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Razzia bei Kaufland und Netto

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Möckmühl - Die Handelsunternehmen Kaufland und Netto sollen in ihren Logistikzentren Kommissionierer und Staplerfahrer eingesetzt haben, deren Werkverträge nach Einschätzung der Behörden unwirksam sind.

Von unserem Redakteur Manfred Stockburger

Um die Bezahlung von Staplerfahrern im Kaufland-Logistikzentrum − hier ein Archivbild aus dem Jahr 2005 − geht es bei den Zoll-Ermittlungen. Foto: Kugler
Um die Bezahlung von Staplerfahrern im Kaufland-Logistikzentrum − hier ein Archivbild aus dem Jahr 2005 − geht es bei den Zoll-Ermittlungen. Foto: Kugler

Möckmühl - Die Handelsunternehmen Kaufland und Netto sollen in ihren Logistikzentren Kommissionierer und Staplerfahrer eingesetzt haben, deren Werkverträge nach Einschätzung der Behörden unwirksam sind. Mit mehr als 450 Beamten hat der Zoll deswegen gestern die Kaufland-Logistikzentren in Möckmühl, Dortmund und Donnersdorf sowie vier Warenverteilzentren des zu Edeka gehörenden Discounters Netto durchsucht.

Keine Zahlen Bestätigt sich diese Einschätzung, dann haben die Unternehmen gegen Gesetze im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung verstoßen, die Tariflöhne erheblich unterschritten und Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen. Der Zoll machte keine Angaben, um wie viele Beschäftigte es geht: Man befinde sich noch im laufenden Ermittlungsverfahren. Bis die umfangreichen Materialien ausgewertet sind, würden wohl mehrere Monate ins Land ziehen.

Sowohl die Neckarsulmer Schwarz-Gruppe als Kaufland-Mutter als auch das Edeka-Tochterunternehmen Netto haben die Durchsuchungen auf Anfrage der Heilbronner Stimme bestätigt. Darüber hinaus hat der Zoll auf der Basis von gut 60 richterlichen Genehmigungen auch Dienstleister durchsucht, die für die beiden Firmen tätig sind.

Bei den Ermittlungen geht es um die Frage, ob die Voraussetzung für einen Werkvertrag gegeben sind: Im Gegensatz zur klassischen Leiharbeit stellt der Lieferant dabei nicht Mitarbeiter zur Verfügung, deren Arbeitszeit nach Stunden abgerechnet wird, sondern übernimmt in Eigenregie eine Dienstleistung, die etwa nach Stückzahl abgerechnet wird. Was die Bezahlung angeht, gelten für Werkverträgler weniger strenge Regeln als für normale Zeitarbeiter. Sie dürfen aber nur bedingt in die Abläufe des Kunden integriert werden und im Gegensatz zu Zeitarbeitern keine Anweisungen direkt vom Kunden erhalten.

Liegt ein Schein-Werkvertrag vor, dann müssen die Betroffenen nach den erheblich höheren Tarifen des Auftraggeberbetriebs bezahlt werden. Um diese Differenz geht es in dem Verfahren.

"Wir arbeiten mit dem Zoll kooperativ zusammen und unterstützen ihn umfänglich", heißt es bei Kaufland. Die Dienstleister in den Logistizentren seien alle geprüft. "Die Zusammenarbeit basiert auf der Einhaltung aller einschlägigen Gesetze." Im Sommer 2010 hatte Kaufland einen Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt, der seit März 2011 auch für alle Werkverträgler gilt.

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Kommentare

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am 25.01.2012 09:01 Uhr

Gerade in den Fleischwerken, in denen Leihfirmen und Kolonnen aus osteuropäischen Ländern eingesetzt worden sind, wurden bereits mehrmals sehr genaue Kontrollen (vollständige Kontrollen mit sehr hohem Personalaufwand) durch die zuständigen Behörden durchgeführt. Auch hinsichtlich des Lohnniveaus wurden diese sehr genau überprüft.
Es ist richtig grosse Unternehmen, die mit Leifirmen auch Subunternehmern zusammenarbeiten, genau und regelmässig zu kontrollieren.
Nicht richtig ist vorzeitig pauschal negativ zu urteilen und auf schnelle Medienschlagzeilen aufzuspringen.
Sollten Verstösse aufgedeckt werden, wird dies sicherlich seine berechtigten Schlagzeilen machen.

Schon zu oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass aus mancher Unzufriedenheit einzelner Beschäftigter unberechtigte Negativschlagzeilen entstanden sind.

Arbeitnehmer zu vertreten ist etwas anderes als auf Schlagzeilen ohne wirkliche Begründung aufzuspringen.
Trotz jahrzehntelanger Gewerkschaftszugehörigkeit und entsprechender Funktionen, ist regelmässig bzuwägen inwieweit Arbeitnehmerforderungen noch vertretbar sein können und wo überzogen wird.
Denn Blick für berechtigte und legale Arbeitgeberinteressen dabei zu verlieren, wäre ebenfalls verheerend und könnte erheblichen Schaden für Arbeitnehmer anrichten.
Persönlich lehne ich heutige an der Grenze zur Legalität arbeitende Subunternehmer, Franchise-Ausbeutung/Vortäuschung und viele der dubiosen Leihfirmen ab.
Es gibt auch anständige Leihfirmen, die zumindest als Puffer gegen höhere Arbeitslosigkeit wirken kann.

Fest eingestelltes Betriebspersonal mit entsprechendem Arbeitsschutz und deren Identifizierung mit ihrem Betrieb war ein Markenzeichen unserer Arbeitgeber und sorgte für gesunde Unternehmen und deren Erfolg.
Hire and Fire und eine regelrechte Versklavung der um ihren Arbeitsplatz bangenden Arbeitnehmer kann nur kurzfrist Erfolg bringen. Dieser Systemwechsel kam aus dem neoliberalen Kapitalismus, dem Rautierkapitalismus, der angloamerikanischen Vorreiter.
Obwohl hier nicht die SPD, sondern Lambsdorff, seitens der Wirtschaft Stihl und Hundt, die Wegbereiter waren, war die Fehlbesetzung eines Clement in der Schröderregierung ein grosser Türöffner für diese Aufweichung unseres zuvor sozialen Arbeitsmarktes.
Hörte ich das letzte Interview des US-Präsidenten bezüglich Verarmung und Einkommen von Arbeitnehmern, besteht zumindets ein Fünkchen Hoffnung, dass Politiker Ursachen begreifen können. Allein mir fehlt der Glaube, dass die Mächtigen, rein vom Kapital Abhängigen ohne soziales Gewissen und Verantwortungsgefühl für "niedrigere Schichten",
in mehr soziales Verhalten umlenken werden.
Die Gürtel-enger-schnallen-Politik allein für die kleinen Leute von unseren Regierungen zeugt vom Widersinn derer Wirtschaftspolitik.

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am 24.01.2012 23:18 Uhr

Bisher wurde nur eine Untersuchung vor Ort gemacht.

Die Unschuldsvermutung kennen Sie wohl nicht oder?

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Peter Henschel am 25.01.2012 18:17 Uhr

und weiß daher, formal hat alles erstmal seine Ordnung. Die wenigsten auftraggebenden Firmen für Werkverträge überprüft tatsächlich, ob der Mindestlohn ohne Abzug bei den betreffenden MitarbeiterInnen ankommt und können sich somit rein juristisch rausreden, da betreffender Subunternehmer dann die Verantwortung trägt!

Deswegen habe ich auch oben von legalen Trick geschrieben sowie, dass es auch seriöse Zeitarbeitsfirmen gibt.

Auch hier haben wir eben die andere Medaillie, welche immer gerne und generell ignoriert wird, da es nicht so schön in die veröffentlichte Meinung passt!

Ein Wunder, daß die Stimme hier immer noch die Kommentarfunktion aktiv hat, vor dem bekannten lokalen Hintergrund zu diesem Thema, weshalb im Lokalbereich hier die Kommentarfunktion fehlt!

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Peter Henschel am 24.01.2012 22:18 Uhr

Es ist erschreckend wie immer wieder existenzsichernde und vereinbarte Mindestlöhne über den legalen Trick mit Werkverträgen ausgehebelt wird und offensichtlich nicht im ausreichend Maße sichergestellt wird, seitens Auftraggeber, dass auch Euro 8,50 pro Stunde real beim MitarbeiterIn ankommen, ohne irgendwelche Pseudoabzüge und dergleichen mehr.

Wohlgemerkt es trifft nicht generell auf betreffenden Subunternehmer zu!

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