Warum kaum einer den deutschen Strommarkt in Zonen aufteilen will
Gutachter haben den deutschen Strommarkt analysiert. Sie schlagen die Aufteilung in bis zu fünf Zonen vor, damit Verbraucher von sinkenden Preisen profitieren. Doch dagegen wehren sich Verbände und Organisationen.
Als sich am Nachmittag einer der Autoren und weitere Wissenschaftler in einem Pressegespräch stellen, wissen sie schon, dass sie auf viel Widerstand gestoßen sind. Beinahe im Minutentakt gehen Statements von Verbänden und Unternehmen ein, auch die Bundespolitik hat sich da bereits geäußert. Tenor: einhellige Ablehnung. Eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wird weder von der designierten Regierung noch von der Wirtschaft gewünscht.
Studie im Auftrag der EU-Kommission sieht Vorteile für Stromkunden
Dabei verheißt die Studie im Auftrag der EU-Kommission, erstellt vom europäischen Netzbetreiberverband Entso-E, offenbar Vorteile für die Stromkunden: Eine Teilung der sich bislang über ganz Deutschland und Luxemburg erstreckenden Strompreiszone in fünf kleine Zonen ergäbe die höchste wirtschaftliche Effizienz mit Kostenvorteilen von 339 Millionen Euro. Die Autoren verweisen jedoch ausdrücklich auf große Unsicherheiten der Annahmen, veraltete Daten und das Nicht-Betrachten einiger Aspekte in der Analyse. Und sie geben zu bedenken, dass manche Verbraucher durch eine Aufteilung möglicherweise mehr zahlen müssten.

Professor warnt: Der Strombedarf wird deutlich steigen
Martin Bichler ist einer der Autoren – und der IT-Professor von der Technischen Universität München hält an den Vorteilen einer Aufteilung fest. So habe sich im Laufe der Untersuchung gezeigt, dass sich andernfalls bis 2030 das sogenannte Redispatch-Volumen versechsfachen könnte – dass also sechsmal so häufig zusätzliche Strommengen benötigt würden, um das deutsche Stromnetz stabil zu halten.
Je kleiner die Strompreiszonen, umso größer würden die Preisvorteile für die Verbraucher, sagt er. Der Privatnutzer merke zwar bei drei bis vier Cent je Kilowattstunde nicht viel davon auf seiner Rechnung, Großverbraucher wie Stahlwerke oder Chemiebetriebe hingegen schon. Schließlich werde mit deutlich höherem Strombedarf gerechnet – wegen Wärmepumpen, E-Mobilität, Elektrolyseuren und mehr Rechenzentren dürfte der Verbrauch in Deutschland von 525 Terawattstunden im Jahr 2022 auf 750 Terawattstunden steigen.
„So schnell können wir das Netz gar nicht ausbauen“, warnt Bichler. Und eine Aufspaltung von Strompreiszonen sei für Deutschland auch nichts Neues: 2018 sei Österreich in eine eigene Zone überführt worden, damals habe sich keiner darüber aufgeregt.
Transnet-BW-Chef: „Die Energiewende erfordert Solidarität“
Das ist jetzt anders. Widerstand kommt von allen Seiten, von der Wirtschaft über Netzbetreiber bis zu Windkraftbetreibern. So schreibt etwa Werner Götz, Chef des Netzbetreibers Transnet-BW, auf Linkedin: „Ich halte eine Aufteilung für den falschen Weg. Die prognostizierten Wohlfahrtsgewinne sind verhältnismäßig gering und berücksichtigen nicht die erheblichen Kosten einer Umsetzung. Die Energiewende erfordert Solidarität – eine Gewinner-und-Verlierer-Diskussion ist da kontraproduktiv. Ein beschleunigter Netzausbau ist der effektivere Hebel, um Engpässe zu reduzieren.“ Ein Split würde nur wertvolle Zeit kosten. Und ein Anstieg des Strompreises in Süddeutschland könnte der letzte Anstoß sein, um Firmen ins Ausland zu treiben, warnt er.
Landes-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) lehnt eine Spaltung ebenso ab. „Der Vorschlag einer Teilung Deutschlands in unterschiedliche Stromgebotszonen ist nicht akzeptabel. In diesen herausfordernden Zeiten mit globalen Herausforderungen müssen steigende Strompreise und weitere Unsicherheiten unbedingt verhindert werden.“
Experte: Teilung der Stromgebotszone wäre „Operation am offenen Herzen“
Matthias Zelinger, Energiebeauftragter des Maschinenbau-Verbands VDMA, warnt: „Eine Teilung der deutschen Stromgebotszone wäre eine Operation am offenen Herzen.“ Landes-Umweltministerin Thekla Walker sieht das Ergebnis als Bestätigung einer von ihr im vorigen Jahr beauftragten Studie: „Die Wohlfahrtseffekte einer Gebotszonenteilung sind sehr gering. Daher überwiegen negative Auswirkungen wie Transaktionskosten und Verlust der Marktliquidität.“