Warum der Wasserweg gerade für Schwertransporte Vorteile bietet
Keine langen Genehmigungsverfahren und mehr Kapazität: Experten werben in Heilbronn für eine Renaissance der Wasserstraßen. Doch beim Ausbau hinkt ausgerechnet der Neckar hinterher.

Ein Foto reicht – und schon weiß an diesem Vormittag jeder im Saal, was die Spedition Kübler macht. Teamleiter Thorge Clever zeigt zur Einleitung seines Vortrags ein U-Boot. „Wir sind die, die vier Wochen lang mit dem U-Boot durch den Kraichgau getourt sind.“ Begleitet wurde der Koloss auf seiner Reise von Haßmersheim nach Sinsheim ins Technikmuseum über die Lande und durch enge Gassen von tausenden Schaulustigen und Medien.
Der Transport über die Straße sei sehr medienwirksam gewesen, sagt Clever. Dass der Koloss aber seinen weitaus größeren Weg – von Kiel zur Zwischenlagerung nach Speyer und später über den Neckar nach Haßmersheim – auf Wasserstraßen zurückgelegt hat, „das hat keiner wahrgenommen“, sagt der Experte für Schwertransporte. Um die geht es an diesem Vormittag im Saal der Industrie- und Handelskammer in Heilbronn. Und das enorme Potenzial der Wasserwege für den Groß- und Schwerlasttransport.
Schwerlasttransporte: Warum Wasserwege oft unterschätzt werden
Während der Transport eines 300 Tonnen schweren Transformators, der in Zeiten der Energiewende gerade an allen Ecken und Enden gebraucht wird, auf der Straße großes Aufsehen erregt, ist das auf dem Wasser anders: „In einem Binnenschiff können sie drei Transformatoren gleichzeitig fahren – und keiner merkt’s“, sagt Thorge Clever den rund 100 Gästen aus Politik und Wirtschaft.
Und auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wirbt für den Wasserweg. „Ich sehe da schon ein großes Potenzial, weil es viele Probleme löst, die man hat, wenn man auf der Straße mitten durch Dörfer fahren muss und durch Engstellen und über Brücken, die vielleicht nicht mehr tragfähig genug sind“, sagt er. „Da hat man Vorteile, das ist heute gut klar geworden.“
Marode Neckarschleusen bremsen die Logistik im Südwesten aus
Der größte Vorteil: Der Transport per Schiff ist komplett genehmigungsfrei. Und Kapazitäten seien noch reichlich vorhanden. Auch auf dem Neckar, der hauptsächlich baden-württembergischen Wasserstraße. Problem beim Neckar: Er ist nicht gut ausgebaut. „Da fehlt es an modernen ausgebauten Schleusen, die Technik ist zum Teil noch aus der Kaiserzeit“, kritisiert Mario Klein, Federführer Verkehr des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags.

In der vergangenen Woche war aus dem Landes-Verkehrsministerium bekannt geworden, dass aus dem von der Bundesregierung aufgelegten Sondervermögen Infrastruktur keine Mittel in die Sanierung sowie Erweiterung der Neckarschleusen fließen würde. Das sorgte bei der IHK Heilbronn-Franken für Unverständnis. „Seit Jahren werden Ausbau und Modernisierung der Neckarschleusen hinausgezögert“, sagte Hauptgeschäftsführerin Elke Döring. Sie sieht in der Absage einen weiteren Rückschlag für die notwendige Erneuerung der Wasserinfrastruktur.
Region fordert Modernisierung: Kritik an Bund und fehlenden Investitionen
„Während eine Erweiterung der Schleusen für moderne 135-Meter-Schiffe politisch begraben wurde, kommt auch die Modernisierung der Schleusen für kleinere Schiffe viel zu langsam voran.“ Als eine starke Wirtschaftsregion sei Heilbronn-Franken auf eine zukunftsfähige Infrastruktur angewiesen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu sichern. Hermann versprach, nicht locker zu lassen, verwies aber auf den Bund.
Der Neckar sei eine Bundeswasserstraße, „als Land treten wir das als Bittsteller und Mahner auf“, sagte er. Es habe sogar schon einen Vertrag für die Sanierung gegeben – den aber hatte der Bund unter Ex-Verkehrsminister Volker Wissing einfach aufgekündigt. „Wir werden der neuen Regierung aber noch einmal deutlich sagen, dass es endlich Zeit ist“, sagte Hermann. Sonst funktioniere die Schifffahrt bald nicht mehr, das wäre ein großer Schaden.
Der Neckar braucht eine starke Lobby und schnelle Entscheidungen
Es seien aber dicke Bretter zu bohren, weiß auch Mario Klein, dessen zwei Vorgänger mit dem Problem schon zu schaffen hatten. Das Problem im Vergleich beispielsweise zur Mosel, die sich über mehrere Länder erstreckt: „Der Neckar ist eine ausschließlich baden-württembergische Wasserstraße, da müssen wir erst noch eine bessere Lobby aufbauen.“ Für sein Ministerium sieht Hermann rund um Wasserwege aber auch andere Handlungsfelder.
Zum Beispiel Häfen zu unterstützen. „Da fördern wir den Hafen als Umschlagsplatz, als multimodales Terminal.“ Und auf der anderen Seite müssten Behörden und Nutzer enger zusammenarbeiten, Genehmigungen schneller erteilen, wenn es dann doch über die Straße gehen muss. Denn auch das zeigten die Beispiele von Thorge Clever von der Spedition Kübler: Irgendwie muss die Schwerlast-Ware wie das U-Boot auch zu den Häfen oder zu ihrem Bestimmungsort kommen: Das geht nur über Straße und Schiene.
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