Verbände weisen Kretschmann-Idee zurück
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bringt eine leichte Erhöhung der Wochenarbeitszeit für Teilzeit-Lehrkräfte ins Spiel – und wird dafür massiv kritisiert. Kretschman hält das für hilfreich zur Bekämpfung des Lehrermangels.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weiß, dass er mit seiner Aussage die gesamte Lehrerschaft gegen sich aufgebracht hat. "Das war eine spontane Äußerung, die ich besser gelassen hätte", sagt er am Dienstag (26.04.) in Stuttgart.
Rechnerisch 1000 Lehrer mehr
Und um das ging es: Am Montagabend thematisierte Kretschmann bei einer Podiumsdiskussion der "Stuttgarter Zeitung" längere Arbeitszeiten für Lehrer, um dem Lehrermangel abzumildern. Viele Lehrkräfte seien Frauen und arbeiteten in Teilzeit. "Wenn die alle eine Stunde mehr arbeiten würden, hätte ich 1000 Lehrer mehr, die ich dringend brauche", erklärte der Grünen-Politiker. Der Fachkräftemangel sei groß im Südwesten, daher müsse man "mehr reinstecken".
Gewerkschaften sind entsetzt
Es waren Sätze, die in der Bildungslandschaft für große Aufregung sorgten. "Wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann jahrelang Vorschläge zur Lehrergewinnung unbeachtet lässt und dann in einer Zeit, in der alle Beschäftigten in Bildungseinrichtungen völlig am Limit sind, über Mehrarbeit laut nachdenkt, kennt er nicht den Alltag in den Klassenzimmern", sagt Monika Stein, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), am Dienstag in Stuttgart. Krisen wie die Pandemie und jetzt die Aufnahme Geflüchteter wären besser zu bewältigen, wenn die Schulen zumindest zum Beginn eines Schuljahres alle Lehrkräfte hätten, die sie für regulären Unterricht bräuchten", so Stein.
Verband nennt Vorstoß "populistisch"
Zudem würden Teilzeitkräfte deswegen in Teilzeit arbeiten, weil dies notwendig sei, um beispielsweise Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, erklärt Stein. Schließlich würde es keinen Spaß machen, weniger Geld zu verdienen. Ähnlich argumentiert Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Dass Kretschmann nach "zwei äußerst frustrierenden und belastenden Corona-Jahren" und mit Blick auf die zunehmenden Herausforderungen durch die vielen ukrainischen Schüler einen solchen Vorstoß mache, sei "populistisch" und eine "schallende Ohrfeige für alle Lehrkräfte".
Am Dienstag ist die Landesregierung jedenfalls darum bemüht, den Konflikt zu versachlichen. Das Kultusministerium trete über die Schulverwaltung an die Lehrer im Rahmen der jährlichen Planung der Lehrkräfteversorgung heran, so ein Sprecher der Behörde. Dabei würde man "die Lehrkräfte regelmäßig darum bitten, ihr Teilzeitdeputat aufzustocken und so mitzuhelfen, den Lehrkräftemangel über diese Maßnahme zu verringern". Seit Beginn des aktuellen Schuljahres hätten rund 2000 Lehrkräfte Anträge auf Teilzeiterhöhung gestellt.
Kretschmann: Wohlstandsverluste als Kriegsfolgen
Kretschmann rät den Bildungsfunktionären jedenfalls davon ab, in einer schweren Krise mit den üblichen Reflexen zu reagieren. "Der Krieg in der Ukraine wird zu Wohlstandsverlusten führen", erklärt er. Die Lehrer habe er nur als ein Beispiel aufgeführt, um darzustellen, was die Zeitenwende bedeute.
Doch auf solche Argumente wollen Verbandsvertreter erst gar nicht eingehen. Ralf Scholl, Landesvorsitzender des Philologenverbands: "Die Lehrkräfte sind nach zwei Jahren coronabedingter Zusatzarbeit und Erschwernisse zum Großteil erschöpft, teilweise sogar ausgebrannt. Viele Lehrkräfte schaffen es gerade noch, die Schulwochen ohne eigenen Ausfall zu überstehen."



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