifizierten Fachkräften", sagte Hoffmeister-Kraut. Zugleich sei es ein starkes Argument für die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung.

9000 junge Menschen als "stille Reserve"

Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, erklärte, dass wegen der Pandemie viele Jugendliche im Südwesten vorerst darauf verzichten, eine Berufsausbildung zu beginnen. Allein im laufenden Jahr umfasse diese "stille Reserve" rund 9000 junge Menschen, sagte Rauch. Die Arbeitsagenturen wollen mit speziellen Angeboten wie Assistierter Ausbildung oder Einstiegsqualifizierung den Betroffenen dabei helfen, eine Lehre zu absolvieren. Zudem wollen die Agenturen verstärkt Abiturienten und Hauptschüler in den Fokus nehmen, um die Ausbildungslücke in der Wirtschaft zu verkleinern.

Das Praktikum im Betrieb kann nicht digital ersetzt werden

Deutlich wurde beim Spitzengespräch, dass Praktika, Messen oder Berufsorientierung vor Ort nicht durch digitale Formate ersetzt werden können. "Wir haben zwar digitale Angebote bereitgestellt, doch die Erfahrungen, die man durch das Handanlegen vor Ort macht, können sie nicht ersetzen", sagte Sandra Boser (Grüne), Staatssekretärin im Kultusministerium. Die Bündnispartner seien gefordert, in der beruflichen Orientierung so viele Angebote wie möglich zu machen, um wieder mehr Jugendliche in die Ausbildung zu bekommen. Auch habe der Präsenzunterricht an den beruflichen Schule "höchste Priorität", betonte Boser.

Julia Friedrich, Bezirksgeschäftsführerin des DGB Baden-Württemberg, wies auf die soziale Bedeutung des Ausbildungsplatzes hin, der ein wichtiger Ort für gesellschaftliche Teilhabe sei. Sie forderte eine Ausbildungsplatzgarantie für junge Menschen. Diese würde den Betrieben Fachkräfte sichern.

Anreize für junge Menschen

Das Ausbildungsbündnis will Jugendliche mit diversen Maßnahmen ansprechen. So fördert das Wirtschaftsministerium ab 2022 neue Projekte zur Digitalisierung der Berufsorientierung, der Ausbildungsvermittlung und der überbetrieblichen Ausbildung. "Die Jugendlichen sind ,Digital Natives". Sie erwarten die digitale Ansprache und digitale Inhalte", sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister Kraut. Auch die Förderung der Verbundausbildung, die Einführung eines landesweiten Azubi-Tickets oder günstiger Wohnraum gehören dazu.

 

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