Lidl, Kaufland oder Rewe: Warum es Rabatte immer häufiger nur in der App gibt
Vor allem im Lebensmittel-Einzelhandel gibt es Waren oft nur noch günstiger, wenn der Kunde die App des Unternehmens nutzt. Ein Heilbronner DHBW-Professor sieht dafür mehrere Gründe.
Manchmal muss man schon genau auf die Preisschilder schauen. Doch spätestens an der Kasse merkt es jeder Kunde: Immer häufiger kommt es bei den großen Ketten des Lebensmittel-Einzelhandels vor, dass Angebote nur für jene Käufer gelten, die auch die App des jeweiligen Unternehmens nutzen. Manchmal bekommen sie auch mehr Rabatt als jene, die sie nicht auf ihrem Smartphone installiert haben.
Für den Heilbronner Handels-Experten Carsten Kortum, Professor und Studiengangsleiter BWL-Handel an der DHBW Heilbronn, ist dies ein Trend, der in diesem Jahr erstmals so richtig auffällig geworden ist. Erst Ende Oktober hat er mit seinem Kollegen Michael Mann dem Phänomen einen Eintrag im Handels-Blog der DHBW gewidmet - Titel: „Preispromotions nur noch gegen Daten?“
Warum es bei Lidl, Kaufland und Co. immer häufiger Rabatte nur in der App gibt: unsichtbare Schallmauer bei 40 Prozent
Hinter dem Phänomen steckt nach Ansicht des Professors ein zentraler Beweggrund : „Es besteht derzeit eine Art unsichtbare Schallmauer bei der App-Nutzung: Höchstens 40 Prozent der Kunden haben sie.“ Das zeige sich anhand mehrerer Statistiken. So meldete etwa das Portal Statista im August, dass 37 Prozent der Kunden von Lidl deren App installiert hatte, auch die Apps der Einzelhandelsketten Rewe, Kaufland, Edeka, dm und Rossmann seien von mehr als 25 Prozent der Verbraucher auf einem Smartphone installiert gewesen. Aber während in den vergangenen Jahren das Wachstum bei den Downloads noch einfach war, zunächst, weil die App neu war, anschließend, weil es immer mehr zusätzliche Funktionen gab, stößt die Steigerung nun offensichtlich an eine Grenze, erklärt Kortum: „Die Mehrheit der Kunden ist nicht bereit, ihre Daten herzugeben.“
Zwar hätten auch viele Senioren inzwischen ein Smartphone, und der Erfolg der App steige, wenn sie eine einfache Menüführung biete. Doch nun gehe es darum, weitere Kunden zur Nutzung zu bringen. Der DHBW-Professor macht dafür sogenannte Eckartikel aus: jene Produkte, die auf der ersten Seite des gedruckten Prospekts, in Anzeigen in Tageszeitungen oder auf der Startseite der Homepage beworben werden. Das sind Kernartikel wie zum Beispiel Kaffee, Sekt oder Bier, Pizza, Salat oder Butter. Für App-Nutzer gebe es dann nochmals einen Extra-Nachlass. „Damit ist die Hoffnung verbunden, dass sich die Leute überwinden und sie downloaden.“
Einkaufs-Rabatte mit der App: Wenn der Kasten Bier bei dem einen zehn, bei dem anderen 13 Euro kostet
Dabei sei auch den Handelsunternehmen klar: „Die meisten Kunden kaufen hybrid ein.“ Also in verschiedenen Geschäften, je nach Bedarf oder an welcher Filiale sie gerade vorbeikommen. Eine Strategie könne künftig sein, mit individualisierten Angeboten zu locken. Dank Künstlicher Intelligenz ließen sich nicht nur Milliarden Einkaufsdaten auswerten, sondern auch Vorlieben der einzelnen Kunden abschätzen - und passende Angebote unterbreiten, die auch nur in der App erscheinen und an der Kasse abgerechnet werden.
„Da könnte man auch die unterschiedlichen Preisbereitschaften ausnutzen“, meint der Professor: Die einen griffen erst zu, wenn der Kasten Bier für zehn Euro im Angebot ist, die anderen auch noch bei 13 Euro. Künftig könne das eine KI-basierte App berücksichtigen.
Steuerung über die Apps: Mehr als die Hälfte der Lebensmittel-Einkäufe wird vorab geplant
220 mal pro Jahr gehe der Deutsche in den Lebensmittel-Einzelhandel - da sei es auch das klare Ziel, über die App eine hohe Wiedereinkäufer-Quote zu erreichen, erläutert Carsten Kortum. Mehr als die Hälfte dieser Einkäufe werde schließlich vorab geplant. „Bei Impulseinkäufen lässt sich hingegen nur wenig über Apps steuern.“
Allerdings - ganz von Preisnachlässen für alle wird sich der Handel auch nicht verabschieden, erwartet der Handelsexperte. „Das kann sich kein Unternehmen erlauben. Stand jetzt würde es die Mehrheit seiner Kunden ausschließen und verprellen.“