Minister Özdemir besucht Eppinger Start-up Gropyus – "kein Plattenbau 2.0“
Kurz vor Produktionsstart besichtigt der Bundes-Landwirtschaftsminister das hochautomatisierte Werk von Gropyus in Eppingen-Richen. Ein Start-up investiert hier zig Millionen in eine neue Holz-Bauweise.

Scherzhaft bezeichnet Vorstandschef Markus Fuhrmann es als „Sneak Preview“: Die Besucher dürfen einen Blick auf etwas werfen, bevor es offiziell losgeht. Und zwar nicht auf einen Kinofilm, sondern in Werkshallen. Aus gutem Grund, erläutert Fuhrmann: „Wenn das Werk in vollem Betrieb ist, darf man in die Hallen gar nicht mehr rein – das ist bei den vielen Robotern und automatischen Flurförderfahrzeugen viel zu gefährlich.“
Also schauen Bundes-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, weitere Grünen-Politiker und Eppinger Kommunalpolitiker, angeführt von Oberbürgermeister Klaus Holaschke, ein paar Monate vor Produktionsstart vorbei. Und sie erhalten schon eine gewisse Ahnung, wie die Arbeitsgänge im Werk von Gropyus einmal ablaufen werden. Denn viele der insgesamt 46 geplanten Roboter sind schon da und werden gerade montiert und angeschlossen.
Im einstigen Brettschichtholzwerk am Rande von Richen werden ab dem Jahreswechsel vollautomatisiert Module für den Hausbau entstehen – Decken und Wände quasi vom Fließband. Die Bauweisen werden stark vereinheitlicht, erläutert Fuhrmann. Was aber nicht heißt, dass die Bauherren sich nichts mehr aussuchen können. „Das hier wird kein Plattenbau 2.0“, betont der Vorstandsvorsitzende des Start-ups, das erst 2019 gegründet wurde und inzwischen mehr als 50 Millionen Euro alleine in das Eppinger Werk investiert.
"Hölzerne Woche" für den Minister
Dass der Landwirtschaftsminister vorbeischaut, hat offiziell nichts mit seinen ihm nachgesagten Ambitionen zu tun, Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Wahlkampf nächstes Jahr beerben zu wollen. Er habe eben gerade „hölzerne Woche“, sagt Özdemir: In seine Zuständigkeit fällt auch die Forstwirtschaft, so dass er zunächst beim Waldtag und dann beim Jubiläum des Deutschen Forstvereins war – und zum Abschluss eben zu einem Unternehmen komme, das den Rohstoff Holz zukunftsträchtig anwende. Dass bislang keine Bundes- oder Landesförderung in dieses Projekt floss, nimmt er zur Kenntnis. Versprechen könne er jedoch nichts. „Grundsätzlich muss man schauen, was wir tun können“, sagt er am Ende des Rundgangs. „Aber es wäre gut angelegtes Geld.“
Schließlich, erläutert Technik-Vorstand Philipp Erler, wird nicht nur ein nachhaltiger Baustoff verwendet, sondern es soll auch nachhaltig produziert werden – die Solarmodule für die Hallendächer sind schon bestellt. Dabei werden auch einige neue Gebäude errichtet. Am Ende werde die überdachte Fläche 25.000 Quadratmeter betragen, und weitere Anbauten seien möglich. Von derzeit knapp 80 solle die Belegschaft mit dem Hochfahren des Werks und Einführung eines Drei-Schicht-Betriebs auf 230 steigen.
Özdemir: "Holznutzung ist Klimaschutz"
Özdemir sieht eine gute Zukunft für den Holzbau. Bei Einfamilienhäusern liege hier die Emissionsersparnis bei bis zu 56 Prozent, bei Mehrfamilienhäusern bei bis zu 48 Prozent. Noch sei er aber in Deutschland wenig verbreitet. „Da ist noch Luft nach oben“, meint der Grünen-Politiker. „Er trägt dazu bei, dass die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 überhaupt erst in Reichweite gerät.“ Holznutzung sei Klimaschutz.
Auch Klaus Holaschke nutzt die Gunst der Stunde: Beim Minister und eventuellen Ministerpräsidenten-Kandidaten wirbt er für den Gleisanschluss für das Werk. Das spare schließlich Lkw-Verkehr, unter dem Richen schon lange leide.
Erste Bauprojekte
In Weißenthurm bei Koblenz wurde 2022 das erste Gebäude in modularer Holzbauweise – errichtet als Holz-Hybrid-Bauwerk – übergeben. Inzwischen seien 80 Prozent der 54 Wohnungen vermietet, berichten die Gropyus-Vorstände. Die Bewohner seien mit den Gegebenheiten des Gebäudes sehr zufrieden. Zwei neue Projekte sollen nun starten: In Berlin-Charlottenburg soll gemeinsam mit dem Konzern Vonovia, der auch in Gropyus investiert ist, ein Gebäude mit 27 Wohnungen im Zuge einer Nachverdichtung entstehen. Und in Immendingen im Landkreis Tuttlingen soll ein ganzes Quartier mit neun Gebäuden und insgesamt 99 Wohnungen entstehen