Das Geschäft mit exotischen Pflanzen boomt.doch es ist alles andere als ökologisch. Worauf man beim „Urban Jungle" achten sollte.
Wozu in ferne Länder reisen, wenn man sich den Dschungel in die eigenen vier Wände holen kann? Gerade sogenannte „Plant Moms" oder „Plant Influencer" teilen auf Social Media Fotos ihrer exotischen Pflanzen-Sammlungen Je mehr Pflanzen, desto größer der Beitrag für die Umwelt? Nicht unbedingt.

Intransparent
Der Pflanzenmarkt floriert vor allem seit der Corona-Pandemie. 2020 profitierte der Markt von dem Run auf Blühendes und trendigen Grünpflanzen, heißt es vom Bundesverband Gartenbau. Der Marktanteil stieg um sechs Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Die grünen Zimmerpflanzen wuchsen deutlich um elf Prozent auf 535 Millionen Euro. Im Schnitt geben die Deutschen knapp 100 Euro im Jahr für Zimmerpflanzen aus, schätzt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund).
Doch das Geschäft mit exotischen Pflanzen ist alles andere als ökologisch Das beginnt schon damit, dass Verbraucher nicht nachvollziehen können, woher die Pflanzen eigentlich kommen. „Der Pflanzenpass gibt nur Auskunft über das letzte EU-Land, in dem die Pflanze wesentlich weiterverarbeitet wurde", erklärt Landwirtschaftsreferent Christoph Schramm vom Bund BadenWürttemberg. Meistens sei das in den Niederlanden oder in Belgien, wo die tropischen Verhältnisse in riesigen Gewächshäusern unter hohem Strom- und Wasserverbrauch künstlich geschaffen werden. Nach der Anzucht werden die Pflanzen dann in den deutschen Handel gebracht. In Asien oder Afrika, wo die Zierpflanzen gezogen werden, sorgt ihr Anbau für Umweltschäden in Boden und Wasser, und es kommen Pestizide zum Einsatz, die in der EU zurecht wegen ihrer Giftigkeit in der EU im Freiland verboten sind – und denen die Arbeiter in Ländern wie Costa Rica oder Äthiopien nicht nur schutzlos ausgesetzt sind.
In Supermarkt, Einrichtungshäusern oder im Gartencenter sind die Pflanzen oft von Schadstoffen belastet. „Besonders häufig werden auf Zierpflanzen Insektizide aus der besonders problematischen Stoffgruppe der Neonicotinoide nachgewiesen", erklärt Christoph Schramm. In den Gewächshäusern werden die Pflanzen mit Insektiziden. Herbiziden, Dünger oder Stauchungsmitteln aufgemotzt. Sobald die perfekten Bedingungen nachlassen, gehen viele Exoten deshalb meist ein.
Die Erde dieser Pflanzen ist außerdem oft mit Torf versetzt. Als billiges Substrat liefert er wertvolle Nährstoffe. abgebaut wird Torf allerdings hauptsächlich in belarussischen Mooren. Dadurch verschwinden diese wertvollen CO2-Speicher und Diversitäts-Biotope. „Alternativen zu Torf sind Kompost als Basis oder Kokosfasern zum Auflockern der Erde", rät Christoph Schramm.
Wer bei Zimmerpflanzen nach ökologischen Alternativen sucht, hat wenig Auswahl. Denn sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Bio-Zierpflanzen sind gering. „Zimmerpflanzen, die nach den Anbaurichtlinien eines Bio-Anbauverbandes produziert werden, werden statistisch nicht erfasst und machen ohnehin nur einen sehr kleinen Teil aus", heißt es dazu vom Zentralverband Gartenbau. Die Siegel von Bioland, Naturland oder Demeter sind zwar strenger, regeln aber nicht alle Teilbereiche für einen ökologischen Pflanzenhandel. Die mit diesen Bio-Labeln zertifizierten Pflanzen sind dann etwa organisch gedüngt, oder ihre Pestizidmenge wurde niedrig gehalten. Über ihre Regionalität sage das aber nicht viel aus, so Christoph Schramm. Andere Siegel wie das niederländische MPS „Umweltprogramm Zierpflanzen" seien noch zu unbekannt. Man müsse schon Experte sein, sagt Christoph Schramm, um im ZimmerpflanzenDschungel durchzublicken.
Luxusprodukt
Zimmerpflanzen sind ein Luxusprodukt unserer Wohlstandsgesellschaft, aber sie tun der Seele einfach gut", sagt Lisa Ghizelea von der Floristikwerkstatt Lisbeth in Flein. Pflanzen müssten als Lebewesen mit Bedürfnissen statt als Deko-Objekte begriffen werden. Das Problem ist nicht die Pflanze an sich, sondern das Konsumverhalten", sagt Ghizelea. Zum einen werde kleineren Gärtnern durch Dumpingpreise wie etwa beim Orchideenmarkt die Existenz genommen. Zum anderen wachsen viele Zimmerpflanzen nicht so kurzlebig, wenn man sich richtig um sie kümmert. Bei ihrem Angebot achtet Ghizelea auf eine gute Mischung. „Wir versuchen, unsere Zimmerpflanzen regional zu beziehen." Linda Möllers
Lieber tauschen
Wer gern exotische Pflanzen mag. sollte Stecklinge lieber tauschen statt sie neu zu kaufen. Von Ableger zu Ableger wird das nicht nur nachhaltiger, sondern auch günstiger Angebote und Gesuche gibt es etwa auf Ebay Kleinanzeigen oder auf Pflanzentauschbörsen. In Heilbronn findet die erste Pflanzentauschbörse am 30. April von 10 bis 16 Uhr im Quartierszentrum HeilbronnBöckingen statt. Außerdem: Erde sollte, torffrei" und nicht nur torfreduziert" sein, die Übertöpfe aus Terracotta oder Keramik. lim