Dieselskandal: Unschuldsbeteuerung mit kurzer Halbwertszeit
Geheime Protokolle des Konzernsteuerkreises Abgas belasten den langjährigen Audi- und VW-Motorenentwickler und früheren Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz.

Die Durchsuchung am Tag der Bilanzpressekonferenz im März. Dann die Festnahme des Neckarsulmer Motorenentwicklers Giovanni P. Anfang Juli direkt vor der Präsentation des neuen A8. Und jetzt die Festnahme von Wolfgang Hatz wegen Betrugsverdachts - die Münchener Staatsanwaltschaft II hat ein gutes Zeitgefühl.
Zugriff am Tag der Betriebsversammlung
Dieses Mal war es der Tag der Betriebsversammlung in Ingolstadt, an dem hinter dem ehemaligen Topmanager in der Haftanstalt Stadelheim die Zellentür zufiel. Öffentlich wurde der jüngste Schritt der Ermittler erst kurz vor der Neckarsulmer Betriebsversammlung tags drauf. So kurz, dass das Thema Hatz auch dort nur mit einem Nebensatz angesprochen wurde. Verschwunden ist das Thema damit allerdings nicht.
Nicht allein die dort heftig kritisierte miese Auslastung der Neckarsulmer Fabrik dürfte Audi-Vorstandschef Rupert Stadler und anderen Spitzenkräften im VW-Konzern das verlängerte Feiertagswochenende verdorben haben: Mit der Festnahme von Hatz kommen die Ermittler der obersten Führungsebene immer näher - den Managern, die bei der internen Untersuchung durch die Anwaltskanzlei Jones Day noch ungeschoren davon kamen.
Immerhin gelten der VW-Konzernchef und Hatz als gute Bekannte - Müller wollte ihn gar in den Porsche-Vorstand zurückholen. Porsche erklärte damals, es hätten sich "keinerlei Hinweise auf eine Mitverantwortung" ergeben. Laut "Bild am Sonntag" war es der Betriebsrat gewesen, der die von Müller angestrebte Rehabilitation verhinderte. Sonst hätte der VW-Konzernchef jetzt ein noch größeres Problem.
Fragezeichen hinter der Unschuld
Die "Bild" zitiert nämlich aus geheimen Protokollen, die ein großes Fragezeichen hinter die Unschuld des Motorenmanns Hatz machen: Demnach wusste er nicht nur von dem Abgasbetrug, der Mann aus dem innersten Machtzirkel bei VW könnte ihn sogar empfohlen haben. Den "Rollenmodus", bei dem die strikten Werte auf dem Prüfstand eingehalten wurden, während die Abgasreinigung im Normalbetrieb abgeschaltet war. Wie viel wert sind dann die anderen Unschuldsbeteuerungen der VW- und Audi-Oberen?
Die Jones-Day-Ermittler haben diese brisanten Dokumente offenbar nicht gefunden. Das könnte daran liegen, dass es im Protokoll der ersten Sitzung des laut "Bild" im Mai 2010 unter der Leitung von Hatz eingesetzten Konzernsteuerkreis Abgas heißt: "Eine Verteilung von Unterlagen erfolgt nicht." Mutmaßlich gehören sie zu dem Aktenpaket, das Giovanni P. den Staatsanwälten übergeben hat - ihm droht unverändert die Auslieferung in die USA.
Nimmt Hatz die Schuld für den Abgasbetrug inklusive einer möglichen Haftstrafe auf sich? Die Ermittler, so schreibt die "Süddeutsche", hoffen nun, dass der Lebemann unter dem Eindruck des Freiheitsentzugs sein Wissen preisgibt. Sein Wissen über das Wissen seiner Chefs an der Spitze von VW und Audi. So, wie P. ausgepackt hat. Entwicklungsvorstand in Ingolstadt war zu der Zeit, in der die ersten Weichen für den Diesel-Betrug gestellt wurden, in Personalunion Vorstandschef Martin Winterkorn.