„Wir können nicht rückwärts in die Zukunft gehen"
LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer erklärt beim Gästeabend der BW-Bank Heilbronn, was sich in Deutschland dringend ändern muss. Und warum Donald Trump seinen Höhepunkt überschritten haben könnte.

Schwere Kost beim Gästeabend der BW-Bank. Das bezieht sich nicht auf das wie immer vorzügliche Essen in Rauers Guter Stube in Untereisesheim, sondern auf die harten Wahrheiten, die Moritz Kraemer den versammelten Unternehmern als Vorspeise servierte. Kraemer ist Chefvolkswirt der BW-Bank-Mutter LBBW und in dieser Funktion dafür bekannt, dass er Klartext redet.
Kraemer: Die deutsche Industrie hat den Wandel verschlafen
Das tut er auch beim 49. Gästeabend der BW-Bank Heilbronn. Seine Analyse der wirtschaftlichen, geopolitischen und innenpolitischen Situation ist schonungslos, aber zugleich lösungsorientiert. Kraemer hat eine besonders für Baden-Württemberger schmerzhafte Botschaft im Gepäck. „Wir werden nie mehr Exportweltmeister sein“, sagt er. Man müsse endlich aufhören, sich nach alten Zuständen zu sehnen, die so nicht mehr eintreten würden.
Denn die deutsche Industrie – und auch die besonders exportorientierte baden-württembergische Wirtschaft – habe es in all den Jahren, in denen es exzellent lief, verpasst, seine Produkte und Geschäftsmodelle an die sich verändernden Zeiten anzupassen. „Wir sind Weltmarktführer der Produkte des 20. Jahrhunderts“, sagt Kraemer. Dabei hätten wir alle Möglichkeiten, den Wandel erfolgreich zu gestalten. „Klimatechnologie könnte in Zukunft das sein, was die Automobilbranche im 20. Jahrhundert war“, zeigt er eine Perspektive auf. „Ich sehe keinen Grund, warum das nicht gehen sollte.“
Die KI-Stadt Heilbronn macht Hoffnung auf eine bessere Zukunft
Doch große Teile von Politik und Wirtschaft wollten am Althergebrachten festhalten, was nicht funktionieren werde. „Wir können nicht rückwärts in die Zukunft gehen“, zitiert er seinen Kollegen Moritz Schularick vom Kiel Institut für Weltwirtschaft. „Wir müssen uns umdrehen und die Zukunft umarmen“, fordert der LBBW-Chefvolkswirt. „Wir haben sehr viel aufzuholen.“ Daher müssten junge, moderne Unternehmen und Technologien gefördert werden statt an alten Industrien ohne Perspektive festzuhalten. Heilbronn mit seiner Fokussierung auf Künstliche Intelligenz nennt Kraemer hier als Vorbild und Hoffnungsschimmer. „Solche Leuchttürme wirken ansteckend.“
Gleichwohl glaubt Kraemer nicht, dass Deutschland bald die Kurve kriegt. „Die Rezession wird weitergehen, der Schmerz ist noch nicht ausgestanden“, lautet seine düstere Prognose für die deutsche Volkswirtschaft. Das liegt ihm zufolge auch an der Bundesregierung, die große Teile des Sondervermögens nicht wie vorgesehen für Investitionen nutze, sondern für teure Wahlgeschenke wie die Pendlerpauschale, die Mütterrente, die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie oder die Subventionen für Agrardiesel.
Trumps Handelspolitik schadet auch den Amerikanern
Sorgen bereiten dem Ökonomen auch die weltweit steigende Staatsverschuldung. Vor allem die USA lebten deutlich über ihre Verhältnisse, die Rekordverschuldung der Amerikaner könnte zur nächsten großen Finanzkrise führen, fürchtet Kraemer. Etwas Hoffnung verbreitet der Chefvolkswirt dann aber doch. „Wir haben den Peak Trump vielleicht schon gesehen“, sagt Kraemer mit Blick auf die schlechten Umfragewerte des US-Präsidenten und die schwache wirtschaftliche Entwicklung. Trumps erratische Zoll- und Handelspolitik schade auch den Amerikanern, die das irgendwann merken würden. „Und die Amerikaner wählen immer mit dem Geldbeutel“, so der Ökonom.
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