Dass sein runder Geburtstag auf einen Samstag fällt, findet Albert Berner praktisch. „Am Wochenende haben alle Zeit“, sagt er. Privat wird im kleinen Kreis mit Familie und guten Freunden gefeiert. Am Montag findet ihm zu Ehren ein Festakt in der Zentrale auf dem Garnberg statt. „Da bin ich nur Gast. Was mich erwartet, das weiß ich nicht. Ich soll mich einfach überraschen lassen, wurde mir gesagt. Das mache ich.“ Gesundheitlich geht es ihm gut, verrät er. „Golf spiele ich weiterhin regelmäßig – fast bei jedem Wetter.“ Und auch mit dem E-Bike tourt er noch durch seine geliebte Heimat. „Allerdings nicht mehr ganz so viel wie früher.“
Albert Berner wird 90 Jahre: Wie aus dem Metzger-Sohn ein führender Unternehmer wurde
Albert Berner feiert seinen 90. Geburtstag – und blickt auf einen holprigen Start ins Leben zurück. In seinen wilden Jahren ging der Hohenloher keiner Schlägerei aus dem Weg, stand auf der Kippe. Wie wurde er ein führender Unternehmer?

23 Mark. Mehr hätte es nicht gebraucht, um die Weichen des jungen Albert Berner anders zu stellen. Weil seine Eltern aber das Geld für die Oberschule nicht hatten, beendete der Spross die Schule 1948 im Alter von 13 Jahren zwangsweise früher als seine einstigen Klassenkameraden Reinhold Würth und Gerhard Sturm. Trotzdem gründete das Hohenloher Original später sein eigenes Unternehmen, aus dem mit der Zeit ein Weltkonzern geworden ist.
Albert Berner wird 90 Jahre: vom „Früchtchen“ zum führenden Unternehmer
Was aus ihm geworden wäre, wenn seine Eltern die 23 Mark monatlich hätten aufbringen können, steht für Berner anlässlich seines 90. Geburtstags an diesem Samstag indes außer Frage. „Dann hätte ich studiert, mich mit dem Abschluss in der Tasche aber ganz sicher auch selbstständig gemacht“, sagt er der Heilbronner Stimme.
Es ist diese Entschlossenheit, die Unbeirrbarkeit, die Albert Berner stets auszeichnete und ihn zu dem machte, was er heute ist. Sich seinem Schicksal zu ergeben, kam für den Metzger-Sohn nie infrage.
„War wild und draufgängerisch“: Wunsch nach besserem Leben hat Berner angetrieben
„Er kämpft für das, was ihm wichtig ist“, schrieb sein jüngster Sohn Christian, der den Vorstandsvorsitz der Berner Group 2012 übernahm, einst über seinen Vater. Berner wollte immer Spuren hinterlassen, der Wunsch nach einem besseren Leben mit Prinzessin, eigenem Häuschen und einem Fiat Topolino hat ihn angetrieben. Trotzdem stand er zunächst auf der Kippe, wie er einmal sagte. Wichtiger als die fehlenden 23 Mark für die Schule war die Chance, die ihm Adolf Würth 1952 mit einem Ausbildungsplatz gab. Das stellte Berners Weichen anders.
„Ich war wild und draufgängerisch in jungen Jahren.“
Albert Berner
Er machte eine Kehrtwende, wurde fleißig, pünktlich und verantwortungsbewusst. Bis dahin sei er ein ziemliches Früchtchen gewesen. „Ich war wild und draufgängerisch in jungen Jahren“, sagt Berner noch heute und weiß doch am besten, dass er das beinahe schönredet. Schon zu Schulzeiten war der heute 90-Jährige als Raufbold bekannt, ging keiner Prügelei aus dem Weg. „Da hatte ich zeitweise einen fürchterlichen Ruf“, gestand er einst. Den pflegte Berner, der bei den Mädchen beliebt sowie ein guter Tänzer und Sänger war, auch zu Lehrzeiten noch.
Metzger-Lehre endete abrupt, nachdem Albert Berner auf seinen Lehrherrn losging
Seine beim Vater in Künzelsau begonnene Metzger-Lehre musste er in Heilbronn fortführen, nachdem der Vater die Gastwirtschaft „Bären“ pachtete und die Metzgerei aufgab. Die 50 Kilometer mit dem Rad bei Wind und Wetter am Sonntag nach Heilbronn und am Samstagmittag zurück nach Künzelsau steckte der Sportler Berner noch weg.
Aber: „Ich bin mit meinem Lehrherrn nicht ausgekommen“, erzählt er. Als er nach einer schweren körperlichen Anstrengung seinen Kohldampf mit sieben Paar Saitenwürstle stillte, tobte sein Chef. „Was mich so geärgert hat, dass ich mit dem Rauchstock auf ihn los bin.“ Es war zugleich das Ende der Lehre.

Ausbildung bei Würth wird Wendepunkt für Berner
Nachdem es auch mit anderen Lehrberufen nicht klappte, verdiente Berner sein Geld im Tiefbau, wurde auch da seinem Ruf gerecht. Aggressiv und streitlustig ließ der junge Wilde – inzwischen Amateurboxer – weiterhin munter Fäuste fliegen. Erst die Ausbildung bei Würth markierte den Wendepunkt.
„Ich bin Adolf Würth bis heute dankbar, dass er sozusagen als Mentor die entscheidenden Weichen für meine berufliche Karriere gestellt hat“, sagt Berner. Im Verkaufen fand der damals 17-Jährige, der als Gegenentwurf zu seinen Klassenkameraden Reinhold Würth und Gerhard Sturm gesehen werden darf, seine wahre Bestimmung.
Trotz jugendlicher Eifersucht: Mit Reinhold Würth verstand sich Berner immer gut
Doch lange hielt es ihn nicht beim Schraubenhändler, 1957 trennten sich die Wege, nach dem frühen Tod des Seniors war inzwischen der einstige Klassenkamerad Reinhold sein Chef. Hinter dem Schritt steckte sicher ein bisschen jugendliche Eifersucht, vor allem aber Stolz und Trotz. Und der unbändige Wille, mehr zu erreichen.
„Mir wurde damals zunehmend klar, dass ich gerne etwas Eigenes machen wollte“, verrät Berner heute. Mit Reinhold Würth habe er sich gut verstanden. Oft seien sie im Außendienst zusammen unterwegs gewesen. „Bei einer dieser Vertriebstouren hat Reinhold am Bodensee seine liebe Frau kennengelernt, während er auf mich wartete – auch diese Geschichte verbindet uns.“
Im Schatten des Konkurrenten baute Berner sein eigenes Imperium auf, Würths Erfolge imponierten ihm, trieben ihn an. „Umgekehrt war es vielleicht genauso.“ In seinem ersten Jahr als selbständiger Unternehmer macht Berner mit seiner Schraubengroßhandlung bereits 300.000 Mark Umsatz, verdiente 30.000 Mark – schon im zweiten Jahr verdoppelte er beides. Im dritten Jahr dann durchbrach er die Umsatzgrenze von einer Million Mark. „Ich habe mich selbst gewundert, wie alles plötzlich zum Laufen kam.“
Erste Frau von Albert Berner starb bei Operation
Angst und Zweifel habe es immer gegeben, sagt Berner heute. „Mein Steuerberater hat nach drei Jahren gesagt: Herr Berner, wenn Sie wüssten, wie oft Sie schon pleite waren. Ich habe mich aber immer den Herausforderungen gestellt. Das heißt: Man muss die Situation annehmen und alles dafür tun, um zu gewinnen.“
Auch privat schien er auf der Gewinnerseite, 1957 heiratete er seine erste Frau Gisela, der Ehe entsprangen zwei Kinder. 1961 baute die Familie ein eigenes Haus nach Berners Plänen – doch 1965 starb Gisela bei einer eigentlich harmlosen Operation.

Ein Schicksalsschlag. Berner war 30, hatte zwei kleine Kinder und eine Firma mit 120 Mitarbeitern. Er stellte sich der Situation, fand in Ursula Herms wenige später eine kluge Frau, mit der er zwei weitere Kinder bekam. Der jüngste, Christian, sollte später sein Nachfolger werden. Als Entrepreneur alter Schule lebte Albert Berner vor allem aber für sein Unternehmen, das größer und größer wurde.
Warum sich Berner mit 65 Jahren aus der Geschäftsführung zurückzog
Eine seiner wichtigsten Erfindungen, der Spreizdübel, war das Ergebnis eines verregneten Sommerurlaubs im Salzburger Land. Früh expandierte Berner auch ins Ausland, war damit auch Reinhold Würth einen Schritt voraus, was dieser lobend anerkannte. Früher als geplant zog sich Berner allerdings aus dem operativen Geschäft zurück.
Als die Berner Group mit den Säulen Berner, BTI – später kam noch Caramba hinzu – 1998 gerade die Milliarden-Grenze beim Umsatz knackte, musste Berner Ende des Jahres mit schweren Herzbeschwerden ins Krankenhaus. Knapp entging er dem Tod – und zog sich in der Folge aus der Geschäftsführung zurück. Mit 65 Jahren.
Berners Sohn Christian übernimmt 2012 die Geschäfte – stolz auf Generationenwechsel
Nachdem zwei externe Manager die Geschäfte geführt hatten, übernahm Sohn Christian 2012 im Alter von 27 Jahren und verlegte im Zuge der Transformation der Gruppe einen Teil des Unternehmens nach Köln, da es immer schwerer wurde, Fachkräfte nach Künzelsau zu holen. Anfangs haderte Berner senior damit, freundete sich mit der Entscheidung aber an. Als Gründer der Firma und als Vater sei er glücklich, „dass wir geschafft haben, woran viele Familienunternehmen scheitern: einen erfolgreichen Generationenwechsel“, sagt der 90-Jährige nun.
Angesichts dieser Erfolge blickt Berner, der 1995 auch auf Initiative seiner Frau eine eigene Stiftung gegründet hat, um etwas an seine Heimatregion zurückzugeben, mit Demut und großer Dankbarkeit zurück. Und stolz. Fast schon gewohnt salopp sagt er: „Ich habe einen großen und schuldenfreien Laden.“ Da spielen die fehlenden 23 Mark von einst nun wirklich keine Rolle mehr.

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