Der Griff zur Zigarette, der ist seit Jahrzehnten Gewohnheit. Ebenso die große Vorliebe für süßes Plundergebäck und deftig-fettige Gerichte. Und eine richtige Sportskanone war man ohnehin noch nie.
Viel Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Alkohol und Zigaretten: In der Medizin ist unumstritten, dass ein gesunder Lebensstil das Risiko für viele Erkrankungen verringern kann. Und dass ungesunde Gewohnheiten das Risiko erhöhen. Zum Beispiel für Bluthochdruck, Arthrose, Lungenkrebs oder Diabetes.
Krankheiten Doch was, wenn die Diagnosen da sind - und die lasterhaften Gewohnheiten fest mit dem eigenen Alltag verbunden? „Der Zug ist abgefahren, eine Umstellung bringt doch jetzt nichts mehr“, mag da der erste Impuls sein.
Ein Irrtum, wenn es nach der Altersmedizinerin Brigitte Buchwald-Lancaster geht. „Es bringt in jedem Alter einen Mehrwert, etwas für sich selbst zu tun“, sagt die Chefärztin des Zentrums für Akutgeriatrie und Frührehabilitation an der München Klinik Neuperlach. Krankheiten im Alter wieder vollständig rückgängig machen - das ist natürlich kaum möglich. „Aber es geht auch gar nicht darum, dadurch einen Zustand völliger Gesundheit zu erreichen.“
Mittelmeerkost Wer im Alter seine Gewohnheiten neu aufstellt, kann Lebenszeit gewinnen. Eine Ernährungsumstellung kann sich beispielsweise positiv auf die verbleibende Lebenserwartung auswirken. Gut erforscht ist das bei der Mittelmeerkost, wie Professor Rainer Wirth sagt. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Mittelmeerkost heißt: viel frisches Gemüse und Obst, wenig Fleisch, viel Fisch und hochwertige Öle. „Wenn ein 20-Jähriger darauf umstellt, dann gewinnt er ungefähr zehn Lebensjahre. Wenn ein 60-Jähriger diese Umstellung macht, gewinnt er immer noch ungefähr acht Lebensjahre“, sagt Wirth. Und selbst, wer 80 Jahre alt sei, könne durch eine Umstellung der Ernährung noch gut drei zusätzliche Jahre herausholen. Zumindest im statistisch berechneten Mittel - bei dem einen mag mehr drin sein, bei der anderen weniger. Lebenszeit lässt sich auch gewinnen, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Buchwald-Lancaster verweist auf Untersuchungen aus den USA. Wenn Menschen, die ihr ganzes Leben lang starke Raucher gewesen sind, im Alter zwischen 55 und 64 Jahren aufhören, können sie durchschnittlich vier Lebensjahre gewinnen.
Lebensqualität Doch durch gesündere Angewohnheiten kann man sich auch im Alter - nicht nur mehr Lebenszeit verschaffen, sondern auch mehr Lebensqualität. „Nach einem Rauchstopp fühlt man besser, man schmeckt besser. Die Neigung zu chronischer Bronchitis bessert sich schon nach Monaten“, sagt Rainer Wirth. Die Lungenfunktion wird gestärkt und das Risiko für Gefäßerkrankungen sinkt - auch im Alter noch.
Gewicht abbauen Und wer dem Übergewicht den Kampf ansagt, wird wahrscheinlich mit weniger Schmerzen belohnt. Wird der „Rucksack“ an Körpergewicht, den man tagtäglich mit sich herumträgt, leichter, tun die Gelenke weniger weh, etwa die Knie.
Außerdem hilft ein gesunder Lebensstil dabei, die Selbstständigkeit im Alter länger zu erhalten. Brigitte Buchwald-Lancaster erklärt das am Beispiel regelmäßiger Bewegung. „Man muss kein Supersportler sein, sondern es kann schon reichen, eine halbe Stunde am Tag spazieren zu gehen. Aber wenn man gar nichts macht, dann baut die Muskulatur ab.“ Der Gang wird dann unsicherer, das Sturzrisiko steigt. „Und oft ist es ein Sturz, der eine Abwärtsspirale in Gang setzt. Und dann kann ein betagter Mensch möglicherweise nicht mehr selbstständig zu Hause leben.“ Wichtig sind allerdings realistische Erwartungen. „Wenn man schwere chronische Erkrankungen hat, dann kann es natürlich schwierig sein, den Nutzen einer Umstellung noch wahrzunehmen, also im Sinne einer gesteigerten Lebensqualität“, sagt Professor Wirth. Und ergänzt: „Ich glaube grundsätzlich in jeder Situation, in der jemand noch halbwegs selbstständig zu Hause lebt, bringt eine Änderung des Lebensstils eine Verbesserung der Lebensqualität.“
Kleine Ziele Doch Gewohnheiten umzustellen, ist schwer. Rauchstopp, Ernährungsumstellung, jeden Tag eine Stunde raus: „Man kann nicht auf drei oder vier Baustellen gleichzeitig arbeiten“, sagt Wirth. Zu groß ist die Gefahr, dass man die Umstellung am Ende doch nicht durchzieht - und voller Frust in alte Muster zurückfällt. Sinnvoller ist es, sich erst mal einen Bereich vorzunehmen. „Schon die einzelnen Komponenten sind hocheffektiv“, sagt der Altersmediziner. Er rät zu kleinen Zielen. dpa