Das Bauhauptgewerbe in Baden-Württemberg erwirtschaftete von Januar bis November 2024 einen Umsatz in Höhe von rund 14,4 Milliarden Euro, beschäftigt werden 70.730 Mitarbeiter. Die Tendenz zeigt auch hier nach unten, wie Verbandspräsident Markus Böll berichtet. „Wir sehen einen drastischen Anstieg der Insolvenzen“, sagte er. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Pleiten um 22 Prozent gestiegen - inklusive Bauträger. Die Kurzarbeit sei binnen Jahresfrist um 50 Prozent gestiegen. Und auch die Nachfolgeproblematik macht der Branche zu schaffen. „Weil viele Betriebe keinen Nachfolger finden, schließen sie“, sagt Böll. Das sei eine dramatische Entwicklung.
Bauwirtschaft im Land sieht keine Trendwende
Verband fordert schnelle und umfassende politische Maßnahmen, um Bauen wieder bezahlbar zu machen. Kurzarbeit und Insolvenzen sind deutlich gestiegen.

Die schlechte Laune steht Markus Böll ins Gesicht geschrieben. Seit unzähligen Pressekonferenzen hat der Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg nur schlechte Nachrichten im Gepäck. So auch an diesem Mittwoch: „Wir müssen mit einem dunklen und trüben Jahr 2025 rechnen“, sagt Boll bei der hybriden Jahrespressekonferenz seines Verbandes. Die Lage in der baden-württembergischen Bauwirtschaft ist weiterhin schlecht, Besserung erwartet Böll frühestens 2026. Im laufenden Jahr geht der Verband von einem Umsatzrückgang in Höhe von rund 1,5 Prozent aus.
Es klafft im Land eine Lücke von 15.000 Wohnungen
Auch im zurückliegenden Jahr musste die Branche im Land ein Umsatzminus hinnehmen. Um 1,6 Prozent sanken die Erlöse der baden-württembergischen Bauwirtschaft. Dramatisch sei die Situation im Wohnungsbau, so Böll. Hier gab es ein nominales Umsatzminus in Höhe von 12,6 Prozent. Es wurden 2024 im Land nur 38.000 Wohnungen fertiggestellt - bei einem Bedarf von 53.100 Wohnungen. „Wir können den Bedarf im Wohnungsbau nicht decken“, sagt Böll. Er mache sich Sorgen um die Auswirkungen der Wohnungsnot auf die Gesellschaft und nimmt die Politik in die Pflicht. „Die politischen Weichen müssen auf Wachstum und Neubau gestellt werden“, fordert der Verbandspräsident.
In den anderen Baubereichen sieht es etwas besser, aber nicht gut aus. Der Wirtschaftsbau legte 2024 um 1,1 Prozent zu. Im öffentlichen Bau habe sich das Tempo mit einem Umsatzplus von 3,1 Prozent deutlich verlangsamt, sagt Böll. Und der Auftragseingang im gesamten baden-württembergischen Baugewerbe sei 2024 um 5,5 Prozent zurückgegangen. Für Böll ein klares Indiz dafür, dass sich in diesem Jahr wenig zum Besseren verändern wird.
Bauverband beklagt massive Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur
Im Tiefbau sieht es ebenfalls schlecht aus, wie Vize-Präsidentin Sabine Schmucker berichtete. Aufgrund des vorzeitigen Bruchs der Ampel-Koalition und des fehlenden Haushalts seien zahlreiche Autobahn- und Schienenprojekte auf Eis gelegt worden. Dabei gebe es einen „enormen Investitionsstau in der Verkehrsinfrastruktur“. „Das marode Verkehrswegenetz wird zunehmend zu einem Risikofaktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes“, sagte Schmucker.
„Jährlich müssten wir 100 Brücken sanieren. Zehn haben wir geschafft.“
Sorgenkind blieben die maroden Brücken. „Jährlich müssten wir 100 Brücken im Land sanieren. Zehn haben wir geschafft“, so Schmucker. Zwar habe das Land in den Haushalten 2025 und 2026 jeweils 184 Millionen Euro für Erhaltungsmaßnahmen an Landesstraßen sowie Brücken an Landesstraßen zur Verfügung gestellt. „Doch das ist viel zu wenig. 330 Millionen wären nötig“, sagt die Vizepräsidentin. Wenn nicht rasch etwas geschehe, werde es zu Brückensperrungen kommen. Laut Schmucker droht in den nächsten zehn Jahren 1700 Brücken an Bundes- und Landesstraßen im Land die Sperrung - mit fatalen volkswirtschaftlichen Folgen.
Bauverband fordert Aufweichung der Schuldenbremse
Um den Investitionsstau in der Verkehrsinfrastruktur zu lösen, fordert Hauptgeschäftsführer Thomas Möller einen pragmatischen Umgang mit der Schuldenbremse. Schulden für Investitionen in die Infrastruktur seien gute Schulden. Möller betonte, dass es nicht um Neubau von Straßen, Schienen oder Brücken gehe, sondern um den Erhalt der Infrastruktur. Das dafür benötigte Geld könnte dem Verband zufolge auch aus einer Pkw-Maut kommen, die es in vielen anderen europäischen Ländern längst gibt.
Von der Politik erwartet der Verband der Bauwirtschaft rasche und umfangreiche Maßnahmen, um Bauen wieder günstiger und attraktiver zu machen. Böll nannte die Senkung der Grunderwerbsteuer, eine Verbesserung und Ausweitung der staatlichen Förderprogramme und des Ausbau des sozialen Wohnungsbaus. Von zentraler Bedeutung ist für Böll ein Absenken der hohen Standards beim Bauen. „Jedes Bauteil eines Gebäudes wird heute bis zum Limit perfektioniert“, kritisiert der Verbandspräsident. Die Folgen seien extrem hohe Baukosten, die Bauherren und Investoren abschreckten. Böll plädiert für Bauen light oder modulares Bauen, um die Preisspirale zu bremsen.
Bauverband: Mit richtigen Maßnahmen könnte Bauen 25 Prozent günstiger werden
Hauptgeschäftsführer Möller nennt in diesem Zusammenhang auch die Bereiche Brandschutz und Schallschutz. „Wir bieten hier immer nur den Mercedes S-Klasse an“, sagte er. Es müsse auch möglich sein, aus Kostengründen auf den Luxusstandard zu verzichten und stattdessen den Normalstandard zu nehmen, so Möller. „Wir können günstiger bauen. Wir müssen es nur dürfen.“ Verbandspräsident Böll kann sich mit den entsprechenden Maßnahmen eine Reduzierung der Baukosten um 25 Prozent vorstellen.