Wüstenrot: Silberrausch im Wäschklämmerlesgäu

Nach dem Dreißigjährigen Krieg schürt Not die Hoffnung auf etwas Wohlstand

Seit 1986 steht die Pfaffenklinge mit dem Stollen als flächenhaftes Naturdenkmal unter einem besonderen Schutz. Foto: Archiv/Bosch

Wüstenrot umgeben vom Mainhardter Wald und den Löwensteiner Bergen liegt mit seinen Ortsteilen Finsterrot, Maienfels, Neuhütten und Neulautern im Herzen des Wäschklämmerlesgäus. Oder im Schindelgebirge. Oder im Sandjockel. Je nachdem, welche Bezeichnung man bevorzugt. Denn alle drei weisen auf Produkte hin, die einst in der Gegend hergestellt wurden: Wäscheklammern, Schindeln und Stubensand, wie feiner Scheuersand auch genannt wird. Dazu kam das Glasmacherhandwerk, das seine Blütezeit im 15. Jahrhundert erlebte. Daran erinnert das Gemeindewappen.Wüstenroter Lawichsäck Nicht nur nach dem Dreißigjährigen Krieg, auch nach dem Ersten Weltkrieg litten die Wüstenroter große Not. Die Bevölkerung hungerte und fror. So wurden die Schulkinder in den Wald geschickt, um Laub und verschiedene Kräuter zu sammeln, die sie dann in Säcken heimtrugen. Was ihnen den Spitznamen Lawichsäck (Laubsäcke) einbrachte. Dass die Wüstenroter auch Sandläufer genannt werden, haben Recherchen des Heimatvereins nicht bestätigt.   

Neuhüttener Gänsflügel
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Neuhütten einen großen, ortsprägenden Gassensee. Die vielen Gänse, die sich dort niedergelassen hatten, gelten als Paten für den Spitznamen des Teilorts.
   

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Neulauterner Geissböck(l)e
Im tief eingeschnittenenen Lautertal gelegen, ist Neulautern von steilen Hängen umgeben. Mit dieser Topographie erwies sich die Tierhaltung im Ort als äußerst schwierig – nur Geißlein und Geißböcke kamen mit den Steillagen gut zurecht.

Betrügerischer Bergrat
„Wüstenrot große Not, Weihenbronn send so domm, Finsterrot gar koi Brot, Ammertsweiler große Mäuler“: Mit diesen Worten beginnt ein Spottvers über den Mainhardter Wald, der zeigt, wie schlimm die Lage nach dem Dreißigjährigen Krieg war. Wie in ganz Württemberg waren auch hier die Orte durch Plünderung, Brandschatzung, Belagerung und andere Gräuel stark in Mitleidenschaft gezogen. Doch für die Bewohner von Wüstenrot und dessen Umgebung gab es in den Jahren 1772/ 73 einen Hoffnungsschimmer.

Eines Tages waren dem naturwissenschaftlich interessierten Prälaten Oetinger aus dem nahen Murrhardt Erzproben aus der Wüstenroter Pfaffenklinge überbracht worden. Ein selbsternannter, „Bergrat Riedel“ aus Sachsen, der sich damals bei Oetinger aufhielt, behauptete, dass diese Proben einen hohen Silbergehalt enthielten, und überzeugte den Prälaten davon, sich für den Betrieb eines Bergwerks an dieser Stelle einzusetzen.

Dessen Fürsprache führte zur Genehmigung des Bergwerks „Unverhofftes Glück“, das durch den Verkauf von Kuxen, also Anteilen an einer bergrechtlichen Kapitalgesellschaft, finanziert wurde. Für Riedel ein Ansporn, Offiziere und Soldaten aus Ludwigsburg, darunter auch den Vater des Dichters Friedrich Schiller, zur Finanzierung eines weiteren Stollens namens „Soldatenglück“ zu gewinnen. Weitere Bergwerke entstanden in Erlach und Neulautern. Doch Silber fand sich nirgends. Trotz einer Predigt, in der Oetinger am 25. Juli 1773 die Bergleute zum Durchalten ermahnte, wuchsen die Zweifel an Riedel und dessen Expertise. Das Ende des „Silberrauschs“: Der Sachse wurde schließlich in Löwenstein verhaftet, der Bergwerksbetrieb eingestellt und das Inventar verkauft.

Von unserer Redakteurin
Ulrike Kübelwirth
   

HNV-Fahrplantipps

Vier Regionalbuslinien verbinden Wüstenrot mit den umliegenden Gemeinden und den Nachbarkreisen Hohenlohe, Schwäbisch Hall und Rems-Murr. Es gibt Verbindungen nach Mainhardt und Schwäbisch Hall sowie nach Sulzbach/Murr. Nach Löwenstein und Obersulm bestehen stündliche Verbindungen. In Willsbach gibt es Anschluss an Regionalzüge in Richtung Heilbronn, Schwäbisch Hall und Crailsheim, sowie auf die Stadtbahn in Richtung Öhringen oder Heilbronn. Regelmäßig fahren Busse nach Bretzfeld – mit Anschluss an die Stadtbahn in Richtung Öhringen oder Heilbronn. In Richtung Sulzbach/Murr gibt es im Frühjahr und Sommer an Wochenenden und Feiertagen eine Fahrradbeförderung. red