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Manfred Grab: Heilbronn wird gestärkt aus der Krise hervorgehen

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Ende des Monats verabschiedet sich Manfred Grab, Leiter der Arbeitsagentur Heilbronn, in den Ruhestand. Im Gespräch mit der Heilbronner Stimme zieht er Bilanz.

Manfred Grab leitete die Arbeitsagentur Heilbronn seit Juli 2021.
Manfred Grab leitete die Arbeitsagentur Heilbronn seit Juli 2021.  Foto: Arbeitsagentur Heilbronn

Sie gehen nach vier Jahren an der Spitze der Arbeitsagentur Heilbronn Ende August in den Ruhestand. Wie blicken Sie diesem Moment entgegen?

Manfred Grab: Es ist eine ganz komische Gefühlslage. Auf der einen Seite ist es der Tag, auf den man hinarbeitet. Auf der anderen Seite ist es ein endgültiger Abschied. Man hat ja im Berufsleben immer mal Wechsel – ich war in Ludwigsburg, in Balingen, in Stuttgart, dann in Heilbronn. Aber bisher ging es immer weiter in der Organisation. Jetzt ist klar: Das war es tatsächlich. Ich muss sagen, dass ich immer gerne zur Arbeit gekommen bin und es mir Spaß gemacht hat. Wir sind gerade in einer sehr spannenden Zeit – jetzt zu gehen, ist fast ein bisschen schade. Wir spüren die Transformation jetzt gerade dramatisch. Da wäre es schon spannend, dabei zu sein.

Was werden Sie besonders vermissen?

Grab: Das operative Geschäft. Wir haben in diesem Jahr wie auch im letzten Jahr einen hohen Zugang an Kunden. Da stellt sich die Frage: Wie können wir einen guten Job für die Menschen machen?

Und sonst?

Grab: Ja, die Netzwerkarbeit in Heilbronn. Die Zusammenarbeit mit den Netzwerkpartnern hat mir sehr, sehr gut gefallen. Das ist schon außergewöhnlich hier, dass fast alle an einem Strang ziehen und Interesse daran haben, Heilbronn und die Region voranzubringen.

Wie würden Sie die vier Jahre in der Arbeitsagentur Heilbronn zusammenfassen? Gab es Highlights?

Grab: Ja, das ist unser Versuch, uns gegen die Krise zu stemmen. Wir haben alle gespürt, dass es mit der Automobilwirtschaft schwierig wird. Bei Audi etwa war lange nicht klar: Bekommen sie Elektroautos oder bekommen sie Verbrenner. Dann hatten wir die Situation, dass uns Audi mal kurz vor Weihnachten fast 800 Zeitarbeiter vor die Tür gestellt hat. An solche Dinge werde ich mich sicher erinnern. Auf der anderen Seite haben wir nach dieser Delle, als Audi neue Modelle bekam, gemeinsam mit Audi versucht, das benötigte Personal zu finden. Ein Highlight war auch, dass wir mit dem Projekt Transformotive versucht haben, frühzeitig an die Betriebe ranzugehen und die Arbeitgeber zu beraten. Da haben wir Pionierarbeit geleistet, weil wir schon wussten, was kommt, aber die Betriebe das noch nicht wahrhaben wollten oder konnten.

Auch die Integration geflüchteter Menschen war Ihnen sehr wichtig. Wie fällt hier Ihre Bilanz aus?

Grab: Positiv. Der Jobturbo, den die damalige Bundesregierung initiiert hat, hat hier schon geholfen, weil das Thema medial sichtbarer und bekannter wurde. Ich glaube, da haben wir gute Arbeit geleistet.

Können Sie das mit Zahlen belegen?

Grab: Ja. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist nicht nur im gesamten Agenturbezirk Heilbronn gestiegen, sondern auch bei Ausländern und Geflüchteten. Aktuell haben wir rund 230.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Bezirk. Davon sind 49.300 Ausländer, 1600 Ukrainer und 3500 Asylbewerber aus den acht Hauptherkunftsländern. Uns muss aber klar sein, dass wir bei den Geflüchteten einen langen Atem brauchen.

Warum?

Grab: Man kann einem Ukrainer, der mit wenig Hab und Gut hierher geflüchtet ist, nicht sagen: Du musst morgen arbeiten. Die haben andere Probleme, deshalb muss man diese Menschen erst einmal ankommen lassen. Unseren Ansatz in Deutschland finde ich gut: Erst einmal die Sprache lernen in einem Sprachkurs und dann die Menschen in Arbeit bringen. Das dauert länger, ist aber erfolgversprechender als der Weg, den andere Länder gehen, wo die Geflüchteten sofort arbeiten müssen, egal was. Das sorgt bei uns auch für eine nachhaltigere Integration der Geflüchteten.

Der scheidende Behördenleiter Manfred Grab sieht die Arbeitsagentur Heilbronn gut aufgestellt.
Der scheidende Behördenleiter Manfred Grab sieht die Arbeitsagentur Heilbronn gut aufgestellt.  Foto: Mugler, Dennis

Wie weit ist die Arbeitsagentur Heilbronn bei der Digitalisierung der Prozesse? Wo hakt es noch?

Grab: Wenn wir uns mit anderen Behörden vergleichen, sind wir mit der Digitalisierung ganz weit vorne. Man kann bei uns heute fast alles online machen, ohne einen Fuß in die Agentur zu setzen. Wir hier in der Organisation würden uns wünschen, dass es noch schneller und zuverlässiger geht. Aber die Verbesserungen werden kommen. Wir bekommen beispielsweise demnächst eine Art ChatGPT für die Bundesagentur, also eine eigene KI, in der alle Gesetze, Formulare, Weisungen und so weiter gebündelt sind.

Zuletzt gab es Kritik an der Bundesagentur für Arbeit: Von 101.000 Beschäftigten sind nur 24.500 in der Arbeitsvermittlung tätig. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Grab: Die Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben als Organisation eine Riesenaufgabe. Wir haben ja nicht nur die Arbeitsvermittlung, sondern auch die Leistungsgewährung mit Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld. Und wir haben alle Familienkassen übernommen. Klar kostet unsere Organisation viel Geld. Auf der anderen Seite finanzieren wir uns durch Beiträge und brauchen in der Regel keine Zuschüsse vom Staat. Und der Beratungsanteil hat zugenommen.

Was sind künftig die wichtigsten Aufgaben der Arbeitsagentur Heilbronn?

Grab: Beratung und Qualifizierung werden die wichtigsten Themen bleiben. Gerade hier in Heilbronn, wo wir einen hohen Migrationsanteil haben. Die Transformation geht weiter, im produzierenden Gewerbe werden Jobs wegfallen. Da ist Qualifizierung das A und O – vom Ungelernten bis zum Akademiker.

Wie sehen Sie die Region für die wirtschaftliche Zukunft aufgestellt?

Grab: Ich glaube gut. Die Region wird von der Entwicklung, in der wir uns gerade befinden, profitieren. Das produzierende Gewerbe wird der Verlierer sein. Aber es wird auch Gewinner geben: die Hochschulen, das KI-Ökosystem mit 5000 neuen Arbeitsplätzen und alles, was damit zusammenhängt. Wir werden eine andere Struktur in der Wirtschaft haben, aber die Region Heilbronn wird gestärkt aus dieser Krise herausgehen, davon bin ich überzeugt.

Wie werden Sie den neuen Lebensabschnitt angehen?

Grab: Ich habe keinen Plan. Ich gehe einfach irgendwann nicht mehr zur Arbeit und lasse alles auf mich zukommen. Ich bin gespannt, wo es mich hintreiben wird, ich glaube aber nicht, dass es mir langweilig wird. Ich habe eine Familie mit vier Enkeln, bin im Sportverein als Vorstand aktiv. Ich hoffe, dass ich fit und gesund bleibe. Ich fahre gerne Rad, treibe insgesamt gerne Sport. Die Tage werden ausgefüllt sein.

Zur Person: Manfred Grab wurde 1960 in Schelklingen (Alb-Donau-Kreis) geboren. Seit 1977 ist er für die Bundesagentur für Arbeit tätig. Von 1977 bis 1980 absolvierte er eine Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsförderung, von 1983 bis 1986 machte er ein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt. Seit Juli 2021 ist Grab Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Heilbronn. Er wohnt mit seiner Familie in Affalterbach.

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Kommentare

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am 28.08.2025 21:45 Uhr

Ich freue mich für Herrn Grab über seine wohlverdienten Ruhestand. Mein subjektives Empfinden bei den Berührungspunkten als Arbeitgeber gegenüber der Agentur für Arbeit ist da völlig entgegengesetzt.

Es gibt ohne Zweifel sehr nette und bemühte Mitarbeiter in diesem Moloch. Das größte Problem ist, dass die Betriebsleitung nach Parteibuch besetzt wird. Wenn die Politik keinen Willen zur einer radikalen Reform der Agentur für Arbeit hat mit dem ganzen Wildwuchs an Gesetzen, Förderungen und Zuschüssen für Menschen die arbeiten könnten, dieses aber nicht wollen wird dies unausweichlich das Ende des Sozialstaates, so wie wir diesen kennen, bedeuten.

Und es wird wie immer wieder die Ärmsten und Schwächsten in unserem Staat mit hineinziehen.
Am besten wäre eine Reform die aus dem Inneren der Agentur angestoßen wird. Dort kennt man am besten die Probleme. Aber wie war das nochmals mit den Fröschen im Sumpf.

Jürgen Mosthaf

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