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Die Welt in der Streichholzschachtel

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Richard Wetzel aus Heilbronn stellt seit mehr als 20 Jahren kleine Panoramen her

Von unserem Redakteur Heiko Fritze

 Foto: Berger

Vieles ist er in seinem Leben schon gewesen: Werkzeugmechaniker, Maschinenbautechniker, Ingenieur, Gymnasiallehrer, Kunststudent. Eines ist er aber stets geblieben: ein kreativer Kopf. Einer, der so viele Ideen hat, dass es ihm eher an Zeit als an Projekten mangelt. Es hat den Anschein, als ob Richard Wetzel das sogar genießt. Schmunzelnd nimmt er auf dem Stuhl in seinem Arbeitszimmer Platz, steht aber immer wieder auf, zieht da ein Modell hervor, greift dort nach einer Vorlage. Zwar passt alles, was er in seinem Unternehmerleben bislang herstellen ließ, problemlos in einen Schuhkarton − doch gerade das macht es so faszinierend.

 Foto: Berger
Angefangen hat es einst mit seinen beiden Töchtern. Für sie baute Richard Wetzel ein Puppenhaus − und fertigte die Möbel aus gestanzten Pappteilen. Da er ohnehin an einem Stand auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt mitwirkte, nahm er seine Artikel auch dorthin mit. "Ich sah es als Möglichkeit zu prüfen, ob Dinge, die man selber macht, auch andere interessieren." Das war der Fall − "am Ende konnte ich gar nicht alle Bestellungen abarbeiten". Zumal der Techniker nicht nur mit Pappmöbeln antrat, sondern auch kleine Drahtmodelle im Angebot hatte, bei denen sich vieles bewegte und drehte. "Gewöhnliche Getriebetechnik", meint der Ingenieur lapidar. Doch faszinierend genug, um für reichlich Umsatz zu sorgen.

 Foto: Berger
Irgendwann wurde es ihm aber doch zu viel. Stattdessen bastelte er an den ersten Papptheaterchen. "Ich nahm eines der ersten mit zum Sohn von Bekannten, und wir spielten zusammen Kasperle." Noch heute leuchten seine Augen. Anderen eine Freude machen, sehen, dass die Dinge gefallen − das ist die größte Energiequelle für den umtriebigen Tüftler, der längst im Ruhestandsalter ist.

1990 startete dann seine eigene Firma Rics Company. Erst im Nebenberuf, bald aber in Vollzeit. Aus den ersten Theaterchen wurden rasch mehrere Serien mit mittlerweile 30 Motiven, aus den verschiedenen Formaten ein einheitliches − jenes der Streichholzschachtel. Wobei hier nicht etwa gebrauchte Schachteln beklebt werden − alles wird gedruckt, dann gestanzt und verpackt. Nur die Einschübe kauft Wetzel zu.

Kunstakademie

Wer seine Artikel erstmals sieht, kann gar nicht glauben, dass es so etwas gibt: Richtige kleine Welten entstehen da, von Märchen wie Hänsel und Gretel oder Frau Holle, von Städten wie Frankfurt, Köln oder Ulm, von Ländern oder Themenwelten wie der Arche Noah, einem Zoo oder einem Zirkus. Vier bis fünf neue Motive schafft Richard Wetzel jedes Jahr. "Und alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, hilft mir dabei." Auch das Studium an der Kunstakademie war sehr nützlich − Schachteln und Inhalt gestaltet er ausschließlich selbst.

Umtriebiger, kreativer Tüftler: Richard Wetzel aus Heilbronn.
Mario Berger
Umtriebiger, kreativer Tüftler: Richard Wetzel aus Heilbronn. Mario Berger  Foto: Berger
Rasch geht so etwas aber nicht. "Ich muss mich erst einmal in ein Thema reinfinden", erläutert Richard Wetzel. Wenn es etwa um die Schweiz gehen soll, muss ja ein Panorama gestaltet werden: das Matterhorn in den Hintergrund, klar. Genf an die Seite, Bern in die Mitte, dann Zürich, Basel, Heidi, Schweizer Messer, Kräuterbonbons und Käse − alles komponiert er, ordnet es geographisch korrekt an. Und das so klein, dass die an die 30 einzelnen Elemente in das Schächtelchen passen, sich zur Szenerie zusammenstecken lassen und von jedem, der sich ein bisschen auskennt, zu erkennen sind − außerdem ist alles nochmals in der Bastelanleitung beschrieben. "Das Besondere ist, dass man in solch eine Kleinheit solch eine Größe bringen kann", sagt Richard Wetzel. Und schmunzelt zufrieden.

Gerade Stadtansichten sind aber nicht einfach, erzählt er. "Ich habe mich bei Hamburg zum Beispiel lange damit abgeplagt, wie ich die Binnenalster einfügen soll." Letztlich ist es ihm gelungen, sie hat ihren Platz zwischen Michel, Hafen, Hagenbeck und Speicherstadt gefunden. Wegen solch langer Entwurfsphasen kommen viele Wünsche erst einmal auf die lange Liste − Tokio etwa oder Barcelona oder Saarbrücken.

 Foto: Berger
Kunden

Ein Drittel seiner Produktion geht inzwischen in den Export, nach Großbritannien, in die Schweiz, nach Japan. Die Kunden kommen aus der Geschenke- und Souvenierbranche, aus dem Spielwarenhandel und der Museumswelt. Dabei ist Wetzel klar, dass seine Produkte nicht einfach zu verkaufen sind. "Der Kunde will ein Gespräch haben, weil er nicht glaubt, was er da sieht." Und der Geschäftsinhaber müsse offen für Neues sein, experimentierfreudig, mit Herzblut bei der Sache − "auf solche Geschäfte bin ich angewiesen". Schließlich werden von jeder Schachtel je Auflage fünfstellige Anzahlen hergestellt.

Wetzel könnte noch lange weitermachen. "Ideen habe ich ohne Ende." Aber er sucht nun nach einem Nachfolger, der das Unternehmen hinter dem kreativen Kopf weiterführen möchte. Einige Gespräche laufen schon. Schließlich sollen auch noch Tokio, Barcelona und Saarbrücken in die Schachteln gepackt werden.

   
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