Wolf hatte Beutetrieb, keinen Blutrausch
Experte wertet mutmaßliche Wolfsattacke auf Schafherde in Bad Wildbad als normales Verhalten. CDU-Politiker fordern Abschuss des Wolfes, was rechtlich schwer umsetzbar ist.

Blutrausch oder normales Jagdverhalten, Abschuss oder verstärker Herdenschutz? Die mutmaßlichen Wolfsattacke auf eine Schafherde in Bad Wildbad hat den Diskussionen über den Umgang mit dem Raubtier neue Nahrung gegeben. 32 Schafe wurden getötet, 16 weitere haben sich in Panik erdrückt oder sind ertrunken.
Während Wildbads Bürgermeister Klaus Mack und der Arbeitskreis Umwelt und Natur der CDU-Landtagsfraktion fordern, das Tier abzuschießen, sieht der renommierte Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky dafür keinen Grund. Der Stimme gegenüber fordert er vor allem: verbesserten Herdenschutz.
CDU will "Problem-Wolf" abschießen lassen
"In diesem Einzelfall halten wir es für notwendig, den Problem-Wolf, der sich offensichtlich im Blutrausch befunden hat, zu entnehmen", sagte der CDU-Arbeitskreisvorsitzende Paul Nemeth. Mit solchen Aussagen kann Ulrich Wotschikowsky nichts anfangen. "Der Vorfall hat überhaupt nichts mit einem Problemwolf zu tun", erklärte der studierte Förster und Wildbiologe der Heilbronner Stimme.
Wenn für den Angriff in Bad Wildbad ein Wolf verantwortlich sei, habe dieser sich völlig normal verhalten. Obwohl so viele Schafe getötet worden sind? Beutegreifer müssten erheblichen Aufwand betreiben, um Tiere zu erlegen, deshalb nutzten sie jede günstige Gelegenheit. Ist ein Wolf in einen Pferch eingedrungen, setze sich der Beutetrieb durch. Dazu komme, dass Schafen der Fluchtinstinkt weggezüchtet worden sei.
Schafe haben keinen ausgeprägten Fluchttrieb mehr
Ähnlich argumentiert auch das Landesumweltministerium und verweist auf Marder oder Füchse, die in Hühnerställen zuschlagen und viele Tiere töten. Das Kontaktbüro Wolf im sächsischen Rietschen sieht das genauso: Die geringe Wehrhaftigkeit und Fluchtfähigkeit der Schafe lösten beim Wolf wiederholt ein Jagd- und Tötungsverhalten aus.
Entscheidend aus Sicht von Wolfsexperten und Ministerium ist nun, dass die Schafherden im Land ausreichend geschützt werden. "Wölfe dürfen erst gar nicht lernen, dass Schafe eine leichte Beute sind", betont Wotschikowsky. In Baden-Württemberg seien die Landwirte nicht auf die Rückkehr der Raubtiere vorbereitet - ein Problem mit dem auch andere Bundesländern gekämpft haben.
Umweltministerium prüft Verhalten des Wolfes
Wäre ein Abschuss rechtlich überhaupt zulässig? Nach Ansicht von Ulrich Wotschikowsky nicht, da sich das Tier ja nicht auffällig verhalten habe. Die Lage würde sich dann verändern, wenn das selbe Tiere mehrfach zum Wiederholungstäter wird. Das Umweltministerium prüft noch, ob der Angriff "ein ungewöhnlich cleveres Verhalten darstellt oder die Anzahl der gerissenen Schafe ihn zu einem Problemwolf macht". Experte und Ministerium verweisen zudem darauf, dass mit einem erhöhten Risiko für Menschen nicht zu rechnen ist.
Vertreter des Landesschafzuchtverbandes (LSV) und des Umweltministeriums einigten sich am Donnerstag auf die formalen Anforderungen für die Einzäunung von Schafweiden in Wolfsgebieten. In Gebieten, die künftig als Wolfsterritorium definiert werden, muss der elektrische Zaun mindestens 90 Zentimeter hoch sein. Einer gemeinsamen Pressemitteilung zufolge können die Anschaffungskosten bis zu 90 Prozent bezuschusst werden. LSV-Geschäftsführerin Anette Wohlfarth begrüßte die gefundene Regelung.