Dieselprozess: Gericht stellt Verfahren gegen Audianer aus Neckarsulm ein
Im Dieselbetrugsprozess gegen den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler hat das Landgericht München das Verfahren gegen einen der drei Mitangeklagten am Dienstag vorläufig eingestellt. Dabei handelt es sich um den Chemiker Henning L. vom Audi-Standort Neckarsulm. Er ist Kronzeuge im Prozess und hat umfassend ausgesagt.

Nach bisherigem Ergebnis der zweieinhalbjährigen Beweisaufnahme im Dieselprozess hatte Henning L. mit zwei mitangeklagten Vorgesetzten die Ausgestaltung der Betrugssoftware veranlasst, mit der Motoren die Stickoxid-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand einhielten, aber auf der Straße die Abgasreinigung drosselten.
L.s direkter Vorgesetzter Giovanni P. legte am Dienstag ein vollständiges Geständnis ab. Er gestehe, «dass er bei seinem Tun im Zusammenhang mit Abschalteinrichtungen die Einsicht hatte, dass diese nicht gesetzeskonform sein könnten», ließ er seinen Verteidiger vortragen. Das sei ein komplettes Geständnis, betonte der Anwalt.
Henning L. war einst für die Abgasnachbehandlung in der Neckarsulmer Dieselmotoren-Entwicklung zuständig und saß als einziger der vier Angeklagten nicht in Untersuchungshaft. Der Chemiker ist Kronzeuge, der im Rahmen der Ermittlungen und während des Prozesses umfassend ausgesagt hat.
L. zeigte die Entstehungsgeschichte des Betrugs auf, geprägt von einem engen Zeitrahmen für die Entwickler, verbunden mit Druck und Vorgaben von oben. Das Geschehen geht bis auf die Zeit zwischen 2006 und 2008 zurück. 2007 habe es die "Erfindung" zweier Betriebsarten bei der Abgasnachbehandlung gegeben, so L..
Im sogenannten Speichermodus wurde permanent die Harnstofflösung Adblue zugeführt, die Stickoxidreduzierung erfolgte damit korrekt (größer 90 Prozent), eine Mengendeckelung war nicht möglich.
Neckarsulmer Audianer gilt vielen als Aufklärer
Ideal für den Testzyklus auf dem Rollenprüfstand - maßgeblich für Abgaszertifizierungen. Im Onlinemodus hingegen konnte der Adblue-Verbrauch heruntergeregelt werden, die Effizienz bei der Stickstoffreduzierung lag nur bei 30 bis 70 Prozent. "Das war eine Bombe, die wir den Chefs untergeschoben haben", trug Henning L. bereits im November 2020 vor Gericht vor.
Die Einführung der Abschaltvorrichtung sei "schleichend erfolgt" und zeitlich nicht mehr nachvollziehbar. Konkret als Urheber beschuldigen wollte Chemiker L. auf Nachfrage des Gerichts niemanden. Dennoch gilt der Neckarsulmer Audianer vielen als Aufklärer. Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklageschrift die Rolle von L. bei der Aufklärung hervorgehoben. Daher erfolgte wohl nun auch die Einstellung des Verfahrens.
Das Gericht hatte P., Stadler und dem mitangeklagten ehemaligen Leiter der Audi-Motorenentwicklung Wolfgang Hatz bei vollen Geständnissen eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Stadler und Hatz sollen sich bis zum 25. April dazu äußern, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Weickert. Hatz und Stadler bestreiten bislang jede Schuld.