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Ein Leben als Influencerin: Die Kamera ist immer dabei

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Die gebürtige Heilbronnerin Vania Rösch ist eine der erfolgreichsten Bloggerinnen Deutschlands. Auf ihren Kanälen auf Youtube und Instagram folgen ihr Hunderttausende. Dabei hat sie ein ganz und gar nicht modisches Fach studiert.

Mehrere tausend Nutzer folgen Vania Rösch auf ihrem Instagram-Kanal. Foto: Screenshot
Mehrere tausend Nutzer folgen Vania Rösch auf ihrem Instagram-Kanal. Foto: Screenshot  Foto: Screenshot

Sie hätte auch in die freie Wirtschaft gehen und sich einen sicheren Job als diplomierte Wirtschaftsmathematikerin suchen können. Schließlich hat sie ein Einser-Abi, der Titel ihrer Diplom-Arbeit, eingereicht 2011 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), lautet "Optimale Dividendenstrategien für einen Risikoreserveprozess mit stetiger Verzinsung des Kapitals".

Aber Vania Rösch, damals noch geborene Achavan, hat sich anders entschieden. Schon während des Studiums hatte sie einen Youtube-Kanal zu Beauty-Themen gestartet. Heute ist die kleine dunkelhaarige Frau eine der erfolgreichsten Influencerinnen Deutschlands.

Stundenlange Arbeit für ein kurzes Video

Ein Dasein, das mehr Arbeit bedeutet, als man es sich vorstellt. Fünf bis sechs Stunden brauche der Dreh für eine neues Video von zehn Minuten, erzählt sie. Weitere fünf bis sechs Stunden gehen für den Schnitt drauf, die Arbeit am sogenannten Thumbnail für das Video-Titelbild nimmt gut zwei Stunden in Anspruch und das Hochladen, Posten und Verlinken nochmals mindestens 30 Minuten.

Zu Hochzeiten hat Vania Rösch so drei Videos pro Woche ins Netz gestellt. "Mittlerweile bin ich auf dem Pfad von self care", sagt sie: Weniger tut"s auch. "Aber ich mache das auch so gerne, dass ich gar nicht merke, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt."

Interesse für Mädchenkram

Mode statt Mathematik - oder Mode und Mathematik? Schon als Jugendliche, als sie noch in Heilbronn wohnte, pilgerte Vania regelmäßig zu Gerdas Laden in Sontheim, besorgte sich die neuen Modezeitschriften und schnitt sich aus, was ihr gefiel und was sie kombinieren würde. "Eine Art analoges Pinterest" nennt sie das heute. Am Justinus-Kerner-Gymnasium legte sie das Abi ab, entschied sich dann für ein Studium in Karlsruhe. "Etwas, womit man Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat" - Wirtschaftsmathematik. Aber da war eben noch dieses andere: "Ich hatte schon immer diese kreative Ader, dieses Interesse für Mädchenkram."

Als sie die ersten Beauty-Blogs auf Youtube entdeckte, war das noch etwas ganz Neues. "Das machten damals eigentlich nur Amerikanerinnen. Die zeigten ihr Outfit und gaben Tipps, wie man sich stylen kann", erzählt sie. "Irgendwann kannte ich das so gut, dass ich mir sagte: Das kann ich auch." Gesagt - getan. Mit einem iphone 3 filmte Vania ihre ersten Videos. Zu Weihnachten ließ sie sich dann von ihren Eltern einen Camcorder schenken. Ihr Partner Oliver unterstützte sie immer dabei - obwohl er auch studierte, ein Diplom in Informatik ablegte, als Softwareentwickler arbeitete.

Ehemann als Manager

2011, nach Studienende, fiel dann die Entscheidung: statt für ein Angestelltendasein für die Selbstständigkeit. "Das war damals eine sehr verrückte Idee, etwas sehr Unsicheres", erinnert sie sich. Eine Zeitlang gab die Jung-Akademikerin auch noch Mathe-Nachhilfe. Doch sie geriet mit ihrem Kanal rasch in die aufstrebenden Branche der Influencer: Markenhersteller und Händler meldeten sich, man verhandelte über Produkttests und Outfit-Präsentationen. 2015 war die Sache so groß geworden, dass auch Oliver Rösch einstieg, das Management übernahm und die Aufnahmen anfertigte. Heute hat das Paar eine GbR gegründet und kann von seiner Arbeit leben.

Vania Rösch auf ...

Ansprüche sind höher geworden

Täglich ein Instagram-Post und eine Instagram-Story, jede Woche ein bis drei Videos auf Youtube - das ist die aktuelle Schlagzahl. "Der Beruf wird ja immer noch belächelt", sagt Vania Rösch. "Ich lade jeden dazu ein, einmal einen Tag als Praktikant zu arbeiten." Es sei nämlich alles andere als leicht, auf Kommando kreativ zu sein. Ständig neue Ideen zu haben, sich aus der Masse der tausenden kleinen und großen Influencer und Influencerinnen abzuheben, aktuell zu bleiben, die nötigen Kanäle richtig zu bespielen und die Augen aufzuhalten, ob ein neues Medium relevant wird. "Die Ansprüche sind höher geworden", sagt sie. "Ein einfaches Outfit reicht nicht mehr."

Und nebenbei steht ständig die Frage im Raum, was man von sich preisgibt. "Ich bin nicht auf Facebook", sagt Vania Rösch - 2015 hat aber jemand ein Profil unter ihrem Namen angelegt. "Ich bin eigentlich nicht so extrovertiert", ergänzt sie. "Ich bin ziemlich schüchtern." Daher gebe sie ihren Wohnort nicht preis, auch nicht ihr Alter. Und es habe lange gedauert, bis auch die Follower, also die Fangemeinde auf ihren Social-Media-Kanälen, von ihrem Partner Oliver erfuhren. Behutsam werden kleine Neuigkeiten hinzugefügt - jüngst etwa, dass nun drei Katzen den Haushalt der beiden bevölkern.

Breite Zielgruppe

Dass das Paar, seit vergangenem Jahr verheiratet, nun ein Leben in Saus und Braus führt, verneint die zierliche junge Frau. "Ich bin eher geizig, da kommt das Schwäbische wohl bei mir durch", sagt sie und lacht. "Nur beim Urlaub gönne ich mir mal was, da darf es auch mal das bessere Hotel sein." Auch da ist die Kamera immer dabei. "Das sieht dann aus, als würden wir Dokus drehen." Aber sie wisse sehr wohl noch, was es heißt, sich nur vom Taschengeld zu finanzieren. Das ist schließlich das Wichtigste für einen Influencer - authentisch rüberzukommen. "Meine Zielgruppen sind zwischen zwölf und 60 Jahre alt", sagt Vania Rösch. "Ich habe keine Vorgaben. ich kann posten, was ich will", sagt sie. "Es muss nur authentisch sein und zu mir passen."

Was kann noch kommen? Viele Fragen wurden ihr schon gestellt: Kinder? Nicht ausgeschlossen. Perspektive? Alles ist möglich, es gibt auch ältere Influencer für ältere Zielgruppen, das Feld ist weit, das Medium jung, der Name etabliert. Vania lächelt Oliver an, Oliver lächelt zurück. Die beiden Mathematiker haben ihre Nische gefunden. So kann es weitergehen.

 

Neue Wirtschaftsstimme erscheint am Dienstag

Dieser Text stammt aus der neuen Ausgabe der Wirtschaftsstimme, die am Dienstag, 24. September, der Heilbronner StimmeKraichgau Stimme und Hohenloher Zeitung beiliegt. Die September-Ausgabe beschäftigt  sich mit dem Schwerpunkt Textil – vom Hersteller bis zum Handel, von verschwundenen Marken bis zu aktuellen Trends der Branche.

 

 

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