Doppelqualifikation als Sprungbrett

Baden-Württemberg ist eines der Bundesländer, in dem Ausbildung und Abitur zeitgleich möglich sind

Eine Ausbildung zu absolvieren und zugleich für das Abitur zu büffeln, ist alles andere als leicht. Pascal Brungs hat diesen Schritt gewählt. Fotos: Henning Kaiser/dpa

Zu den jungen Menschen in Deutschland, die sich für dieses Modell entschieden haben, gehört Pascal Brungs. Der 22-Jährige absolviert eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik bei der Firma Gilog in Frechen (Nordrhein-Westfalen) will parallel dazu die Fachhochschulreife erwerben. und

Lernen ist Pflicht: Zum Besuch der Berufsschule drei Stunden zusätzlicher Unterricht dazu. kommen wöchentlich Fotos: Henning Kaiser/dpa

Lernen Was heißt: Nach der Arbeit steht noch einmal Lernen auf dem Programm. ,,Klar, das ist manchmal alles ein bisschen anstrengend", sagt Brungs. Doch der zeitliche Aufwand, den er derzeit für einen gelungenen Einstieg ins Berufsleben investiert, wird sich eines Tages bezahlt machen, davon ist er überzeugt: ,,Mit der Doppelqualifikation verschaffe ich mir ein gutes Sprungbrett, um eines Tages auf der Karriereleiter möglichst weit oben zu landen."

Berufs-Abitur Gesellenabschluss plus Abitur oder Fachhochschulreife - nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist das derzeit in neun von 16 Bundesländern möglich. Und zwar in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und Sachsen. Das auchals ,,Berufs-Abitur" bezeichnete Modell, das der ZDH gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz ins Leben gerufen hat, existiert seit dem Schuljahr 2017/2018.

Doppelabschluss Aber nicht nur im Handwerk kann die für junge Doppelqualifikation Leute eine Option sein, sondern auch in der Industrie und im Handel. Aus Sicht von Carsten Berg, Leiter Ausbildung bei der Industrieund Handelskammer (IHK) in Köln, bietet das Modell einen großen Vorteil: „Den beruflichen Abschluss, den man erwirbt, kann einem keiner nehmen."

Plan B Wer mit der erworbenen Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife zur FH oder zur Uni geht und feststellt, dass ein Studium doch nicht das Richtige ist, hat zumindest eine abgeschlossene Ausbildung. „Man kann dann also in dem erlernten Beruf arbeiten und muss im Berufsleben nicht bei Null anfan-gen", so Berg. Doch erst einmal muss man es wollen und schaffen, eine Ausbildung zu absolvieren und zusätzlich fürs (Fach-) Abi zu büffeln.

Belastung Pascal Brungs ist mit viel Interesse und Elan dabei. ,,Ich habe noch nie so viel gelernt wie in den vergangenen Monaten", erzählt der 22Jährige. Während der Ausbildung ist der Besuch der Berufsschule obligatorisch. Pro Woche kommen noch einmal drei Stunden Schulunterricht für alle, die ein Fachabitur oder Abitur anstreben, hinzu. In dem Zusatzunterricht geht es darum, tiefer gehende Kenntnisse in Fächern wie Mathe, Deutsch, Englisch und Biologie zu erwerben. Auch zu Hause steht Lernen an. „Oft mache ich das gemeinsam mit meinen Kollegen, dann helfen und motivieren wir uns gegenseitig", sagt Brungs.

Pluspunkt Das Engagement, das die jungen Leute im Bemühen um eine Doppelqualifikati-on zeigen, kommt bei Arbeitgebern „enorm gut an", wie Carsten Berg immer wieder feststellt. Wer neben der Ausbildung einen höheren Schulabschluss gemacht hat, habe in Bewerbungsgesprächen einen dicken Pluspunkt: „Weil man damit echte Leistungsbereitschaft zeigt." Solche hoch motivierten Beschäftigten wollen viele Unternehmen laut Berg natürlich möglichst langfristig halten. Sabine Meuter/dpa


Auf die Plätze, fertig, los

In vielen Ausbildungsberufen werden noch Bewerber gesucht

Zum neuen Ausbildungsjahr starten 1325 neue Auszubildende in den Handwerksbetrieben der Region HeilbronnFranken in ihre berufliche Zukunft. Bis zum Stichtag am 31. August 2022 sind damit 68 Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen worden als ein Jahr zuvor - ein Minus von 4,9 Prozent. Erfahrungsgemäß gehen aber bis Jahresende noch weitere neue Lehrverträge für das laufende Ausbildungsjahr bei der Kammer ein. Denn die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe sei trotz vieler konjunktureller Unsicherheiten weiter hoch, weiß Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer.

„Auch wer sich jetzt noch für eine Ausbildung in einem der 130 Ausbildungsberufe im Handwerk interessiert, hat noch Chancen, eine Stelle zu finden“, ermuntert er. Mit Blick auf die großen Aufgaben, die in Zukunft anstehen, brauche es schließlich dringend qualifizierte Fachkräfte. Dafür warten auf die Nachwuchshandwerker nicht nur das gute Gefühl, am Ende des Tages sichtbar etwas geschafft zu haben, sondern auch glänzende Karriereaussichten. „Gut ausgebildeten Handwerkern wird die Arbeit in Zukunft sicher nicht ausgehen", ist Ralf Schnörr überzeugt. red