Vorbereitung auf den Ernstfall

Auch wenn es unangenehm ist, sollten Familien rechtzeitig Gespräche über einen Pflegenotfall führen

Wird ein Pflegegrad festgestellt, kann ein ambulanter Pflegedienst eine wirksame Unterstützung darstellen. Foto: Halfpoint/stock.adobe.com

Meist kommt alles ganz plötzlich. Ein Schlaganfall, Krankheit oder die Diagnose Demenz. Ein Pflegefall in der Familie ändert alles: den Tagesablauf, die finanziellen Belastungen, den Einklang von Job und Freizeit oder das Wohnumfeld. Häufig müssen dann unter Druck schnelle Lösungen her. Doch vieles lässt sich schon vorab organisieren und besprechen.Wichtig ist, sich so früh wie möglich damit zu beschäftigen, erklärt Felizitas Bellendorf. „Das ist ein sehr emotionales Thema, weil es immer bedeutet, sich mit Verlust auseinanderzusetzen“, sagt die Referentin für den Pflegemarkt bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zudem werden Rollenverteilungen und -vorstellungen etwa unter Partnern auf den Kopf gestellt, wie Pflegewissenschaftler Peter König erklärt. „Das kann Ängste auslösen.“

Die Experten raten dazu, sich für Gespräche Zeit zu nehmen und alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Geht es um die Pflege der Eltern und gibt es mehrere Geschwister, sollten die sich vorab schon einmal ehrlich austauschen. Sonst sind gerade im akuten Notfall Konflikte vorprogrammiert. So könnten die Kinder, die weiter weg wohnen, diejenigen anderweitig unterstützen, die pflegen – etwa durch eine Haushaltshilfe.

Kompromisse
Den Experten zufolge sollten Erwartungen und Wünsche benannt und dann Kompromisse ausgehandelt werden. Alle Beteiligten müssten klar sagen, was sie leisten wollen und was nicht. „Nicht vorschnell Dinge versprechen, die sich nicht halten lassen“, warnt König.

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Pflegebedürftigkeit kann plötzlich eintreten. Dann ist es gut, wenn vorher das Wichtigste besprochen wurde. Foto: luckybusiness/stock.adobe.com

Das Thema Geld sollte ebenfalls angesprochen werden. „Sind diese Dinge nicht geklärt, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Konflikten kommen, zum Beispiel unter Geschwistern“, so Engel.

Die Pflege-Profis empfehlen, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen und sich ein Netzwerk aufzubauen. Dazu gehören auch Nachbarn oder Freunde. Je nach Bedarf kommen ein Pflegedienst, eine hauswirtschaftliche Unterstützung oder ein Fensterputzer hinzu, um die Sturzgefahr zu mindern, außerdem Lieferdienste für Lebensmittel.

Wohnsituation
Ein erster Schritt könnte darin bestehen, die Wohnsituation zu analysieren und zu überlegen, was umgebaut werden müsste. Denn je weiter Alter oder Krankheit fortschreiten, desto schwieriger gestaltet sich ein Umzug. „Stattdessen lässt sich frühzeitig beispielsweise die Dusche umbauen“, sagt Bellendorf.

Wer sich beraten lassen will, wendet sich am besten an die Pflegestützpunkte. Die gibt es in vielen Landkreisen, kostenlos und unabhängig. In den Sozialämtern helfen Pflegekoordinatoren. Auch der Hausarzt, Kranken- und Pflegekassen oder der Sozialdienst bieten Unterstützung an. Mobile Dienste kommen gerne zur Beratung in die Wohnung. Ist noch keine akute Hilfe notwendig, können sich Angehörige zur Vorbereitung darüber informieren, wo die Ämter oder Ansprechpartner zu finden sind. dpa Bernadette Winter

Rechtzeitig vorsorgen

Ein absolutes Vorsorge-Muss ist Experten zufolge die Vorsorgevollmacht. Mit ihr lässt sich festlegen, wer entscheiden soll, etwa über ärztliche Untersuchungen, den Aufenthalt oder das Vermögen. „Rein formal reichen bei diesen Dokumenten Unterschriften“, sagt König. Ein Notar sei zwar nicht nötig. Ohne eine notarielle Beglaubigung könne es aber manchmal zu Diskussionen kommen. Zudem ist eine Patientenverfügung hilfreich. Damit haben Angehörige im Notfall eine Entscheidungsgrundlage, was die ärztliche Behandlung angeht.dpa