Geschichten über Rogheim: Grenzgänger sind für Neckereien „zu perfekt“

Seckachtalgemeinde hat keine Spitznamen, dafür ist sie reich an Sagen und Legenden

Viele der Roigheimer Sagen und Legenden spielen in den Wäldern rund um den Ort, wo so mancher Geist harmlose Spaziergänger erschreckt haben soll. Fotos: Archiv/Reiff

Roigheim ist die letzte, die letzte Gemeinde am nördlichsten Zipfel des Heilbronner Landkreises, und die letzte Gemeinde, der sich die Stimme-Serie „50 Wochen – 50 Orte“ widmet. Auf ihrer Gemarkung treffen das Bauland und die Kocher-Jagst-Ebene aufeinander, grenzt Baden an Württemberg. Groß war der Ort nie. Auch heute noch gehört er mit seinen rund 1400 Einwohnern zu den kleineren in der Region.Nach einem Spitznamen für die Roigheimer sucht man vergebens. Selbst in den Nachbargemeinden – sonst um keine Verballhornung verlegen – herrscht Ratlosigkeit. Nicht so bei Dr. Dieter Wollmann vom Heimatverein: „Wir sind einfach perfekt. Wir haben keine Spitznamen“, stellt er schmunzelnd fest. Wenn doch, dann solche, welche die Roigheimer sich selbst gegeben haben. Etwa Hausnamen, die in früherer Zeit zur besseren Unterscheidung der Bewohner dienten. Schulenenglert, Wieseromich, Dalmüller, Zichlerspaule oder Straßewartsreichert sind nur einige Beispiele dafür. Was sich dafür aber in Roigheim – das im späten Mittelalter dank seiner schwefelhaltigen Quellen als „Heilbrunnen mit ordentlichem Badebetrieb“ sogar zahlende Gäste aus nah und fern anzog – reichlich findet, sind Sagen und Legenden.

Der vergrabene Schatz
Zwischen Roigheim und Möckmühl zieht sich am rechten Ufer der Seckach eine Klinge hin, in der noch heute ein Schatz vergraben sein soll. Wer ihn heben will, muss um Mitternacht nach ihm graben, darf dabei aber kein Sterbenswörtchen sprechen. Dies versuchten vor langer Zeit zwei Roigheimer Burschen. Um Mitternacht waren sie schon so weit, dass der Spaten des einen auf eine eiserne Kiste traf. Voller Freude rief er seinen Kameraden herbei, um ihm den Fund zu zeigen. Aber kaum war der erste Ton aus seinem Mund entflohen, war die Kiste auch schon verschwunden und das Licht, das die Schatzsuche beleuchtete, erloschen. Dafür wimmelte es jetzt in der Klinge nur so von fremden Soldaten, wie die beiden sie noch nie gesehen hatten. Vom Entsetzen gepackt, suchten die Glücksritter das Weite. Und der Schatz? Der wartet noch heute darauf, gehoben zu werden, heißt es in der Ortschronik.

Unehrliche Feldscheider
Lang ist’s her, da prozessierten die Roigheimer mit ihren Landesherren, denen sie vorwarfen, sich unrechtmäßig am Gemeindewald im Hemmrichsholz bereichert zu haben. Von den hartnäckigen Untertanen im fernen Seckachtal genervt, stimmte der Herzog zähneknirschend einer Neuvermessung des Waldes zu. Dabei stellte sich heraus, dass die Roigheimer im Recht waren: 27 Morgen waren es, die dem Ort schließlich wieder zugesprochen wurden.

Aus dieser Zeit stammen wohl auch die umher geisternden Feldscheider (von der Gemeinde bestimmte Personen, welche die Ortsgrenzen begingen und kontrollierten), die harmlosen Spaziergängern während des sonntäglichen Glockengeläuts in gehörigen Schrecken versetzt haben sollen. Schweigend, mit bleichen Gesichtern, gewandet in Frack und Zylinder, hasten die mit langen Messstangen bewaffneten Männer angeblich zwischen den Bäumen hin und her, graben Grenzsteine aus, messen diese neu ein und versetzen sie wieder.

Der unterirdische Gang
Im Mittelalter hatte bei der Ortskirche wohl auch ein Kloster gestanden. Dessen Mönche sollen unter der Seckach hindurch einen langen unterirdischen Gang bis zu einem Schloss im Gewann Mittich gegraben haben. Dort hätten die Gottesmänner immer wieder wüste Gelage mit den Schlossbewohnern abgehalten. Als Strafe für das gotteslästerliche Treiben sei der Tunnel eines Tages eingestürzt und habe die Frevler unter sich begraben. Bald darauf sei auch das Schloss abgebrannt worden.

Der G’schwangholzpfarrer
Ebenfalls um einen Gottesmann dreht sich die Geschichte um den G’schwangholzpfarrer, die „man mir schon als Kind erzählt hat.“ Noch heute „graust“ es Dieter Wollmann, wenn er an den „Holzpfarrer“ denkt: Als der Ort noch katholisch war, soll die Haushälterin des Pfarrers ihr gemeinsam gezeugtes Kind erstickt und heimlich mit dessen Hilfe im „G’schwangholz“ verscharrt haben. Als Strafe für diese ruchlose Tat habe der Pfarrer nach seinem Tod keine Ruhe gefunden. Immer wenn die Kirchenglocken läuteten, sei er unruhig und klagend durch den Wald gegeistert und habe manch harmlosen Spaziergänger erschreckt. Manche berichteten darüber, dass er mit dem Kopf unter dem Arm umhergeirrt sei, andere haben ihn von einem Baum herab predigen gehört. Erst Generationen später soll der spukende Gottesmann von einem Amtsnachfolger erlöst worden sein, in dem dieser tagelang zu mitternächtlicher Stunde in den Wald ging, dort Bibelverse las und Gebete sprach und so den unglücklichen Geist schließlich bannte.

Alte Kamellen? Nein: Geisterstories gibt auch aus jüngerer Zeit. „Spukgeschichten sterben eben nicht aus“, sagt Dieter Wollmann und erzählt die des Malers Datz. Ein eifriger Kirchgänger sei der gewesen. Trotzdem hatte er sich vor ein paar Jahrzehnten das Leben genommen. Kurz drauf hieß es in Roigheim, dass der Pfarrer den Maler jeden Morgen die Kirchentreppe heruntergehen höre...

Von unserer Redakteurin
Ulrike Kübelwirth

HNV-Fahrplantipps

In Roigheim gibt es einen Regionalzughalt. Dadurch gibt es stündliche Verbindungen nach Osterburken, Bad Friedrichshall und Heilbronn. In den Hauptverkehrszeiten und zu den Schulzeiten gibt es noch zusätzliche Verbindungen. Mit der Regionalbahn kommt man sogar direkt nach Stuttgart und Tübingen. Unter der Woche gibt es morgens durch den Regionalexpress eine Verbindung nach Stuttgart und Würzburg. red