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Widerspricht deutschem Recht: Iranische Frauen brauchen auch in Deutschland eine Heiratserlaubnis ihres Vaters

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Der lange Arm der Scharia reicht nach Deutschland bis in die baden-württembergischen Standesämter. Auch hier macht die Sittenpolizei Frauen zu Menschen zweiter Klasse. Wie kann eine solche Regelung bestehen, die deutschem Recht widerspricht?

Von unserer Korrespondentin Ulrike Bäuerlein
Foto: Butenkow/stock.adobe.com
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Iranische Frauen kämpfen nicht nur auf den Straßen ihres Heimatlandes erbittert um ihre Rechte. Der lange Arm der Scharia, der Frauen zu Menschen zweiter Klasse macht, reicht nach Deutschland bis in die baden-württembergischen Standesämter.

Die FDP-Landtagsabgeordnete und Vize-Fraktionsvorsitzende Julia Goll mochte es kaum glauben, als sie von einer jungen Iranerin darauf angesprochen wurde: Will eine iranische Frau in Deutschland auf einem Standesamt heiraten, braucht sie nicht nur ein Ehefähigkeitszeugnis aus ihrem Heimatland, sondern auch eine beurkundete Erlaubnis ihres Vaters dazu, der dem Ehemann namentlich zustimmen muss.

Wie kann eine solche Regelung bestehen, die deutschem Recht widerspricht? Das wollten Julia Goll, die selbst Juristin ist, und ihre Fraktionskollegin, die frauenpolitische Sprecherin Alena Trauschel, von der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges (CDU) wissen.


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Wie viele Fälle sind seit 2019 bekannt?

"Wenn iranische Frauen sich bei ihrer Eheschließung in Deutschland mit den Vorgaben des Mullah-Regimes konfrontiert sehen, ist das eine schwere Zumutung", sagt Trauschel, "die iranische Sittenpolizei hat im Standesamt nichts verloren". Es sind zwar vergleichsweise wenige Fälle - für die Jahre 2019 bis 2021 verzeichneten die vier Regierungspräsidien in Baden-Württemberg jeweils etwa um die 60 Eheschließungen. Doch jede dieser Frauen war mit der Forderung konfrontiert.

Wieso gilt diese Regelung in Deutschland?

Die Antwort des Justizministeriums auf die Anfrage liegt der Heilbronner Stimme jetzt vor. Grundlage dieser bundesweit geltenden Regelung ist ein uralter Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien von 1929, der von der Bundesrepublik 1954 bestätigt wurde und besagt, dass die Angehörigen beider Staaten bezüglich des Personen-, Familien- und Erbrechts auch im Gebiet des anderen Staates den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen bleiben.

Allerdings wurden im Iran seit der Revolution 1979 die Rechte von Frauen zunehmend beschnitten - das Abkommen aber hat weiter Bestand. Im besten Fall sollte es bewirken, dass einem Staatsangehörigen keine Nachteile entstehen, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt. Denn eine auf einem deutschen Standesamt geschlossene Ehe ist im Iran nicht automatisch gültig, sie muss in einer iranischen Vertretung registriert werden und weitere Bedingungen erfüllen.

Wie können iranische Frauen ohne Zustimmung ihres Vaters heiraten?

Gentges verweist darauf, dass sich Frauen auch von der Pflicht befreien lassen könnten, die Einwilligung ihres Vaters vorzulegen - allerdings müssen sie dann ersatzweise eine schriftliche Erklärung vorlegen, vom Standesamt über die möglichen Folgen belehrt worden zu sein. Goll bemängelt, dass die Standesämter die Frauen erst seit relativ kurzer Zeit ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Eheschließung auch ohne Zustimmung des Vaters möglich ist. Auf die Frage, was die Landesregierung unternehme, um diese Regelungen zu ändern, verwies Gentges auf eine laufende Bundesratsinitiative.


Regeln für die Eheschließung

Das iranische Familienrecht schreibt für die Ehe eine Reihe von Regeln vor. Soll eine in Deutschland geschlossene Ehe aber auch im Iran Gültigkeit besitzen, müssen iranische Staatsangehörige diese Regelungen dennoch beachten. Unter anderem ist die Ehe einer muslimischen Frau mit einem Nichtmuslim verboten, auch, wenn die Ehe außerhalb des Iran geschlossen wird.

 

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